OGH 3Ob144/15w

OGH3Ob144/15w19.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, den Hofrat Dr. Roch und die Hofrätinnen Dr. Dehn und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache 1. minderjähriger M*****, und 2. minderjähriger A*****, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Vaters B*****, vertreten durch Dr. Doris Hohler‑Rössel, Rechtsanwältin in Wiener Neustadt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 27. April 2015, GZ 16 R 64/15y‑315, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00144.15W.0819.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist der von den Vorinstanzen abgewiesene Antrag des Vaters, ihm wegen einer behaupteten Gefährdung der 1998 und 2002 geborenen minderjährigen Söhne die bisher der Mutter zustehende Obsorge zu übertragen.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs enthält keine konkreten Ausführungen dazu, aus welchen Gründen die Abweisung des Obsorgeübertragungsantrags durch das Rekursgericht bezüglich des 2002 geborenen Sohnes, der nach den Feststellungen eine ganz enge Bindung zur Mutter hat, unrichtig sein soll. Inhaltlich macht der Revisionsrekurs des Vaters in diesem Zusammenhang nur geltend, dass sein Besuchsrecht durch die Abweisung entsprechender, von ihm gestellter Anträge „boykottiert“ werde.

2. Der Revisionsrekurs konzentriert sich vielmehr darauf, dass wegen bestehender Entwicklungsrückstände des 1998 geborenen Sohnes entgegen der Auffassung des Rekursgerichts ein Obsorgewechsel angezeigt sei.

3. Ob die Voraussetzungen für eine Obsorgeübertragung erfüllt sind und eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft im Regelfall keine Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS‑Justiz RS0115719; RS0048699 [T18]).

Bei der Entscheidung ist ausschließlich das Wohl des Kindes maßgebend, wobei eine Änderung der Obsorgeverhältnisse nur als äußerste Notmaßnahme unter Anlegung eines strengen Maßstabs (RIS‑Justiz RS0047841 [T15]; RS0048699) angeordnet werden darf. Der hier anwendbare § 181 ABGB blieb inhaltlich gegenüber § 176 ABGB idF vor dem KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15, unverändert (3 Ob 38/13d; 5 Ob 63/13w). Einem mündigen Kind soll möglichst nicht gegen seinen Willen ein Obsorgewechsel aufgezwungen werden (RIS‑Justiz RS0048818; 3 Ob 38/13d).

Von diesen Grundsätzen ist das Rekursgericht ausgegangen:

4. Ergänzende Erhebungen des Rekursgerichts über nach Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses eingetretene Umstände ergaben, dass die ‑ kurzfristigen - Aufenthalte des mittlerweile 17‑jährigen Sohnes im Haushalt des Vaters konfliktbeladen waren. Das führte dazu, dass der Vater ihn nach einem siebentägigen Aufenthalt am 28. Jänner 2015 aufforderte, den Haushalt wieder zu verlassen. Der Minderjährige sprach sich mehrfach, zuletzt am 3. März 2015 (ON 301), explizit gegen eine Obsorgeübertragung von der Mutter auf den Vater aus. Er gab an, derzeit nicht bei seiner Mutter, sondern in Wien zu leben. Er warte auf einen Wohnplatz in einem Kolpinghaus und sei laufend über das AMS auf der Suche nach einer Lehrstelle. Der Kinder‑ und Jugendhilfeträger sprach sich gegen eine Obsorgeübertragung an den Vater aus.

Zumindest vertretbar ist das Rekursgericht bei dieser Situation davon ausgegangen, dass eine Obsorgeübertragung dem Wohl des 17‑jährigen Sohnes nicht förderlich wäre. Den im Revisionsrekurs hervorgehobenen und nicht zu leugnenden Entwicklungsschwierigkeiten einiger Kinder der obsorgeberechtigten Mutter ‑ der Ehe zwischen Vater und Mutter entstammen insgesamt 10 Kinder ‑ kann nach den Umständen des konkreten Falls nur durch geeignete und nach dem Akteninhalt auch immer wieder ergriffene Hilfsmaßnahmen des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers, nicht aber durch eine Obsorgeübertragung an den Vater begegnet werden.

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