OGH 4Ob22/15m

OGH4Ob22/15m19.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*****gesellschaft mbH, *****, 2. W*****gesellschaft mbH, *****, und 3. E*****gesellschaft mbH, *****, alle vertreten durch Dr. Nikolaus Kraft, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** AG, *****, 2. H***** GmbH, *****, 3. T***** GmbH, *****, alle vertreten durch Salomonowitz Horak Rechtsanwälte in Wien, und 4. U***** GmbH, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 33.000 EUR) sA, über den Revisionsrekurs der erst‑ bis drittbeklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 9. Dezember 2014, GZ 30 R 43/14k‑17, womit die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 1. Oktober 2014, GZ 19 Cg 72/14f‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00022.15M.0519.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Kläger sind (zumindest Mit‑)Inhaber der Rechte an Filmwerken.

Die Beklagten vermitteln als Access-Provider iSd § 13 ECG Zugang zu den Webseiten www.kinox.to und www.movie4k.to , die darauf spezialisiert sind, Nutzern das Aufrufen aktueller Filme ‑ so auch der von den Klägerinnen konkret genannten, die sie (mit‑)hergestellt haben ‑ zu ermöglichen. Eine Zustimmung der Rechteinhaber erfolgte nicht. Die genannten Webseiten sind darauf angelegt, Nutzern in großem Umfang den Zugang zu geschützten Filmwerken zu ermöglichen. Dass die Portale darüber hinaus noch Informationen enthalten, die zulässigerweise verbreitet werden, wurde nicht bescheinigt.

Die Vorinstanzen haben ‑ gestützt auf die Entscheidung 4 Ob 71/14s ‑ den Beklagten untersagt, in Österreich ihren Kunden im Internet Zugang zu den genannten Webseiten zu vermitteln, wenn ihnen auf diesen die in der Klage bezeichneten Filme zur Verfügung gestellt werden. Das Rekursgericht hat ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und hat den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zugelassen, ob die Abmahnung iSd § 81 Abs 1a UrhG notwendige Voraussetzung für die Unterlassungsklage sei und welche Kriterien sie konkret zu erfüllen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Erst- bis Drittbeklagten (die Viertbeklagte hat sich nicht am Rechtsmittelverfahren beteiligt) ist ‑ unbeschadet des rekursgerichtlichen Zulassungsausspruchs, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist ‑ in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1.1. In der Entscheidung 4 Ob 140/14p hat der Senat jüngst ausgesprochen, dass § 81 Abs 1a UrhG zwar vom Regelfall ausgeht, dass die Abmahnung vor der Klage erfolgt. Dem ist es jedoch gleichzuhalten, wenn der Provider im Zuge des Verfahrens Klarheit über die Rechtsverletzung erhält und dennoch darauf beharrt, nicht zu einem Einschreiten verpflichtet zu sein: Denn in diesem Fall besteht Erstbegehungsgefahr, die nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls einen Unterlassungsanspruch begründet.

1.2. Die Revisionsrekurswerberinnen (in der Folge „die Beklagten“) führen aus, dass die Rechtsprechung zu 4 Ob 140/14p nur auf Host‑Provider (iSd § 16 ECG) anzuwenden sei. Access‑Provider hätten nämlich weder Kenntnis noch Zugriffsmöglichkeiten auf die von ihnen vermittelten Webseiten. Die Verlagerung der Abmahnung in den Prozess sei daher bei Access‑Providern untunlich. Es fehle wegen der unzureichenden Abmahnungen an einer materiellen Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungs-anspruchs.

1.3. Eine Verschiedenbehandlung von Access- und Host‑Providern widerspricht der klaren Formulierung in § 81 Abs 1a Satz 2 UrhG, der auf die Bestimmungen der §§ 13 bis 17 ECG verweist. Dieser Verweis umfasst somit sowohl Access‑Provider (§ 13 ECG) als auch Host‑Provider (§ 16 ECG), die bezüglich der erforderlichen Abmahnung gleichgestellt werden. § 81 Abs 1a UrhG wurde in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben (Art 8 Abs 3 RL 2001/29/EG [Info‑RL]) erlassen. Neben der Info‑RL ist hier die RL 2000/31/EG [E‑Commerce‑RL] von Relevanz. Diese normiert im Abschnitt 4 (Verantwortlichkeit der Vermittler) die Verantwortlichkeit von Access‑ und Host-Providern sowie für Caching. Wenn die Info‑RL in der Folge von „Vermittlern“ spricht (insbesondere in Art 8 Abs 3), so werden darunter sowohl Access‑ (vgl 4 Ob 71/14s) als auch Host‑Provider verstanden. Für beide gilt, dass sie (anders als Content-Provider) an der „Schöpfung“ des urheberrechtswidrigen Inhalts der Webseiten nicht beteiligt sind und dass sie die Inhalte der ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen grundsätzlich nicht überwachen müssen (Art 15 RL 2000/31/EG ). Beide werden somit in der Regel keine Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten haben, weswegen der Unterlassungsanspruch erst mit einer Abmahnung entsteht. Allerdings kann, wie in 4 Ob 140/14p, schon das Bestreiten einer von der Gegenseite im Verfahren behaupteten Unterlassungspflicht die Erstbegehungsgefahr und damit den Unterlassungsanspruch begründen. Das traf hier zu, weil die Beklagten ‑ die nach einer Fristerstreckung ausreichend Zeit zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage hatten ‑ in ihrer Äußerung darauf beharrten, nicht zu einer Sperre verpflichtet zu sein, wobei sie dies nicht nur mit der angeblich mangelhaften Abmahnung, sondern auch mit anderen Argumenten begründeten.

2. Soweit sich die Beklagten gegen die gesamte Sperre der klagsgegenständlichen Webseiten und nicht bloß eines konkreten Inhalts wenden, ist ihnen mit dem Rekursgericht entgegen zu halten, dass sie im Zusammenhang mit diesen Webseiten nicht konkret dargetan haben, dass die Sperre auch (relevante) Auswirkungen auf legale Inhalte haben kann.

3.1. Die Frage, ob über die Zumutbarkeit von aufgetragenen Sperrmaßnahmen erst in einem allfälligen Impugnationsverfahren abzusprechen ist, beantwortet die ausführlich begründete und auf der Entscheidung des EuGH vom 27. 3. 2014, Rs C‑314/12, UPC Telekabel, beruhende Entscheidung 4 Ob 71/14s (= MR 2014, 171 [Kraft], MR 2014, 201 [Walter], ÖBl 2014/50, 237 [Anzenberger]). Die Beklagten haben keine tragfähigen Gründe dargetan, die ein Abgehen von dieser Entscheidung nahe legen würden.

Der EuGH befasste sich in der genannten Entscheidung differenziert mit der Frage der Kostentragung durch den Access-Provider. Diese erfordert es, dass gerade keine konkreten Sperrmaßnahmen auferlegt werden. Der Ausspruch eines Erfolgsverbots ist mit den unionsrechtlichen Vorgaben ‑ insbesondere dem Grundrecht der unternehmerischen Freiheit nach Art 16 GRC ‑ vereinbar (Rs C‑314/12 Rz 48). Der Provider muss die Kosten allfälliger Sperrmaßnahmen in die geschäftliche Kalkulation einberechnen und ein Vermittler muss sowohl in finanzieller als auch technischer Hinsicht gerüstet sein, Zugangssperren durchzuführen. Gerade aufgrund der Kostentragung durch den Access-Provider ist die Unterlassungsanordnung auf ein Erfolgsverbot zu beschränken, sodass der jeweilige Access‑Provider die kostengünstigste Möglichkeit einer Sperre wählen kann (Rs C‑314/12 Rz 52).

3.2. Aufgrund dieser Erwägungen erübrigt sich die von den Beklagten angeregte Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit (auch zu Art 15 und Art 17 GRC und den entsprechenden Bestimmungen im StGG) der Regelung des § 81 Abs 1a UrhG oder die (neuerliche) Vorlage an den EuGH. Die Regelung des § 81 UrhG führt dazu, dass ein Provider die Kosten allfälliger Sperrmaßnahmen zu tragen hat. Dies ist sachgerecht angesichts des Umstands, dass ein Provider, der ja im eigenen wirtschaftlichen Interesse handelt, auch für die Folgen dieses Handelns einzustehen hat. Zu solchen Folgen zählt auch, dass er die Mitwirkung an einer Rechtsverletzung Dritter auf seine eigenen Kosten abstellen muss.

Die von den Beklagten zur Begründung der behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 81 Abs 1a UrhG wegen Verstoßes gegen Art 7 B‑VG zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 2. 2003, G 37/02, ist nicht einschlägig, zumal es dort um Kosten für die Erbringung staatlicher Aufgaben ging, während hier ein im Privatrecht begründeter Anspruch auf Unterlassung der Mitwirkung an Urheberrechtsverletzungen gegenständlich ist.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO. Eine Verpflichtung der Erst‑ bis Drittbeklagten zum Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung ist grundsätzlich möglich, weil die Klägerinnen darin auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben (vgl 4 Ob 11/15v).

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