OGH 4Ob54/15t

OGH4Ob54/15t16.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Alfred Feitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AB, Zweigniederlassung Österreich in Liquidation, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert 32.000 EUR) und Zahlung (Stufenklage), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2014, GZ 2 R 108/13m‑49, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 22. März 2013, GZ 30 Cg 25/10v‑45, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Das mit Beschluss vom 21. 10. 2014, 4 Ob 92/14d, unterbrochene Rekursverfahren wird infolge Fortsetzungsantrags der klagenden Partei fortgesetzt.

II. Der Rekurs wird zurückgewiesen.

III. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.819,08 EUR (darin enthalten 303,18 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Verwertungsgesellschaft nahm die beklagte Vertreiberin von Musik-Handys mittels Stufenklage auf Rechnungslegung und Zahlung in Anspruch. Der Urheber habe gemäß § 42b Abs 1 und Abs 3 UrhG Anspruch auf eine angemessene Vergütung („Leerkassettenvergütung“) gegen denjenigen, der ‑ wie die Beklagte ‑ als erster gewerbsmäßig entgeltlich Bild‑ oder Schallträger (Trägermaterial) in Verkehr bringe, die der Vervielfältigung von veröffentlichten Werken zum eigenen oder privaten Gebrauch dienten.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die Vergütungspflicht erstrecke sich nicht auf multifunktionale Musik-Handys.

Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Rechnungslegungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht hob das Teilurteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Aus den vom Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 142/13f genannten Gründen könne auch im gegenständlichen Verfahren noch nicht abschließend beurteilt werden, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bestehe. Es bedürfe einer Erörterung und Prüfung der vom Europäischen Gerichtshof in seiner Vorabentscheidung zu C‑521/11, Amazon genannten Voraussetzungen der Unionsrechtskonformität des Vergütungssystems nach § 42b UrhG.

Die Beklagte beantragt in ihrem Rekurs, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Klage abzuweisen, in eventu den Beschluss zu bestätigen und dem Erstgericht aufzutragen, auch Feststellungen zu treffen, die eine Beurteilung erlauben, inwiefern mit der Nutzung des streitgegenständlichen Trägermaterials ein nicht bloß geringfügiger Nachteil/Schaden für die Rechteinhaber verbunden sei.

Mit Beschluss vom 21. 10. 2014 zu 4 Ob 92/14d hat der Senat das Verfahren über den Rekurs der Beklagten bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Østre Landsret (Dänemark), Rechtssache C‑463/12, unterbrochen.

Aufgrund des ‑ nach Erlass des Urteils des EuGH vom 5. 3. 2015 zu C‑463/12 gestellten ‑ Fortsetzungsantrags der Klägerin ist das Verfahren fortzusetzen.

Der Rekurs ist nicht zulässig.

In einem Parallelverfahren, in welchem die Klägerin ein anderes Unternehmen, das gewerbsmäßig Mobiltelefone in Verkehr bringt, ebenfalls auf Rechnungslegung und Zahlung in Anspruch nahm, hat der Senat mittlerweile am 22. 4. 2015 zu 4 Ob 226/14k über den Rekurs der dort Beklagten ‑ der im Übrigen nahezu wortgleich mit jenem dieses Verfahrens ist ‑ entschieden, dass es beim dort angefochtenen Aufhebungsbeschluss zu bleiben hat. Die Entscheidung setzte sich auch mit den Vorabentscheidungen des EuGH vom 10. 4. 2014, C‑435/12, ACI Adam, und vom 5. 3. 2015, C‑463/12, Copydan/Nokia, auseinander.

Soweit sich die Beklagte (in Punkt 3.1.6 ihres Rechtsmittels) nunmehr erstmals auf die Erschöpfung des „Verbreitungsrechts des Urheberrechtsinhabers“ stützt, verstößt sie damit gegen das auch im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot (vgl E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 526 Rz 3 mwN).

Abgesehen davon zeigt das gegenständliche Rechtsmittel keine neuen Aspekte auf, die nicht schon in der Entscheidung 4 Ob 226/14k behandelt wurden.

Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS‑Justiz RS0112921 [T5]).

Der Rekurs der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Dass die Klägerin in der Rekursbeantwortung nicht auf die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung hingewiesen hat, schadet ihr nicht, weil die Entscheidung 4 Ob 226/14k erst nach Erstattung der Rekursbeantwortung ergangen ist (vgl 2 Ob 77/13g).

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