OGH 1Ob41/15h

OGH1Ob41/15h18.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** T*****, vertreten durch Mag. Werner Hauser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 367.694,15 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. November 2014, GZ 14 R 136/14v‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. August 2014, GZ 30 Cg 18/14h‑11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.375,40 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Ein am 11. 11. 1997 verstorbener Erblasser hatte am 23. 10. 1983 ein Testament errichtet, in dem er den klagenden Verein zum Alleinerben eingesetzt hatte. Aus nicht geklärten Gründen [möglicherweise wegen einer fehlerhaften Schreibweise des Namens] wurde dieses Testament im Verlassenschaftsverfahren nicht aufgefunden; es langte erst Ende 2010 über ein anderes Bezirksgericht beim Nachlassgericht ein. Da bei diesem zunächst keine gesetzlichen Erben ausfindig gemacht werden konnten, war der Nachlass mit Beschluss vom 28. 6. 2001 für heimfällig erklärt und ein das Nachlassvermögen bildender Geldbetrag von 367.694,15 EUR an die Beklagte überwiesen worden. Diese hatte den Betrag am 17. 11. 2004 an fünf gesetzliche Erben weitergeleitet, die in der Zwischenzeit von Erbenermittlern ausgeforscht worden waren. Nachdem der Kläger am 4. 1. 2011 vom Verlassenschaftsgericht durch Übersendung einer Kopie von der Existenz der letztwilligen Verfügung informiert worden war, stellte er vorerst ‑ rechtlich aussichtslose ‑ Anträge im bereits abgeschlossenen Verlassenschaftsverfahren. Danach unternahm er Versuche, an jene Personen heranzutreten, an die das Nachlassvermögen letztlich ausgefolgt worden war. Am 13. 8. 2012 richtete er Anspruchsschreiben an die fünf gesetzlichen Erben, und zwar unter jenen (jeweils ausländischen) Adressen, die aus dem Verlassenschaftsverfahren bekannt waren. Aktuelle Anschriften der beiden tschechischen Verwandten des Erblassers konnten trotz Einschaltung eines ansässigen Anwalts nicht ermittelt werden. Von einer weiteren Verfolgung von Ansprüchen gegenüber den beiden zuletzt in den USA ansässigen Verwandten nahm der Kläger vor allem deshalb Abstand, weil es mit diesem Staat kein bilaterales Vollstreckungsabkommen gibt. Auch mit dem zuletzt in Dänemark wohnhaft gewesenen Erben konnte ein Kontakt nicht aufgenommen werden. Am 2. 1. 2014 richtete der Kläger ein Aufforderungsschreiben gemäß § 8 AHG an die Finanzprokuratur, in dem der in der Folge mit Klage vom 3. 4. 2014 verfolgte Amtshaftungsanspruch geltend gemacht wurde.

Dass die Beklagte schadenersatzrechtlich dafür einzustehen hat, dass das Testament des Erblassers im Verlassenschaftsverfahren nicht berücksichtigt wurde, ist nicht strittig.

Der Kläger brachte zur Begründung seines Zahlungsbegehrens von 367.694,15 EUR samt Zinsen seit 3. 1. 2014 im Wesentlichen vor, bei pflichtgemäßem Vorgehen des Verlassenschaftsgerichts wären sowohl die Heimfälligkeit als auch die Auszahlung an über die gesamte Welt verstreute vermeintliche Erben verhindert worden. Trotz umfangreicher Recherchen hätten keine Zustellanschriften der vermeintlichen (gesetzlichen) Erben ermittelt werden können, weshalb eine Klageführung aussichtslos gewesen sei. Verjährung des Amtshaftungsanspruchs sei nicht eingetreten, sei doch der Schaden des Klägers nicht schon mit dem Heimfälligkeitsbeschluss wirksam geworden, der ja durch die Herausgabe der Nachlassaktiva faktisch korrigiert worden sei. Die zehnjährige Verjährungsfrist habe erst mit der Auszahlung des Betrags an die gesetzlichen Erben am 17. 11. 2004 begonnen. Der Kläger habe erstmals am 4. 1. 2011 vom Inhalt der letztwilligen Verfügung und damit von Schaden und Schädiger erfahren und mit seinem Aufforderungsschreiben vom 2. 1. 2014 auch die dreijährige subjektive Verjährungsfrist gewahrt.

Die Beklagte wandte einerseits Verjährung des Amtshaftungsanspruchs ein, da der Schaden spätestens mit dem Heimfälligkeitsbeschluss vom 28. 6. 2001 und der damit verbundenen Überweisung des Nachlassbetrags entstanden sei. Der geltend gemachte Anspruch sei andererseits auch der Höhe nach unberechtigt, hätte der Kläger doch bei der von ihm als richtig unterstellten Einantwortung im Jahr 1989 Erbschaftssteuer in Höhe von 169.139,31 EUR zu tragen gehabt, weshalb das Klagebehren jedenfalls überhöht sei.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger 367.694,15 EUR samt 4 % Zinsen seit 3. 1. 2014 zu zahlen. Die Beklagte habe das Vorliegen eines Haftungstatbestands im Hinblick auf das Nichtauffinden des Testaments nicht bestritten. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht könne dem Kläger nicht entgegen gehalten werden, habe dieser doch zu Recht angenommen, dass die Verfolgung der Ansprüche gegenüber den gesetzlichen Erben mit wirtschaftlich vernünftigen Mitteln nicht aussichtsreich erscheine und jedenfalls weitere Kosten produziert hätte. Der Höhe nach stehe dem Kläger Schadenersatz in Höhe des gesamten entgangenen Nachlasswerts zu, werde er doch im Sinne des § 21 BAO für den Erhalt eines „Erbschaftsäquivalents“ nach der 1997 geltenden Rechtslage Erbschaftssteuer abzuführen haben. Verjährung des Ersatzanspruchs sei nicht eingetreten. Auch wenn rechtmäßiges Verhalten der Gerichtsorgane im Verlassenschaftsverfahren möglicherweise dazu geführt hätte, dass dieses zugunsten des Klägers bereits im Jahr 1999 beendet worden wäre, sei jedenfalls davon auszugehen, dass auch bei einem späteren Ausweis der testamentarischen Erbfolge die Beklagte den ihr aufgrund der Heimfälligkeit zugekommenen Nachlass herausgegeben hätte. Erst mit Übergabe der Nachlassaktiva an die gesetzlichen Erben im November 2004 sei dies nicht mehr möglich gewesen. Das Gericht teile somit die Auffassung des Klägers, dass erst zu diesem Zeitpunkt der Schaden wirksam geworden sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Gemäß § 6 Abs 1 AHG verjähre der Ersatzanspruch erst nach zehn Jahren nach der Entstehung des Schadens, wenn dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt geworden ist. Im Gegensatz zur Rechtslage nach § 1489 zweiter Satz ABGB beginne die Verjährungsfrist nicht schon mit dem schädigenden Ereignis, sondern mit jenem Zeitpunkt, in welchem der Schaden wirksam geworden sei. Als Schaden im Rechtssinn sei es auch anzusehen, wenn an die Stelle eines präsenten Bargeldbetrags eine gleich hohe Geldforderung getreten sei, weil diese mit dem Risiko der Rechtsverfolgung bzw der Einbringlichkeit behaftet sei, es wäre denn, der Schuldner wäre bereit und im Stande, seine Verbindlichkeit unverzüglich abzutragen. Möge auch ein Einbringlichkeitsrisiko bei einer Zahlung an die Republik Österreich nicht bestehen, könne doch keineswegs von der Bereitschaft des Bundes ausgegangen werden, einen für heimfällig erklärten Nachlassbetrag unverzüglich „zurückzuzahlen“. Im vorliegenden Fall könne jedenfalls davon ausgegangen werden, dass der Nachlass dem Kläger bei Vorliegen des Testaments spätestens zum Zeitpunkt der Heimfälligkeit, also am 8. 6. 2001, eingeantwortet worden wäre. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei daher der Schaden wirksam geworden, habe der Kläger doch bloß über eine Geldforderung und nicht über einen Bargeldbetrag verfügt und sei weder behauptet noch bewiesen worden, dass der Bund zu diesem Zeitpunkt bereit gewesen wäre, den Heimfälligkeitsbetrag unverzüglich zurückzuzahlen. Da der Schaden nicht erst mit der endgültigen Uneinbringlichkeit der Forderung, sondern schon mit der durch den Schadenersatzpflichtigen veranlassten „Leistung einer nicht geschuldeten Zahlung“ eingetreten sei, ändere an dieser rechtlichen Beurteilung auch nichts, dass der Heimfälligkeitsbeschluss durch die Überweisung des Geldbetrags an die gesetzlichen Erben obsolet geworden sei. Schon ab dem Zeitpunkt des Heimfälligkeitsbeschlusses sei dem Kläger nur noch eine Geldforderung zugestanden, die dem Besitz eines Geldbetrags nicht gleichgehalten werden könne. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei daher die zehnjährige Absolutfrist des § 6 Abs 1 AHG bereits abgelaufen gewesen. Daran könnte auch der Umstand nichts ändern, dass noch während dieser Frist Kenntnis vom Schaden und vom Schädiger eingetreten ist. Damit werde entgegen der Auffassung des Klägers die Verjährungsfrist nicht verlängert. Die ordentliche Revision sei zulässig, da Rechtsprechung zur Frage der Kombinierbarkeit der langen und der kurzen Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 AHG ebenso fehle wie zur Frage der Beweislastverteilung bei einer kombinierten Fragestellung zur Wirksamkeit des Schadens und der Verjährung.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig, weil neue Fragen der Auslegung und Anwendung des § 6 Abs 1 AHG zu beantworten sind. Sie ist allerdings nicht berechtigt.

Im Vordergrund der Revisionsausführungen stehen die Fragen des Zeitpunkts des Eintritts des nunmehr geltend gemachten Schadens sowie des Verhältnisses der dreijährigen Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 Satz 1 AHG zur zehnjährigen nach Satz 2.

Der Revisionswerber vertritt den Rechtsstandpunkt, die zehnjährige (absolute) Verjährungsfrist habe im Hinblick auf den geltend gemachten Schaden erst zu jenem Zeitpunkt zu laufen begonnen, in dem die Beklagte als vermeintlich Heimfallsberechtigte das Nachlassvermögen an die gesetzlichen Erben herausgegeben hat. In diesem Zusammenhang gehen die Streitteile übereinstimmend davon aus, dass ab diesem Zeitpunkt erbrechtliche Ansprüche nur noch gegen die gesetzlichen Erben erhoben werden können. Ob dies auch dann der Fall ist, wenn das Nachlassvermögen nicht aufgrund einer erfolgreichen Erbschaftsklage, sondern aufgrund einer bloßen außergerichtlichen Aufforderung herausgegeben wird (vgl zu diesem Problem nur 1 Ob 630/94 = SZ 68/61 = RIS‑Justiz RS0041413), muss in diesem Verfahren nicht abschließend beantwortet werden. Hätte der Kläger seine Rechte gegenüber der Beklagten als vermeintlich Heimfallsberechtigter behalten, wäre die Herausgabe des Nachlassvermögens an die gesetzlichen Erben schadenersatzrechtlich und verjährungsrechtlich irrelevant, wäre doch dann durch die Herausgabe des Geldbetrags kein (zusätzlicher) Schaden entstanden. Damit könnte auch keine neue Verjährungsfrist in Lauf gesetzt werden. Im Ergebnis ändert sich aber an der eingetretenen Verjährung auch dann nichts, wenn man mit den Parteien die Auffassung vertritt, der Kläger habe sich nach der Herausgabe mit seinen erbrechtlichen Ansprüchen nur noch an die gesetzlichen Erben wenden können. Dies aus folgenden Überlegungen:

Nach § 6 Abs 1 Satz 2 AHG verjährt der Ersatzanspruch nach zehn Jahren „nach der Entstehung des Schadens“, wenn der Schaden dem Geschädigten nicht bekannt geworden ist. Maßgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist ist somit der Eintritt des (jeweiligen) Schadens, dessen Ersatz nun begehrt wird. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass ein Schaden dem Kläger dadurch entstanden ist, dass der Nachlass nicht ihm eingeantwortet, sondern für heimfällig erklärt und der Beklagten ausgefolgt wurde.

Der weiteren Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, an dem in seinem Vermögen eingetretenen Schaden habe sich durch die spätere Herausgabe an die gesetzlichen Erben nichts geändert, hält der Kläger vor allem entgegen, erst aufgrund der „Überweisung des Nachlasses“ an die gesetzlichen Erben sei dieser der Beklagten entzogen worden und sei der Kläger auf die Erbschaftsklage verwiesen. Vorher hätte sich der Kläger an einen solventen Schuldner halten können, wogegen Forderungen gegen die gesetzlichen Erben nicht einbringlich gemacht werden könnten. Es könne auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte im Falle einer vor Herausgabe des Nachlasses erfolgten Zahlungsaufforderung die Zahlung an den Kläger verweigert hätte.

In der Sache kommt der Revisionswerber damit auf seine schon bisher vertretene Rechtsansicht zurück, ein Schaden sei solange nicht eingetreten, als ihm eine Geldforderung in entsprechender Höhe gegen einen solventen und nicht zahlungsunwilligen Schuldner, nämlich die Beklagte als ursprüngliche Erwerberin des Nachlasses, zugestanden sei. Der Schaden sei erst mit dem Wegfall des bisherigen Schuldners „wirksam“ geworden.

Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass der Schaden grundsätzlich durch einen Vergleich der tatsächlichen Position des Geschädigten mit jener zu ermitteln ist, in der er sich bei rechtmäßigem Verhalten des schädigenden Rechtsträgers befände. Hätte das Verlassenschaftsgericht das zu seinen Gunsten verfasste Testament im Abhandlungsverfahren berücksichtigt, wäre der Nachlass dem Kläger eingeantwortet und wäre ihm die das Nachlassvermögen bildende Geldsumme in Höhe des Klagebetrags ausgefolgt worden. Der Schaden des Klägers besteht also in erster Linie darin, nicht in den Genuss der Nachlassaktiva gekommen zu sein, und nur mittelbar im weiteren Umstand, dass das Nachlassvermögen einem anderen zugekommen ist. An diesem Schaden hat sich durch die Herausgabe des Nachlassvermögens an die gesetzlichen Erben nichts geändert.

In der Judikatur wurde wiederholt ausgesprochen, der Schadensbegriff sei weit gefasst, sodass der unmittelbaren Verfügung über einen präsenten Geldbetrag eine gleich hohe Geldforderung nicht gleichgehalten werden könne, es sei denn, der Schuldner wäre bereit und im Stande, seine Verbindlichkeit unverzüglich abzutragen (RIS‑Justiz RS0022602 [T4, T6, T10]). Daraus will der Revisionswerber im Umkehrschluss ableiten, ihm sei vor der Herausgabe des Nachlassvermögens an die Erben kein Schaden entstanden, wäre die Beklagte als vermeintlich Heimfallsberechtigte doch im Stande und auch bereit gewesen, das Vermögen herauszugeben, solange es noch in ihrem Besitz war. Mag auch die angesprochene Leistungsbereitschaft entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durchaus bejaht werden können, so kann dem Revisionswerber doch nicht gefolgt werden, wenn er die Entstehung des Schadens unter Hinweis auf das gleichzeitige Entstehen einer liquiden Forderung gegen die (unberechtigte) Erbschaftsbesitzerin verneint.

Auch wenn man die zitierte Rechtsprechung dahin interpretieren kann, ein Schaden sei insoweit nicht anzunehmen, als an die Stelle eines Geldbetrags im Vermögen des Geschädigten eine gleich hohe, ohne weiteres einbringliche, Geldforderung tritt, muss doch angenommen werden, dass der Oberste Gerichtshof dabei an Konstellationen gedacht hat, in denen dem Geschädigten der Schaden und das Bestehen einer entsprechenden Geldforderung bekannt sind. Ist dem Geschädigten aber das Bestehen einer Forderung gar nicht bewusst, kann er diese zweifellos nicht einbringlich machen und ist daher in einer erheblich ungünstigeren Lage als er es wäre, wenn er den Geldbetrag in Händen hätte.

Gerade eine solche Konstellation liegt im vorliegenden Fall vor. Das rechtswidrige Verhalten des Verlassenschaftsgerichts, nämlich das Nichtbeachten des Testaments, hat nicht nur dazu geführt, dass die Nachlassaktiva dem Kläger nicht zugekommen sind, sondern zugleich auch dazu, dass er keine Kenntnis von der Möglichkeit erlangen konnte, die Herausgabe des Vermögens zu fordern. Damit erweist sich im Ergebnis die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts als richtig, dass der Nachteil des Klägers, die Substanz des Nachlassvermögens entbehren zu müssen, bereits zu jenem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem er bei rechtmäßigem Vorgehen in den Besitz der Nachlassaktiva gelangt wäre. An diesem Schaden hat sich durch die spätere Herausgabe des Vermögens an die gesetzlichen Erben nichts mehr geändert. Davon, dass der Schaden im Sinne des § 6 Abs 2 Satz 2 AHG erst mit der Herausgabe entstanden oder wirksam geworden wäre, kann nach Auffassung des erkennenden Senats keine Rede sein.

Das Berufungsgericht hat den Beginn der zehnjährigen Verjährungsfrist (spätestens) mit jenem Tag angenommen, an dem der Heimfälligkeitsbeschluss erlassen wurde; es könne davon ausgegangen werden, dass der Nachlass dem Kläger bei Vorliegen des Testaments spätestens zu diesem Zeitpunkt eingeantwortet worden wäre. Wenn der Revisionswerber dem entgegen hält, diese Annahme sei willkürlich und durch nichts zu belegen und ihn könne hiefür keine Beweislast treffen, übersieht er offenbar, dass für die Annahme des hypothetischen Geschehnisablaufes bei pflichtgemäßem Verhalten zu unterstellen ist, der betreffende Rechtsträger wäre insgesamt gesetzmäßig vorgegangen. Unter dieser Prämisse erscheint die Annahme des Berufungsgerichts in keiner Weise bedenklich, ist doch im Gegenteil anzunehmen, dass das Verlassenschaftsverfahren sogar schon früher zum Abschluss gekommen wäre, wenn das Testament von vornherein berücksichtigt worden wäre und dann insbesondere keine Notwendigkeit dafür bestanden hätte, nach entfernteren Verwandten als allfällige gesetzliche Erben zu suchen und vorher einen Verlassenschaftskurator einzusetzen (vgl §§ 128 ff AußStrG 1854 iVm § 205 AußStrG 2003). Der Revisionswerber zeigt auch keinen einzigen Umstand auf, der die Annahme rechtfertigen könnte, es wäre bei Berücksichtigung des Testaments zu einem noch späteren Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens, das mehr als dreieinhalb Jahre gedauert hat, gekommen.

Geht man nun in unbedenklicher Weise davon aus, dass der Kläger spätestens im Sommer 2001 in den Besitz des Nachlassvermögens gelangt wäre und sein Schaden durch das Unterbleiben dieser Maßnahme damit spätestens zu diesem Zeitpunkt eingetreten ist, endete die zehnjährige (absolute) Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 Satz 2 AHG im Sommer 2011. Sie war damit zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Amtshaftungsanspruchs durch ein am 2. 1. 2014 an die Finanzprokuratur gerichtetes Aufforderungsschreiben bereits abgelaufen.

Zu Unrecht vertritt der Revisionswerber schließlich die Rechtsauffassung, die absolute Zehnjahresfrist könnte sich ‑ um maximal drei Jahre ‑ verlängern, wenn dem Geschädigten vor Ablauf der Frist Schaden (und Schädiger) bekannt werden; dann beginne die dreijährige Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 Satz 1 AHG, die unabhängig vom zwischenzeitigen Ablaufen der zehnjährigen Frist zur Rechtsverfolgung in Anspruch genommen werden könne. Er beruft sich dafür auf eine ‑ nicht näher begründete ‑ Literaturstimme (Ziehensack, AHG § 6 Rz 25), nach der die zehnjährige Absolutfrist nur dann zum Tragen komme, wenn zuvor die dreijährige Relativfrist bereits abgelaufen ist.

Dazu hat schon das Berufungsgericht richtig ausgeführt, ungeachtet des Wortlauts des § 6 Abs 1 AHG könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er einem Geschädigten, dem der Schaden nicht bekannt geworden ist, nur eine zehnjährige Verjährungsfrist zugestehen wolle, hingegen jenem Geschädigten, dem der Schaden innerhalb dieser Frist bekannt wird, ab Schadenskenntnis eine weitere Frist von drei Jahren gewähre. Dem vermag der Revisionswerber inhaltlich nichts Überzeugendes entgegenzusetzen. Er bedenkt insbesondere auch nicht, dass lange absolute Verjährungsfristen in erster Linie das Interesse des (möglichen) Schuldners im Auge haben, nach einer bestimmten Zeitspanne ab dem die Verjährungsfrist auslösenden Ereignis ‑ hier dem Schadenseintritt ‑ mit keinen durchsetzbaren Verbindlich-keiten mehr rechnen zu müssen (idS im Übrigen auch Ziehensack, aaO Rz 24). Erlaubt es der Gesetzgeber dem Belangten nun, nach Ablauf der zehnjährigen Frist dem Anspruchssteller die Einrede der Verjährung entgegen halten zu können, wäre nicht verständlich, warum seine Rechtsposition dadurch verschlechtert werden könnte, dass der Berechtigte noch während der offenen Frist Kenntnis von seiner Berechtigung erlangt. Es besteht auch nicht der geringste Grund, einen solchen Gläubiger gegenüber jenem zu privilegieren, der bis zum Fristablauf keine Kenntnis von seinem Anspruch erlangt und sich daher mit der Verjährung abfinden muss. Wurde also dem Geschädigten der Schadenseintritt bekannt, muss er dennoch innerhalb der zehnjährigen Verjährungsfrist einen verjährungs-unterbrechenden oder ‑hemmenden Rechtsverfolgungsschritt (§ 1497 ABGB, § 6 Abs 1 letzter Satz AHG) setzen, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern (in diesem Sinn auch Mader in Schwimann, ABGB3 VII § 6 AHG Rz 3 und 7; Vrba/Zechner, AHG 210; 1 Ob 7/76 = RIS‑Justiz RS0050392). Zutreffend weist Sutter (Die Verjährung von Staats‑, Amts- und Organhaftungsansprüchen, in Holoubeck/Lang, Organhaftung und Staatshaftung in Steuersachen [2002] 313 f) darauf hin, dass schon Klang (in Klang² VI 638) zum Verhältnis der langen (objektiven) und kurzen (subjektiven) Frist des § 1489 ABGB die Auffassung vertreten hat, dass mit Ablauf der langen Frist der späteste Zeitpunkt für die Geltendmachung des Anspruchs verstrichen sei. Dies gelte auch für die beiden Fristen des § 6 AHG, sodass dem Geschädigten etwa bei Erkennen des Schadens neun Jahre nach dessen Eintritt nur mehr ein Jahr zu Geltendmachung offen stehe (Sutter aaO 313). Generell kann daher gesagt werden, dass Verjährung stets eintritt, wenn nur eine der beiden Fristen abgelaufen ist, was für die kurze Frist im Übrigen nicht zweifelhaft war. Weiters wurde etwa zu 1 Ob 151/98g ausdrücklich ausgesprochen, dass die zehnjährige Frist unabhängig von der Kenntnis abläuft, weshalb es nicht darauf ankommt, wann der Rechtsfreund der Geschädigten Kenntnis von angeblichen Verfahrensverstößen erlangt hat (ähnlich 1 Ob 38/10k = RIS‑Justiz RS0034502 [T2] zur langen Frist des § 1489 ABGB).

Daraus folgt:

Erlangt der Geschädigte vor Ablauf der objektiven zehnjährigen Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 AHG Kenntnis vom Schaden, hat er seinen Anspruch bei sonstiger Verjährung dennoch innerhalb dieser Frist geltend zu machen, sofern die dreijährige (subjektive) Frist nicht noch früher abläuft und die Verjährung herbeiführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte