OGH 10Ob31/15d

OGH10Ob31/15d19.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** AG, *****, vertreten durch Dr. Pötzl Rechtsanwalts GmbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. R*****, 2. K*****, beide vertreten durch Dr. Karl Heinz Plankel ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 130.246,73 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2015, GZ 2 R 3/15x‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00031.15D.0519.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Am 12. 11. 2010 eröffneten die beiden Beklagten als Kontoinhaber bei dem nunmehr klagenden Bankunternehmen das Girokonto Nr *****, auf welchem eine Überziehungsmöglichkeit eingeräumt war. Dieses Girokonto sollte zur Zwischenfinanzierung von Aufwendungen für den von den Beklagten geplanten Ankauf der Liegenschaft EZ ***** GB ***** O***** mit dem Haus R***** 63 (im Folgenden nur mehr: „Liegenschaft“) dienen. Dieses Girokonto sollte mit dem Landesdarlehen des Landes Oberösterreich sowie mit unregelmäßigen Ratenzahlungen der beiden Beklagten abgedeckt werden.

Am 25. 11. 2010 schlossen die Beklagten als Kreditnehmer mit der Klägerin als Kreditgeberin zum Zweck des Ankaufs der Liegenschaft einen Abstattungskreditvertrag zu Konto Nr ***** über einen einmal ausnutzbaren Kreditbetrag von 130.000 EUR. Vereinbart waren Soll‑Zinsen von 2,625 % p.a., Verzugszinsen von 5 % pa sowie die Rückzahlung in 300 monatlichen Pauschalraten á 598 EUR vom 31. 12. 2010 bis 30. 11. 2035. Der zu zahlende Gesamtbetrag bei einem effektiven Jahreszins von 3,1 % beträgt 183.987,68 EUR.

Zur Sicherstellung aller Forderungen an Haupt- und Nebenverbindlichkeiten aus dem Abstattungskreditvertrag und dem Girokonto verpfändeten die Beklagten mit Pfandurkunde vom 25. 11. 2010/13. 12. 2010 die je zur Hälfte in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft bis zum Höchstbetrag von 159.000 EUR.

Unstrittig ist, dass die Beklagten die ihnen zur Verfügung gestellten 130.000 EUR zum Ankauf der Liegenschaft verwendet haben. Aufgrund finanzieller Probleme konnten sie ab Mitte 2013 die monatlichen Raten nicht mehr leisten. Per 31. 12. 2013 wies das Girokonto nach Mahnung und Fälligstellung einen Sollstand von 9.851,92 EUR auf; der Kredit haftete mit einem Betrag von 120.394,81 EUR unberichtigt aus. Eine Zusage durch einen Mitarbeiter der Klägerin dahingehend, dass die Beklagten bis September 2014 keine Raten mehr zahlen müssten, wurde nicht erteilt.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung von insgesamt 130.246,73 EUR sA sowie die Anmerkung der Klage gemäß § 60 GBG ob der je im Hälfteeigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft.

Die Beklagten wendeten ‑ soweit für das Revisionsverfahren wesentlich ‑ zusammengefasst ein, es seien ihnen keine als gesetzliche Zahlungsmittel zugelassenen Geldmittel zugezählt worden. Der ihnen gewährte Abstattungskredit sei ein Buchgeldkredit, bei dem die Klägerin dem Konto nur „von ihr selbst geschöpftes Buchgeld“ gutgeschrieben habe. Bilanzrechtlich gesehen handle es sich dabei um einen reinen Buchungsvorgang. Die „Kreditgewährung“ sei somit nur durch einen internen Buchungsvorgang ermöglicht worden, eine Finanzierung aus Eigenmitteln sei nicht erfolgt. Da ein Kredit aber die zeitweise Überlassung von eigenen Mitteln an einen anderen voraussetze und gesetzliche Zahlungsmittel nicht zum Einsatz gelangt seien, liege „rechtlich gesehen“ keine Kreditgewährung vor. Die Klägerin sei daher nicht berechtigt, Zinsen zu lukrieren; mangels Vorliegens eines Kredits bestehe auch keine Rückzahlungsverpflichtung. Da die Klägerin aufgrund der vereinbarten Zinsen einen Gewinn von 53.987,68 EUR erziele (das entspreche 41,52 % der ursprünglichen Kreditsumme), liege zudem ein auffallendes Missverhältnis zum Wert der von ihr erbrachten Leistungen vor, bestünde diese Leistung doch lediglich in der Durchführung einiger Buchungen. Die Zinsenvereinbarung sei aus diesem Grund sittenwidrig.

Das Erstgericht bewilligte die Anmerkung der Klage und gab dem Leistungsbegehren statt. Rechtlich ging es davon aus, die Beklagten hätten mit den ihnen zugekommenen 130.000 EUR eine Liegenschaft angekauft. Sie seien zur Rückzahlung unabhängig davon verpflichtet, ob diese Mittel von der Klägerin bar (in Banknoten) oder mittels eines bloßen Buchungsvorgangs zur Verfügung gestellt worden seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Die Beklagten hätten von der Klägerin mittels Kreditverträgen Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt erhalten, mit denen sie einen Liegenschaftsankauf finanziert haben. Die vereinbarten Sollzinsen lägen unter den gesetzlichen Zinsen (§ 1000 ABGB) und die Verzugszinsen nur geringfügig darüber, weshalb von wucherischen Zinsen keine Rede sein könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Da der Abstattungskreditvertrag nach dem 10. 6. 2010 abgeschlossen wurde, ist die Rechtslage nach dem DaKRÄG BGBl I 2010/28 anzuwenden (Art 11 DaKRÄG).

2.1 Nach § 983 ABGB idF BGBl I 2010/28 ist ein Darlehensvertrag ein Vertrag, in dem sich der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer vertretbare Sachen mit der Bestimmung zu übergeben, dass der Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann.

2.2 Der entgeltliche Darlehensvertrag über Geld heißt Kreditvertrag. Dazu zählt auch ein Vertrag, mit dem ein Geldbetrag zum Abruf zur Verfügung gestellt wird (§ 988 ABGB). Es handelt sich um einen Konsensualkontrakt. Die Übergabe der Kreditvaluta ist somit nicht konstitutives Merkmal des Vertragsabschlusses, sondern lediglich die Hauptleistungspflicht des Kreditgebers. Es reicht auch aus, dass dem Kreditnehmer eine Gestaltungsmöglichkeit dahin eingeräumt wird, einen Geldbetrag (bis zu einer bestimmten Höhe) zeitlich nach seinem Belieben etwa auf einem Kreditkonto abzurufen (ErlRV 650 BlgNR 24. GP  11). Nach Ende des Kreditvertrags hat der Kreditnehmer den Kreditbetrag samt den noch zu leistenden Zinsen zurückzuzahlen (§ 989 Abs 2 ABGB).

3.1 Buchgeld, worunter Konten bei Kreditunternehmungen zu verstehen sind, ist Geld im weiteren Sinn, während Geld im engeren Sinn (Bargeld) nur das vom Staat anerkannte Zahlungsmittel ist, für das Annahmezwang besteht. Trotz seiner gleichartigen wirtschaftlichen Funktion stellt Buchgeld nicht Bargeld dar, sondern lediglich eine Forderung gegen das Bankunternehmen (RIS‑Justiz RS0038664; RS0017583).

3.2 Eine Kreditsumme muss nicht bar ausgezahlt werden. Der Kreditgeber kann seine Pflicht aus dem Kreditvertrag statt durch Barzahlung auch durch Verschaffung von Buchgeld erfüllen, wenn der Gläubiger damit einverstanden ist (§ 1414 ABGB; RIS‑Justiz RS0038664; Koziol in KBB4 § 1414 Rz 1).

3.3 Hat der Kreditgeber die Kreditsumme an den Kreditnehmer oder vereinbarungsgemäß an einen Dritten übergeben, hat der Kreditgeber den Kreditvertrag erfüllt (RIS‑Justiz RS0019277). Nach Ende des Kreditvertrags (zB nach Kündigung und Fälligstellung) steht ihm ein Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Kreditnehmer zu (§ 989 Abs 2 ABGB).

3.4 Der Darlehensvertrag bildet einen Titel zum Eigentumserwerb an den Darlehensvaluta (§ 1461 ABGB). Die allgemeinen Voraussetzungen für den Eigentumserwerb (insbesondere Eigentum des Darlehensgebers oder Verfügungsbefugnis) müssen aber auch beim Darlehen erfüllt sein (6 Ob 610/92; Perner in Schwimann/Kodek, ABGB4 IV § 983 Rz 10).

4.1 Mit dieser Rechtslage steht die Entscheidung des Berufungsgerichts im Einklang.

Ein Vorbringen, dass zwischen den nunmehrigen Streitteilen über die Verschaffung von Buchgeld kein Einverständnis bestanden hätte, wurde nicht erstattet. Dafür bestehen auch aufgrund der Aktenlage ‑ insbesondere im Hinblick auf die Eröffnung eines Kreditkontos ‑ keine Anhaltspunkte.

Unstrittig ist, dass die Beklagten über die 130.000 EUR verfügt und diesen Betrag zum Ankauf einer Liegenschaft verwendet haben (siehe auch Pkt A des Abstattungskreditvertrags „Kreditgegenstand und Konditionen“, nach dem die Inanspruchnahme durch Überweisung auf das Treuhandkonto eines dem Kreditgeber genehmen, für die Eintragung des Pfandrechts haftenden Notars/Rechtsanwalts erfolgt). Demnach stellt die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Kreditvertrag sei wirksam zustande gekommen und von der Klägerin erfüllt worden, sodass ihr nach Vertragsende ein Rückzahlungsanspruch gegenüber den Beklagten zustehe, keine Fehlbeurteilung dar.

4.2 Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigen die Revisionswerber auch mit ihren weiteren Ausführungen nicht auf:

4.2.1 Den angeblichen erstinstanzlichen Verfahrensmangel, der in der Nichtbeiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich des Wirtschafts- und Bankwesens liegen soll, hat bereits das Berufungsgericht verneint (RIS‑Justiz RS0042963).

4.2.2 Da die Klage nicht auf die Anspruchsgrundlage des Schadenersatzes gestützt ist, sondern auf Vertrag, erübrigt sich die von den Revisionswerbern gewünschte Prüfung, ob und allenfalls in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist.

4.2.3 Mit ihrem Vorbringen, der Kreditvertrag sei im Hinblick darauf sittenwidrig, dass sich die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für einen Buchgeldkredit im bloßen Erstellen und Ausdrucken eines Kreditvertrags, der Buchung der Kreditsumme und der Hinterlegung von 1 % der Kreditsumme in Zentralbankreserven erschöpfen, setzen sich die Revisionswerber darüber hinweg, dass ihnen die Klägerin in Erfüllung des Kreditvertrags Eigentum an der Kreditsumme verschafft hat und sie diese zum Ankauf einer Liegenschaft verwenden konnten.

4.2.4 Die im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebrachte Behauptung bzw Vermutung, die Klägerin habe die Forderung aus dem Abstattungskreditvertrag verbrieft (sie in einen Deckungsstock für Pfandbriefe aufgenommen) und sie anschließend veräußert, um unter Umgehung des Mindesteigenmittelerfordernisses des § 22 BWG ohne Wissen und Zustimmung der Beklagten weitere Vorteile zu lukrieren, stellt eine unzulässige Neuerung dar (§ 482 Abs 2 ZPO).

Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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