OGH 9Ob13/15z

OGH9Ob13/15z29.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzen den sowie die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** P*****, vertreten durch Dr. Frank Riel und Dr. Wolfgang Grohmann, Rechtsanwälte in Krems an der Donau, gegen die beklagten Parteien 1. F***** T***** und 2. J***** T*****, sowie 3. A***** T***** und 4. R***** T*****, alle vertreten durch Gloß Pucher Leitner Schweinzer Burger Gloß Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Feststellung und Leistung (Gesamtstreitwert 7.200 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 15. Oktober 2014, GZ 1 R 202/13f‑50, mit dem der Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Zwettl vom 24. September 2013, GZ 3 C 25/12g‑46, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00013.15Z.0429.000

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts wird ‑ unter Aufrechterhaltung des klagestattgebenden Feststellungsbeghrens einschließlich der Kostenentscheidungen ‑ dahin abgeändert, dass die Verpflichtung der beklagten Parteien, binnen 14 Tagen auf eigene Kosten die zur Errichtung und grundbücherlichen Durchführung erforderlichen Urkunden hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, insbesondere des Teilungsplans eines staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten des Vermessungswesens und eine Abtretungserklärung in grundbuchsfähiger Form zu erstellen, zu entfallen hat und somit insoweit das Klagemehrbegehren sowie die Eventualbegehren abgewiesen werden.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 672,71 EUR (darin 112,12 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer der Parzelle .41/1 einer im Ersturteil näher bezeichneten Liegenschaft. Der Erst- und die Zweitbeklagte sind je zur Hälfte Eigentümer der östlich angrenzenden Parzelle .42, der Dritt- und die Viertbeklagte je zur Hälfte Eigentümer der westlich angrenzenden Parzelle .40. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich ein Keller samt Kellerröhre, auf den Grundstücken der Erst- und Zweitbeklagten sowie der Dritt- und Viertbeklagten je ein Wohnhaus (***** bzw *****). Begrenzt durch das Grundstück des Klägers .41/1 im Süden, jenem der Erst- und Zweitbeklagten im Osten, jenem der Dritt- und Viertbeklagten im Westen sowie dem öffentlichen Gut im Norden findet sich in der Natur eine asphaltierte Fläche, auch genannt „Hof“. In der Grundbuchsmappe ist diese ‑ hier strittige ‑ Fläche durch eine „Sprungklammer“ dem Grundstück .41/1 zugeordnet, sie hat keine eigene Grundstücksnummer.

Nachdem zwischen den Parteien etwa 2008, 2009 ein Streit darüber entstand, wer nun Eigentümer dieser strittigen Fläche sei, schlossen sie am 9. 12. 2009 anlässlich eines Besitzstörungsverfahrens zur Klärung der Eigentums- und Nutzungsfrage an der strittigen Grundstücksfläche folgenden ‑ im Besitzstörungsverfahren nicht protokollierten ‑ Vergleich:

Die Beklagten anerkennen das alleinige Eigentumsrecht des Klägers an der streitgegenständlichen Grundstücksfläche und verzichten auf alle behaupteten Rechte am Keller des Klägers sowie der daran angrenzenden Kellerröhre. Dafür tritt der Kläger einerseits den Erst- und Zweitbeklagten und andererseits den Dritt- und Viertbeklagten je einen 1 m breiten Streifen der gegenständlichen Fläche, welche je unmittelbar an deren westlich bzw östlich angrenzenden Häuser ***** bzw ***** anschließt, ab. Weiters räumt der Kläger den Erst- und Zweitbeklagten als Eigentümer des Grundstücks .42 die Dienstbarkeit des Abstellens eines Pkw's in einem Bereich von 5,1 m x 2,25 m entlang deren westlicher Gebäudeflanke (inkludierend den zuvor genannten 1 m breiten abzutretenden Grundstücksstreifen) ein, wobei diese Abstellfläche von der Treppenanlage zum Eingang des Hauses ***** bis zum straßenseitigen Ende des zweiten Kellerfensters (vom Hauseingang aus gesehen) reicht. Den Dritt- und Viertbeklagten räumt der Kläger das jederzeit zu widerrufende Recht ein, ihren Pkw ebenfalls auf der streitgegenständlichen Fläche westlich dieses letztbeschriebenen Abstellplatzes abzustellen. Für den Fall des Widerrufs verpflichten sich die Dritt- und Viertbeklagten zum Ausbau der ihnen gehörigen Garage; bei vorzeitigem Ausbau der Garage erlischt das Abstellrecht. Wechselseitig räumen die Streitteile einander das uneingeschränkte Recht ein, sämtliche Teile der gegenständlichen Grundstücksfläche zum Zu- und Abfahren, zum Be- und Entladen sowie zum Einparken zu benutzen, wobei ein dauerhaftes Abstellen von Fahrzeugen nicht berechtigt ist.

Darüber hinaus vereinbarten die Streitteile, dass die Kosten für die noch zu errichtenden Teilungspläne und grundbuchsfähigen Urkunden, wobei erstere durch einen zu beauftragenden Ingenieurkonsulenten des Vermessungswesens und letztere von Dr. H***** H***** (dem damaligen Vertreter der Erst- und Zweitbeklagten im Besitzstörungsverfahren) zu errichten sind, von den Beklagten zu tragen sind.

In der Folge brachten die Beklagten eine Tafel an, wonach eine „Privatfläche bis Platzmitte“ für die jeweiligen Eigentümer bestehe (unstrittig).

Der Kläger begehrt nach mehrmaliger Präzisierung und Ergänzung seiner Begehren ‑ insbesondere gestützt auf den abgeschlossenen Vergleich ‑ mit seinem Hauptbegehren die Feststellung, dass er Eigentümer des zwischen den Parzellen .40 und .42 liegenden Grundstücksteils der Parzelle .41/1 sei, wobei ein Grundstücksteil in der Breite von je 1 m gemessen entlang dem der Parzelle .41/1 zugeordneten Hausmauer der auf den Parzellen .40 und .42 errichteten Bauwerke, verlaufend von dem auf der Parzelle .41/1 errichteten Kellergebäude bis zur Parzelle 2181, den Eigentümern der Parzelle .42, Erst- und Zweitbeklagte bzw Eigentümern der Parzelle .40, Dritt- und Viertbeklagte, abgetreten werde, sodass sich sein Eigentum auf den restlichen zwischen den Parzellen .40 und .42 gelegenen Grundstücksstreifen der Parzelle .41/1 beziehe, wobei die Beklagten schuldig seien, auf eigene Kosten die zur Errichtung und grundbücherlichen Durchführung erforderlichen Urkunden, insbesondere des Teilungsplans eines staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten des Vermessungswesens und eine Abtretungserklärung in grundbuchsfähiger Form zu erstellen. Mit seinem ‑ ebenfalls gestützt auf den Vergleich ‑ ersten Eventualbegehren, begehrt der Kläger zum einen die Feststellung, dass zwischen den Parteien am 9. 12. 2009 die von ihm behauptete einvernehmliche Regelung erfolgt sei und zum anderen die Verpflichtung der Beklagten, auf ihre Kosten die für die grundbücherliche Durchführung dieser vereinbarten Regelung erforderlichen Urkunden, insbesondere die Errichtung eines Teilungsplans durch einen staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten für das Vermessungswesen und die Errichtung einer Abtretungs- und Servitutsvereinbarung in grundbuchsfähiger Form binnen 14 Tagen ab Rechtskraft des Urteils in Auftrag zu geben. Mit seinem zweiten Eventualbegehren ‑ gestützt auf Ersitzung bzw derivativen Erwerb vom Voreigentümer ‑ möge festgestellt werden, dass der Kläger Eigentümer des zwischen den Parzellen .40 und .42 liegenden Grundstücksstreifens sei, wobei ein Grundstücksstreifen von je 1 m angrenzend an die Parzellen .42 bzw .40 an die Eigentümer der Parzellen .40 bzw .42 abgetreten werde, sodass sich die Eigentumsverhältnisse des Klägers auf den restlichen zwischen den Parzellen .40 und .42 gelegenen Grundstücksteil zugehörig zur Parzelle .41/1 beziehen.

Die Beklagten bestritten, beantragten Klagsabweisung und wandten ‑ soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ‑ ein, dass das Klagebegehren zur Exekution nicht geeignet sei. Überdies sprachen sie sich gegen die vom Kläger vorgenommene Klagsänderung aus.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren des Klägers aufgrund der zwischen allen Parteien am 9. 12. 2009 mündlich zustande gekommenen Vereinbarung statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die Parteien und Grundstücke genauer bezeichnete. Die Klagsänderung sei zulässig gewesen. Dass es sich bei der Vereinbarung nur um einen Vorvertrag handle, sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet worden. Überdies liege bereits ein Hauptvertrag (Vergleich) vor. Da die Beklagten das Eigentumsrecht des Klägers an der strittigen Grundstücksfläche bestreiten würden, habe dieser ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Die Leistungsverpflichtung diene der Schaffung der urkundlichen Voraussetzungen für die Einverleibung des Eigentums des Klägers. Auf die in der Grundbuchsmappe eingezeichneten Grundstücksgrenzen komme es hier nicht an; entscheidend seien die Naturgrenzen.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragten die Beklagten das angefochtene Berufungsurteil dahin abzuändern, dass das diesbezügliche Klagebegehren abgewiesen werde. Sodann möge dem Erstgericht die Entscheidung über die Eventualbegehren aufgetragen werden.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung , die Revision der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.

1. Das Berufungsgericht hat den von den Beklagten gerügten Verfahrensmangel, das Erstgericht hätte über ihren Antrag, die Klagsänderung nicht zuzulassen, nicht förmlich abgesprochen, inhaltlich behandelt, ihn aber als nicht berechtigt angesehen. Damit kann er in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043172). Die in der Revision der Beklagten angesprochene Ausnahme von diesem Grundsatz liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen hat, etwa weil es die Behandlung einer Mängelrüge infolge der vermeintlichen rechtlichen Unerheblichkeit des gerügten Mangels unterließ (vgl RIS‑Justiz RS0043051). Dies ist hier aber nicht der Fall.

2. Die Revision zieht die Zweckmäßigkeit der im Anlassfall vom Berufungsgericht vorgenommenen Maßgabebestätigung nicht in Zweifel. Sie bestreitet aber ‑ allerdings zu Unrecht ‑ deren Berechtigung. Es ist herrschende Rechtsprechung, dass dasGericht dem Urteilsspruch eine dem Gesetz entsprechende, vom Feststellungsbegehren der Partei abweichende Fassung geben (RIS-Justiz RS0038852) bzw erforderlichenfalls von Amts wegen den Urteilsspruch dem tatsächlichen Begehren des Klägers anpassen kann (RIS-Justiz RS0041254). Mit den ergänzten, aus dem Akt ersichtlichen unstrittigen Umständen hat das Berufungsgericht auch nicht gegen § 405 ZPO verstoßen, sondern dem Feststellungsbegehren nur insgesamt eine deutlichere Fassung gegeben. Nicht das Klagehauptbegehren, sondern das erste Eventualbegehren war auf die Feststellung der genauen Vereinbarung gerichtet.

3. Die Frage, ob die Parteien keinen (endgültigen) Vergleich, sondern nur einen Vorvertrag gemäß § 936 ABGB abgeschlossenen haben, stellt sich schon deshalb nicht, weil die Beklagten ‑ wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat und in der Revision auch nicht bestritten wird -, im erstinstanzlichen Verfahren kein entsprechendes Vorbringen dazu erstattet haben. Vielmehr haben die Beklagten den Abschluss jeglicher Vereinbarung mit dem Kläger bestritten.

4. Richtig ist aber der Einwand der Beklagten, dass die Verurteilung der Beklagten, die zur Errichtung und grundbücherlichen Durchführung erforderlichen Urkunden bezüglich der getroffenen Vereinbarung, insbesondere des Teilungsplans eines staatlich befugten und beeideten Ingenieurkonsulenten des Vermessungswesens und eine Abtretungserklärung in grundbuchsfähiger Form zu erstellen, nicht vom festgestellten Sachverhalt gedeckt ist. Der Kläger behauptete auch gar nicht, dass sich die Beklagten im Vergleich nicht nur zur Tragung der Kosten für die Errichtung der zur grundbücherlichen Durchführung des Vergleichs notwendigen Teilungspläne und Urkunden, sondern darüber hinaus auch zur Erstellung dieser Schriftstücke bzw zur entsprechenden Auftragserteilung an hiezu befugte Personen verpflichtet hätten.

5. Der Revision der Beklagten war daher insoweit teilweise Folge zu geben und das angefochtene Berufungsurteil dahin abzuändern, dass das Leistungsbegehren bezüglich der Erstellung näher bezeichneter Urkunden zu entfallen hat. Die fehlende Tatsachenfeststellung steht auch einer nur teilweisen Stattgabe eines der beiden Eventualbegehren entgegen. Das erste Eventualbegehren enthält ebenfalls diese Verpflichtung der Beklagten, das zweite Eventualbegehren wurde nur für den Fall gestellt, dass das Gericht davon ausgeht, dass zwischen den Parteien kein Vergleich zustande kam. Aufgrund der Abweisung des Leistungsbegehrens muss auf die weitere Kritik der Revisionswerber, das Leistungsbegehren sei zu unbestimmt und daher nicht zur Exekution geeignet, nicht mehr eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO, für die Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO. Der Kläger ist nur mit einem geringfügigen Teil seines Anspruchs unterlegen, der zudem keinen besonderen Verfahrensaufwand hervorgerufen hat. Die Beklagten haben ihm daher die gesamten Verfahrenskosten zu ersetzen.

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