OGH 7Ob87/15t

OGH7Ob87/15t20.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen I***** E*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Sachwalters Dr. B***** B*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 20. März 2015, GZ 53 R 8/15p‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00087.15T.0520.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Revisionsrekurs des Sachwalters wendet sich ausschließlich gegen die Bestellung seiner Person. Nach Erhebung der Eignung wäre eines der Kinder der Betroffenen zum Sachwalter zu bestellen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Gesetzesmaterialien verfolgt § 279 ABGB unter anderem das Ziel, jene Personenkreise abschließend zu regeln, die für die Bestellung als Sachwalter potentiell in Frage kommen. Dabei ist ein Stufenbau vorgesehen. Primär ist als Sachwalter eine von der betroffenen Person selbst gewählte oder von einer nahe stehenden Person empfohlene Person (§ 279 Abs 1 Satz 2 ABGB) heranzuziehen. Sekundär (mangels Wahl beziehungsweise Anregung oder bei fehlender Eignung der vorgeschlagenen Person) ist ein der betroffenen Person nahe stehender Mensch zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 2 ABGB). Ist eine solche geeignete Person nicht verfügbar, ist (mit dessen Zustimmung) der örtlich zuständige Sachwalterverein nach § 1 VSPAG zu bestellen (§ 279 Abs 3 Satz 1 ABGB). Ist ein Vereinssachwalter nicht verfügbar (etwa mangels freier Kapazitäten), so ist ein Rechtsanwalt oder Notar (Berufsanwärter) oder ‑ mit ihrer Zustimmung ‑ eine andere geeignete Person zu bestellen (§ 279 Abs 3 Satz 2 ABGB). Rechtsanwälte und Notare (nicht aber Berufskandidaten) trifft nach Maßgabe des § 274 Abs 2 ABGB die Verpflichtung, Sachwalterschaften zu übernehmen. Nur wenn die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person besondere Fachkenntnisse erfordert, ist von vornherein ‑ je nach der notwendigen Expertise ‑ ein Rechtsanwalt oder Notar beziehungsweise der Sachwalterverein zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 4 ABGB). Unter Berücksichtigung dieser Prioritätenreihung muss aber im Mittelpunkt der Entscheidung über die Auswahl eines Sachwalters immer das Wohl der betroffenen Person stehen (RIS‑Justiz RS0123297).

Die Frage, ob anstelle des zum Sachwalter bestellten Rechtsanwalts, eine der Betroffenen nahe stehenden Person ‑ hier eines der Kinder ‑ zu bestellen gewesen wäre, ist regelmäßig von den besonderen Umständen des Einzelfalls, insbesondere den Bedürfnissen der Betroffenen sowie der Art der zu erledigenden Angelegenheiten abhängig. Bei der Beurteilung, ob Angelegenheiten zu besorgen sind, für die vorwiegend Rechtskenntnisse erforderlich sind, kommt dem Gericht ein Ermessensspielraum zu (RIS‑Justiz RS0117452, RS0106166 [T3]). Einzelfallbezogene Fragen sind nur dann einem Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zugänglich, wenn die Vorinstanzen bei ihrer Beantwortung einer groben Fehlbeurteilung erlegen sind.

Die nach den oben dargelegten Grundsätzen für die Auswahl des Sachwalters im Vornherein erfolgte Bestellung eines Rechtsanwalts ist im Hinblick auf das bereits anhängige Scheidungsverfahren mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten (Schuldfähigkeit der Betroffenen zu Eheverfehlungen, Voraussetzungen des § 51 EheG) und der mit diesem Verfahren zwangsläufig verbundenen innerfamiliären Spannungen und Interessenskonflikte (mögliche Zeugenstellung der Kinder zu Eheverfehlungen der Betroffenen im Scheidungsverfahren der Eltern) vertretbar.

Einer weiterer Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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