OGH 9ObA13/15z

OGH9ObA13/15z29.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. G***** N*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Strohmayer Heihs Strohmayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 3.953,22 EUR brutto sA, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 1.957,20 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 1.996,02 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. November 2014, GZ 7 Ra 54/14h‑44, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00013.15Z.0729.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision der Beklagten:

Nach § 23 Abs 1 AngG stellt das für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührende Entgelt die Basis der Berechnung der Abfertigung dar. Dabei umfasst der weit zu verstehende Begriff des Entgelts jede Leistung des Arbeitgebers, die der Arbeitnehmer als Gegenleistung dafür bekommt, dass er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Darunter ist der sich aus den mit einer gewissen Regelmäßigkeit ‑ wenn auch nicht jeden Monat -wiederkehrenden Bezügen ergebende Durchschnittsverdienst zu verstehen, der sich aus den regelmäßig im Monat wiederkehrenden Bezügen zuzüglich der auch in größeren Abschnitten oder nur einmal im Jahr zur Auszahlung gelangenden Aushilfen, Remunerationen, Zulagen usw zusammensetzt (9 ObA 22/11t; 9 ObA 8/14p; 9 ObA 124/12v, jeweils mzwH).

Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung bei seiner Entscheidung beachtet und ausgeführt, dass im Anlassfall dem Kläger regelmäßig Überstundenentgelte ausbezahlt wurden. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger nach den von der Beklagten nicht bekämpften Feststellungen Überstunden (vom Erstgericht in den Feststellungen synonym als „Gutstunden“ bezeichnet) in unregelmäßigen Abständen, „im Durchschnitt des Dienstverhältnisses in 6,8 Monaten“ ausbezahlt erhielt. Nach diesen ‑ den Obersten Gerichtshof bindenden ‑ Feststellungen hat die Beklagte daher öfter als jedes zweite Monat dem Kläger in ‑ wenn auch unregelmäßigen ‑ Abständen Zahlungen für Überstunden geleistet. Die behauptete Widersprüchlichkeit dieser Feststellungen ist nicht ersichtlich. Entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin steht daher fest, dass dem Kläger Überstunden nach der getroffenen und tatsächlich gelebten Vereinbarung der Parteien ‑ anders als in dem 9 ObA 124/12v zugrundeliegenden Sachverhalt ‑ nicht ausschließlich durch Zeitausgleich abgegolten wurden. Eine Korrekturbedürftigkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, das unter Anwendung des § 273 ZPO davon ausgegangen ist, dass die in den Monaten März und Juli 2011 ausbezahlten Überstundenentgelte sich auf im Jahr 2011 geleistete Überstunden bezogen, zeigt die Revisionswerberin mit ihrem Hinweis auf die in diesem Zusammenhang vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung nicht auf.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.

II. Zur Revision des Klägers:

1. Eine mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht angefochten werden. Nur wenn das Berufungsgericht sich mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS‑Justiz RS0043371). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS‑Justiz RS0043150 [T8]). Das Berufungsgericht hat sich ‑ mit zulässig knapp gehaltener Begründung (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 Rz 145) ‑ mit der Tatsachenrüge auseinandergesetzt und im Übrigen begründet ausgeführt, warum es die Beweisrüge darüber hinaus nicht als gesetzmäßig ausgeführt angesehen hat. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Auf die vom Kläger für seinen Rechtsstandpunkt ins Treffen geführte Bestimmung des § 4 IV Abs 4 des hier unstrittig anzuwendenden Kollektivvertrags für Angestellte von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik (IT‑KV) kommt es im Anlassfall schon nach seinem Vorbringen nicht an. Diese Bestimmung regelt die Berechnung von Entgeltansprüchen (zB Urlaubsentgelt, Feiertagsentgelt, Krankenentgelt etc) aus dem Gleitzeitkonto im Rahmen des kollektivvertraglichen Gleitzeitmodells. Wenn danach Gutstunden in einem Zeitraum von 12 Monaten vor dem Abrechnungsmonat nicht durch Zeitausgleich abgegolten wurden, sondern zur Auszahlung gelangt sind (vgl § 4 IV Abs 2 IT‑KV), so beträgt die Berechnungsbasis für das Entgelt 1/12 des ausgezahlten Betrags. Auf die Berücksichtigung von Gutstunden, bei denen es sich schon begrifflich nicht um Überstunden handelt (vgl § 6 Abs 1a AZG und auch § 5 II Abs 1 IT‑KV sowie den besonderen Zuschlag für Gutstunden in § 4 IV Abs 3 IT‑KV; Löschnigg , IT‑KV § 4 Erl 22), hat sich der Kläger in seinem Vorbringen, wonach er die Einbeziehung von Entgelten für regelmäßig geleistete Überstunden in die Abfertigung begehrt, aber nicht gestützt. Nur Gutstunden, die am Ende einer Gleitzeitperiode bestehen, sind Überstunden, es sei denn, dass sie aufgrund wirksamer Vereinbarung in den nächsten Durchrechnungs-zeitraum übertragen werden können (§ 6 Abs 1a AZG; Grillberger , AZG³ § 6 Rz 12, 14). Da das Berufungsgericht aber ohnehin in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Klägers von der Leistung von Überstunden ausgegangen ist, kommt es auf die Überlegungen zu § 4 IV Abs 4 IT‑KV nicht weiter an.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision des Klägers zurückzuweisen.

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