OGH 10ObS45/15p

OGH10ObS45/15p19.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigittte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Schönhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Y*****, vertreten durch Strasser Huber Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef‑Pongratz‑Platz 1, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 12. März 2015, GZ 6 Rs 80/14b‑10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00045.15P.0519.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

1. Anlässlich der Geburt ihrer Tochter am 17. 1. 2013 beantragte die Klägerin Kinderbetreuungsgeld in der Variante 20 + 4 (§ 5a KBGG).

Sie ließ die in § 7 Abs 3 Mutter-Kind-Pass‑V 2002 (MuKiPassV) vorgeschriebene zweite Untersuchung des Kindes in der vierten, fünften, sechsten oder siebenten Lebenswoche am 12. 3. 2014 vornehmen.

Wegen der nicht fristgerechten Vornahme der zweiten Untersuchung des Kindes reduzierte die beklagte Partei mit Bescheid vom 28. 3. 2013 das ab 17. 5. 2014 täglich gebührende Kinderbetreuungsgeld auf die Hälfte (§ 5a Abs 2 KBGG).

2. Die dagegen erhobene Klage blieb in erster und zweiter Instanz ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

3. Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

a) Die Revision rügt als wesentlichen Verfahrensmangel, dass das Berufungsgericht zur behaupteten Grippewelle ohne Beweiswürdigung eine negative Feststellung getroffen habe.

Die Rüge ist unberechtigt. Das Berufungsgericht hat keine negative Feststellung getroffen, sondern ausgeführt, auch die Befürchtung, das Kind könnte sich in der Ordination eines Kinderarztes anstecken, könnte nicht die verspätete Vornahme der Untersuchung rechtfertigen. Anhaltspunkte dafür, dass im fraglichen Zeitraum eine extreme Grippewelle geherrscht hätte, lägen zudem nicht vor. Das Berufungsgericht verneinte demnach die Rüge der Berufung eines Feststellungsmangels aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung mangels rechtlicher Relevanz des Vorbringens der Klägerin, die zwar eine Grippewelle, nicht aber eine extreme Grippewelle als Motiv behauptete, einen Kinderarzt zwecks Vornahme der Untersuchung nicht aufzusuchen.

b) Die Zulässigkeit der Revision sieht die Klägerin weiter darin begründet, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der über den Einzelfall hinausgehend bedeutenden Rechtsfrage, ob eine Verzögerung einer Mutter-Kind‑Pass‑Untersuchung um wenige Tage aufgrund einer herrschenden besonderen Ansteckungsgefahr einen Nachsichtsgrund iSd § 7 Abs 4 Z 1 KBGG bilde, fehle.

Die Revisionswerberin zieht die aus § 8 Abs 1 MuKiPassV iVm § 7 Abs 4 Z 1 KBGG abgeleitete Auffassung des Berufungsgerichts nicht in Zweifel, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach § 5a KBGG in voller Höhe ab dem 17. Lebensmonat nur dann besteht, wenn die in der MuKiPassV vorgesehenen Untersuchungen rechtzeitig vorgenommen werden oder die Gründe der Überschreitung der Untersuchungstermine (des Unterbleibens der Vornahme der Untersuchungen) vom beziehenden Elternteil nicht zu vertreten sind.

Die Frage, ob der beziehende Elternteil das Überschreiten der verordneten Untersuchungstermine zu vertreten hat, hängt ganz von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass sie ‑ von einer unvertretbaren Beurteilung abgesehen ‑ keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage bildet.

Die Klägerin brachte in erster Instanz vor, sie habe „aus Gründen der Vorsicht ‑ Grippewelle, Krankheitsübertragung im Wartezimmer ‑ die Untersuchung an das Ende der Frist verschoben“. Das Erstgericht stellte fest, die Klägerin sei bis zum 12. 3. 2015 nicht zu einem Kinderarzt gegangen, weil sie befürchtet habe, das Kind würde sich in der Winterzeit im Warteraum eines Kinderarztes, in dem sich allenfalls kranke Kinder und Erwachsene aufhielten, anstecken.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass diese Befürchtung der Klägerin die Nichtvornahme der zweiten Untersuchung in den hiefür von der MuKiPassV vorgesehenen Lebenswochen des Kindes nicht rechtfertigt, bedarf keiner Korrektur. Alljährlich kommt es zu Grippewellen. Die Gefahr, sich mit einem Influenzavirus zu infizieren, besteht nicht nur in Ordinationen von (Kinder‑)Ärzten. Trotz des Ansteckungsrisikos flieht nach alltäglicher Erfahrung die ganz überwiegende Mehrheit der Menschen aber auch während einer Grippewelle nicht in die Selbstisolation in der eigenen Wohnung. So suchten denn die Klägerin und ihr Ehemann mit ihrer Tochter in den Wochen nach der Geburt den Feststellungen des Erstgerichts zufolge Woche für Woche das Sanatorium, in dem das Kind geboren worden war, zur Nachbetreuung auf.

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