OGH 15Os44/15g

OGH15Os44/15g29.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhard H***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 7. Jänner 2015, GZ 13 Hv 131/14f‑12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00044.15G.0429.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Reinhard H***** zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er seine Ehefrau Anja H***** mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar

1. Ende April 2014 in W***** dadurch, dass er sie an der Kleidung und an den Händen gegen ihren Widerstand in Richtung Couch zog, sie auf die Couch warf, sodass sie auf dem Bauch zum Liegen kam, ihr die Leggins hinunterzog, sich auf sie legte und gegen ihren Widerstand mehrmals mit seinem Penis von hinten in ihre Vagina eindrang;

2. am 27. Juli 2014 in N***** dadurch, dass er sich von hinten gegen sie drängte, ihre Brüste betastete, gegen ihren Widerstand seine Hand vorne in den Bund ihrer Hose und ihrer Unterhose schob, mit zwei Fingern in ihre Scheide eindrang, sie auf das im Wohnzimmer befindliche Bett warf, ihr die Hose bis zu den Knien hinunterzog, mit seinem Penis in ihre Vagina eindrang, obwohl sie sich mit Fußtritten zu wehren versuchte, und ihre Hände während der Vollziehung des Beischlafs zur Vermeidung weiterer Gegenwehr hinter ihrem Kopf gegen das Bett drückte.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 und Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Einholung des Gutachtens eines gynäkologischen Sachverständigen zum Beweis dafür, „dass Verletzungen erkennbar gewesen sein müssten, wenn der Angeklagte seine Frau am 27. Juli vergewaltigt hätte“, Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht geschmälert.

Denn der Antrag ließ nicht erkennen, weshalb die zu 2. begehrte Beweisaufnahme im Lichte der Tatschilderung durch das Opfer das in den Blick genommene Ergebnis (Ausschluss von Gewalt) erwarten lasse und zielte somit auf eine im Hauptverfahren nicht zulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0107040).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

Indem der Nichtigkeitswerber in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Berufung auf das Beweisverfahren den Einsatz von Gewalt zu 1. negiert, argumentiert er nicht auf Basis des Urteilssachverhalts (US 3) und verfehlt somit den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

Mit der bloßen Behauptung (Z 9 lit a), der Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB setze die Herbeiführung des Beischlafs „mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben“ voraus, legt der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb aus dem Gesetz eine solche Einschränkung des Wortlauts der Bestimmung („mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“) abgeleitet werden sollte. Ebensowenig lässt sie erkennen, weshalb das Fehlen einer „Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben“, von Verletzungen des Opfers, von ‑ aus Sicht des Beschwerdeführers ‑ „rücksichtslosen Aggressions-handlungen“ oder ein angeblich „lockeres Sexualleben“ der Ehegatten im konkreten Fall einer Verurteilung wegen Vergewaltigung (durch Nötigung zum Beischlaf oder dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen mit Gewalt im Sinn des Einsatzes nicht ganz unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstands [vgl RIS-Justiz RS0095666, RS0095260]; US 1, 8 f) entgegenstehen sollte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass die Wertung der „Uneinsichtigkeit“ und mangelnden Bereitschaft des Angeklagten, „eigenes Fehlverhalten einzugestehen“, also im Ergebnis dessen leugnende Verantwortung, als eine für die Ablehnung der Gewährung gänzlich bedingter Strafnachsicht (mit-)entscheidende Tatsache (US 9) eine iSd § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 677 f, 688, 691) unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS‑Justiz RS0090897 [T3]). Diesem von der Beschwerde nicht aufgegriffenen Umstand wird das Oberlandesgericht bei der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen haben (RIS‑Justiz RS0122140).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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