OGH 6Ob81/15b

OGH6Ob81/15b27.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen K***** S*****, zuletzt wohnhaft *****, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in Horn, gegen die beklagte Partei J*****GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Anzböck & Brait, Rechtsanwälte GmbH in Tulln, wegen Verbesserung (Streitwert 7.564 EUR sA) und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR sA), Streitwert des Revisionsverfahrens 5.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2015, GZ 21 R 386/14h‑70, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 30. September 2014, GZ 2 C 438/13m‑64, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00081.15B.0527.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden, soweit diese Punkt 2 des Klagebegehrens (Feststellungsbegehren) abweisen, aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Berufungs‑ und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die klagende Partei begehrt die Verbesserung einer von der beklagten Partei errichteten Solar‑ und Windradanlage, in eventu 7.564 EUR sA. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden sowie für sämtliche derzeit noch nicht konkretisierbaren Mängel aus der Lieferung des Solar‑ und Windradsets.

Zwischen den Streitteilen sei vereinbart worden, dass die bestellte Solar‑ und Windradanlage ausreichend viel Strom erzeuge, um an Ort und Stelle mit der im Brunnen eingebauten Wasserpumpe eine Begießung der Liegenschaft sowie die Beleuchtung und den Betrieb eines Kühlschranks zu ermöglichen. Die Anlage sei nicht vertragskonform errichtet worden.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren. Das Werk der Beklagten sei mängelfrei. Zudem sei das Klagsvorbringen unschlüssig. Das Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt.

Das Erstgericht wies das Verbesserungs‑ sowie das Feststellungsbegehren ab. Über das eventualiter gestellte Zahlungsbegehren erkannte es nicht ausdrücklich.

Die Anlage sei für den Betrieb der Pumpe, eines Kühlschranks und einer Beleuchtung geeignet und damit vertragskonform errichtet worden. Weil im Leistungsbegehren bereits die Beschaffenheit der Mängel präzisiert worden sei, bestehe kein rechtliches Interesse an der Feststellung des konkreten Gewährleistungsanspruchs.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung über den Verbesserungsanspruch auf. Anhand der Feststellungen des Erstgerichts lasse sich nicht mit Sicherheit beurteilen, ob die Anlage tatsächlich vertragskonform errichtet worden sei. Genauere Aussagen seien nach dem Sachverständigen nur möglich, wenn Langzeitmessungen über mindestens sechs Monate durchgeführt würden. Die Klägerin habe einen dahingehenden Antrag gestellt. Erst nach dieser Verfahrensergänzung werde verlässlich beurteilbar sein, ob die Anlage vertragskonform errichtet wurde.

Hingegen sei die Abweisung des Feststellungsbegehrens zutreffend. Die Klägerin habe, wie sich aus ihrem eventualiter gestellten Zahlungsbegehren in Höhe von 7.564 EUR ergebe, bereits angeben können, welche Verbesserungsarbeiten notwendig seien und welche Kosten dafür aufzuwenden seien. Wenn aber eine Leistungsklage eingebracht werden könne, sei die Feststellungsklage grundsätzlich nicht zuzulassen.

Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision zu. Die Klägerin habe bereits in der Klage vorgebracht, dass aus derzeitiger Sicht noch nicht abschließend beurteilt werden könne, welche weiteren derzeit noch nicht bekannten Mängel auftreten würden bzw ob aufgrund der schuldhaft nicht fachgerechten Errichtung der Anlage weitere, derzeit nicht bekannte Schäden resultierten. Damit liege eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vor, sodass zur Wahrung der Rechtseinheit der Zulässigkeitsausspruch abzuändern sei. Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung sind Feststellungsklagen nicht nur zur Wahrung von Schadenersatzansprüchen, sondern auch von Gewährleistungsansprüchen nach § 933 ABGB zulässig (8 Ob 66/13h mwN). Voraussetzung dafür ist, dass die klagende Partei mangels Kenntnis der Ursachen des Mangels bzw der Möglichkeit der Mängelbehebung noch nicht in der Lage ist, ihre daraus abzuleitenden Ansprüche mit Leistungsklage geltend zu machen (8 Ob 66/13h mwN).

1.2. Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch auf Fälle, in denen ein Mangel vorliegt, hinsichtlich dessen Ursachen bzw dessen Behebungsmöglichkeiten jedoch noch Unklarheit besteht (8 Ob 66/13h mwN). Hingegen ist es nicht Aufgabe des Feststellungsbegehrens, ohne jede Konkretisierung des Mangels eine massive Ausdehnung der Gewährleistungsfrist herbeizuführen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ nicht einmal Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass zusätzlich von den von der Klägerin behaupteten Mängeln noch weitere Mängel vorliegen.

2. Soweit der Klägerin daher bereits bekannt ist, welche Mängel vorliegen, worin deren Ursache liegt und auf welche Weise diese behoben werden können, steht ihr ‑ wie die Vorinstanzen insoweit zutreffend erkannten ‑ die Leistungsklage offen. Insoweit fehlt es daher am Feststellungsinteresse, weil die Leistungsklage alles bietet, was mit der Feststellungsklage angestrebt wird (vgl Fasching in Fasching/Konecny 2 § 228 ZPO Rz 108 mwN).

3.1. Anderes gilt jedoch für die gleichfalls von der Klägerin begehrte Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Insoweit geht das Rechtsschutzziel des Feststellungsbegehrens über das mit der Leistungsklage verfolgte Ziel hinaus.

3.2. Insoweit kann die Klägerin daher nicht auf das gestellte Leistungsbegehren verwiesen werden. Damit erweist sich aber das Verfahren als ergänzungsbedürftig, kann doch anhand der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht beurteilt werden, ob die bestellte Anlage ordnungsgemäß errichtet wurde. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der Klägerin ein Feststellungsinteresse auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden aus der mangelhaften Errichtung der Anlage zuzubilligen, sofern weitere Schäden nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können (RIS‑Justiz RS0038976 [T27, T33]). Ob diese Voraussetzungen zutreffen, lässt sich anhand der bisher getroffenen Feststellungen nicht ausreichend beurteilen.

4.1. Der Deutlichkeit halber ist dabei darauf zu verweisen, dass der Klägerin jedoch keinesfalls ‑ wie nach der derzeitigen Fassung des Feststellungsbegehrens verlangt ‑ ein Interesse an der Feststellung der Haftung „für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden“ sowie „für sämtliche derzeit noch nicht konkretisierbare Mängel“ zusteht, sondern nur für zukünftige Schäden aus entsprechend konkretisierten Mängeln aus Schadenersatz nach § 933a ABGB, wobei das dafür erforderliche Verschulden gemäß § 1298 ABGB vermutet wird (RIS‑Justiz RS0122652). Daneben stünde der Klägerin aus dem Titel des Gewährleistungsrechts ein Feststellungsinteresse dann zu, wenn zwar bereits ein Mangel konkretisiert werden könnte, aber nicht bekannt ist, auf welche Ursache dieser zurückzuführen ist oder auf welche Weise er behoben werden kann (s oben).

4.2. Im fortgesetzten Verfahren wird die Klägerin gemäß § 182 ZPO auch zu einer Präzisierung ihres Feststellungsbegehrens anzuhalten sein.

5. Damit waren aber die Entscheidungen der Vorinstanzen spruchgemäß aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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