OGH 7Ob95/15v

OGH7Ob95/15v10.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei S***** A*****, vertreten durch Mag. Andrea Posch, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Gegner der gefährdeten Partei S***** A*****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiliger Verfügung gemäß § 382e EO, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. März 2015, GZ 45 R 132/15t‑24, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. Jänner 2015, GZ 2 C 8/14s‑19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00095.15V.0610.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 225,07 EUR (darin enthalten 37,51 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde zu der Frage zugelassen, ob bei einem Wechsel des Wohnorts während aufrechter einstweiliger Verfügung gemäß § 382e EO die Erlassung eines weiteren Aufenthaltsverbots an der neuen Adresse einer neuerlichen Gefahrenbescheinigung bedarf.

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an den Ausspruch des Rekursgerichts nicht gebunden. Der Revisionsrekurs ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die im Revisionsrekursverfahren strittige Frage kann auf Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst werden. Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 528 Abs 1 ZPO kann sich auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO).

1. Mit einstweiliger Verfügung vom 26. 8. 2014 wurde dem Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge Antragsgegner) der Aufenthalt in der Wohnung der Schwester der gefährdeten Partei (in der Folge Antragstellerin), dem dazugehörigen Stiegenhaus und der näher bezeichneten unmittelbaren Umgebung, am Arbeitsplatz der Antragstellerin sowie die Kontaktaufnahme und das Zusammentreffen mit ihr für ein Jahr verboten. Am 23. 12. 2014 beantragte die Antragstellerin auf Grund eines von ihr behaupteten Vorfalls am 13. 12. 2014, dem Antragsgegner gemäß § 382e Abs 1 Z 1 EO den Aufenthalt auch an ihrem nunmehrigen Wohnort samt unmittelbarer Umgebung für ein Jahr zu verbieten.

2. Die behauptete Verletzung der Manuduktionspflicht durch das Erstgericht wurde beim Rekursgericht gerügt, das deren Vorliegen verneinte. Bereits vom Gericht zweiter Instanz verneinte Verfahrensmängel können im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T49]).

3. Die Antragstellerin argumentiert, sie habe ‑ bei gleichbleibendem Begehren und rechtserzeugendem Sachverhalt ‑ lediglich eine Adressenänderung auf Grund eines Wohnungswechsels beantragt, weshalb das Aufenthaltsverbot bloß auf die neue Adresse zu „berichtigen“ gewesen wäre. Hingegen habe sie weder einen auf Ausdehnung oder Abänderung der aufrechten einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag gestellt noch einen solchen auf Erlassung einer weiteren einstweiligen Verfügung.

4. Eine „bloße“ Berichtigung des Aufenthaltsverbots auf den erst nach Erlassung der einstweiligen Verfügung geänderten Wohnort ist schon deshalb nicht möglich, weil eine Berichtigung einen mangelhaften Willensausdruck des Gerichts voraussetzt, wenn also die vorliegende Willenserklärung offensichtlich nicht dem wahren Willen des Gerichts entspricht, wovon hier aber keine Rede sein kann.

5. Der gleiche Streitgegenstand liegt vor, wenn der in der neuen Klage bzw im neuen Antrag geltend gemachte prozessuale Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts ident mit jenem des Vorprozesses ist (RIS‑Justiz RS0039347).

Im vorliegenden Fall beziehen sich das erlassene Aufenthaltsverbot und jenes das mit Antrag vom 23. 12. 2014 erwirkt werden sollte auf unterschiedliche Orte, sodass sich bereits die Begehren unterscheiden.

Die Beurteilung des Rekursgerichts, der Antrag vom 23. 12. 2014, dem Antragsgegner auch an der neuen Wohnadresse der Antragstellerin den Aufenthalt zu verbieten, ziele schon mangels identer Begehren auf die Erweiterung der aufrechten einstweiligen Verfügung ab, erweist sich daher als nicht korrekturbedürftig.

6. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausdehnung einer rechtskräftigen einstweiligen Verfügung der Exekutionsordnung aber fremd (RIS‑Justiz RS0110375).

Vor dem Hintergrund des fehlenden gleichen Streitgegenstands ist die Beurteilung, der Antrag vom 23. 12. 2014 müsste in einen Antrag auf Erlassung einer weiteren einstweiligen Verfügung umgedeutet werden, grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin erklärt aber ausdrücklich und wiederholt, einen Antrag auf Erlassung einer weiteren einstweiligen Verfügung nicht gestellt zu haben. Davon ist nun auszugehen. Die Frage, ob man sich in einem (nichtbeantragten) zweiten Provisorialverfahren zur Bescheinigung der Gefährdung auf Vorfälle stützen darf, die bereits im ersten Provisorialverfahren bescheinigt wurden, ist hier damit nicht zu klären.

7. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 528 Abs 1 ZPO war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 393 Abs 2 EO, §§ 50, 41 ZPO. Der Antragsgegner hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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