European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00037.15M.0519.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, kann nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Eine auf die behauptete Kenntnis neuer Beweismittel gestützte Wiederaufnahmsklage ist nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, die neuen Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen (§ 530 Abs 2 ZPO). Den Wiederaufnahmskläger trifft bei diesem Wiederaufnahmsgrund die Behauptungs‑ und Beweislast für sein mangelndes Verschulden. Nicht ausreichende Behauptungen machen die Wiederaufnahmsklage unschlüssig und führen schon im Vorverfahren zur Zurückweisung der Klage (6 Ob 84/09k mwN). Ein Verschulden liegt vor, wenn die Partei bereitstehende Beweismittel nicht anbietet, obwohl die Bedeutung der Beweismittel ohne weiteres erkennbar war. Schon benützbare Beweismittel dürfen daher nicht einem Wiederaufnahmsverfahren vorbehalten werden (6 Ob 84/09k mwN).
Ob im Einzelfall ein Vorbringen zur Darstellung eines Wiederaufnahmsgrundes ausreicht oder nicht, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0044411 [T19]). Dasselbe gilt für die Beurteilung, ob die Klagsangaben geeignet sind, ein mangelndes Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO darzulegen, ist sie doch von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS‑Justiz RS0111578 [T1]).
Ein Verschulden liegt vor, wenn die Partei im Hauptprozess Zeugen zu führen unterlässt, von denen sie voraussetzen musste, dass ihnen die zu erweisenden Tatsachen bekannt sind, ebenso, wenn die Partei nichts unternommen hat, um während des Verfahrens den Aufenthalt eines Zeugen zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0044619). Aber auch mit einer nachträglich erkannten Fehleinschätzung des Beweiswerts der unterbliebenen Zeugenaussage lässt sich die Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht erfolgreich begründen (RIS‑Justiz RS0044619 [T11]).
Zutreffend führte das Rekursgericht aus, dass der Voreigentümer der Liegenschaft und ursprüngliche Bestandgeber des Klägers das zielführende Beweismittel (Zeuge) war, um die Behauptungen des Wiederaufnahmsklägers im Hauptprozess über den Gegenstand des vereinbarten Bestandrechts beweisen und den Prozessstandpunkt und die Beweise der Wiederaufnahmsbeklagten im Hauptprozess widerlegen oder entkräften zu können.
Das Vorbringen in der Wiederaufnahmsklage, der Kläger habe angenommen, der Zeuge halte sich in Neuseeland auf, erachtete das Rekursgericht nicht für ausreichend, sein Verschulden an der Nichtführung dieses Zeugen zu begründen, zumal nicht einmal behauptet worden sei, die Adresse dieses Zeugen in Neuseeland sei unbekannt gewesen. Dem ist nicht entgegenzutreten.
Das Rekursgericht hat auch zutreffend erkannt, dass die vom Wiederaufnahmskläger vorgelegte, nach Schluss der Verhandlung des Vorprozesses angefertigte Erklärung des Zeugen kein Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO bildet. Denn schriftliche Aussagen von Zeugen, deren persönliche Vernehmung möglich ist, sind in der ZPO nicht vorgesehen (6 Ob 84/09k; 10 Ob 127/00z). Der vorgelegten Urkunde ist nur die Bedeutung eines Hilfsbeweises, nämlich für die Rechtzeitigkeit und Relevanz des eigentlichen Beweismittels der Zeugenvernehmung, beizumessen (6 Ob 84/09k). Sonst ließen sich auf diese Weise nämlich alle versäumten Personalbeweise auf einen nachprozessualen Schriftverkehr verlagern und danach im Rahmen des Wideraufnahmsverfahrens wieder nachholen (10 Ob 127/00z).
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