OGH 10ObS153/14v

OGH10ObS153/14v28.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer und Dr. Christoph Kainz (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Mag. Christoph Kuhn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1030 Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 2014, GZ 10 Rs 117/14w‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00153.14V.0428.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der am 24. 11. 1963 geborene Kläger war bis 3. 1. 2011 als Landwirt tätig. An diesem Tag erlitt er einen offenen Oberarmschaftbruch mit Verletzung des Armnervengeflechts. Mit Bescheid vom 27. 10. 2011 erkannte ihm die Beklagte rückwirkend ab 1. 7. 2011 eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitspension zu. Mit Bescheid vom 13. 8. 2013 wurde ihm diese wegen Besserung seines Gesundheitszustands wieder entzogen.

Dagegen richtet sich die auf Weitergewährung der Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 10. 2013 gerichtete Klage mit dem Vorbringen, der Kläger sei weiterhin nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Landwirt bzw eine Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben.

Das Erstgericht wies die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, seit der Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension sei es zu einer wesentlichen Funktionsverbesserung des rechten Arms gekommen. Der Kläger könne nunmehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Reihe von Tätigkeiten wie Portier, Garagenwart, Call‑Center‑Agent oder Kassier verrichten. Diese Tätigkeiten stellten auch nicht Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet sind (§ 124 Abs 1b BSVG), dar. Der Kläger sei daher weder nach § 124 Abs 1 BSVG, noch infolge der mittlerweiligen Vollendung des 50. Lebensjahres nach § 124 Abs 1a BSVG erwerbsunfähig.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es hielt den Berufungsausführungen des Klägers, er habe jedenfalls einen Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation im Sinne des § 122 BSVG, entgegen, dass es für den Anspruch auf berufliche Rehabilitation entscheidend sei, dass der Versicherte bereits erwerbsunfähig sei oder in naher Zukunft sein werde. Da der Kläger nach dem für ihn maßgebenden Erwerbsunfähigkeitsbegriff des § 124 Abs 1 (und Abs 1a) BSVG nicht erwerbsunfähig sei und auch keine kalkülsrelevante Verschlechterung seines Gesundheits-zustands drohe, erfülle er nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation im Sinn des § 122 Abs 1 BSVG.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger dagegen erhobene außerordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Der Kläger macht in der Revision geltend, das Berufungsgericht hätte den Anspruch auf eine berufliche Maßnahme der Rehabilitation nicht mit dem Argument ablehnen dürfen, dass völlige Erwerbsunfähigkeit nicht mehr vorliege. Vielmehr hätte es feststellen müssen, dass er auf einen neuen Beruf entsprechend seinem Leistungskalkül umgeschult werden könne. Damit hätte auch die Pensionsleistung keinesfalls entzogen werden dürfen. Diese hätte ihm anstelle eines Übergangsgeldes bis zum Abschluss der Rehabilitationsmaßnahmen gebührt.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Mit dem BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, wurde mit Wirkung ab 1. 1. 2011 der Anspruch auf berufliche Rehabilitation auch im Bereich des BSVG als Pflichtleistung der Pensionsversicherung eingeführt. Nach § 122 Abs 1 BSVG haben versicherte Personen Anspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation (§ 153 BSVG), wenn sie infolge ihres Gesundheitszustands die Voraussetzungen für eine Erwerbsunfähigkeitspension (§ 123 Abs 1 BSVG) erfüllen, wahrscheinlich erfüllen oder in absehbarer Zeit erfüllen werden.

1.1 Ein Antrag auf eine Pension aus den Versicherungsfällen der Erwerbsunfähigkeit oder auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit nach § 124a BSVG gilt nach § 182 Z 3 BSVG vorrangig als Antrag auf Leistungen der Rehabilitation. Dies gilt, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 203/01b zu der vergleichbaren Bestimmung des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG bereits ausgeführt hat, im Sinne einer gerechten und effizienten Umsetzung des Grundsatzes „Rehabilitation vor Pension“ auch für den Antrag auf Weitergewährung einer befristet gewährten Pension.

1.2 Im vorliegenden Fall bezog der Kläger seit 1. 7. 2011 eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitspension, welche ihm mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 13. 8. 2013 von Amtswegen wegen einer Besserung seines Gesundheitszustands entzogen wurde. Dem Entziehungsbescheid der Beklagten lag daher naturgemäß weder ein Antrag des Klägers auf Gewährung einer Pension aus den Versicherungsfällen der Erwerbsunfähigkeit oder auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit nach § 124a BSVG, welcher vorrangig als Antrag auf Leistungen der Rehabilitation zu werten gewesen wäre, noch ein eigenständiger Antrag des Klägers auf Gewährung beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen zugrunde, sodass die Beklagte auch nicht veranlasst war, im verfahrensgegenständlichen Entziehungsbescheid über eine Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation an den Kläger abzusprechen. Diese Frage war daher auch nicht Gegenstand der vorliegenden Bescheidklage und damit auch nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Erstgericht. Soweit die Ausführungen in der Revision dahin zu verstehen sein sollten, dass damit (erstmals im Rechtsmittelverfahren) ein Anspruch auf eine berufliche Rehabilitation geltend gemacht wird, erübrigt sich schon deshalb ein inhaltliches Eingehen auf die Revisionsausführungen.

2. Sollte die Argumentation des Klägers hingegen darauf abzielen, dass ihm die Pension nach § 157 Satz 2 BSVG nicht entzogen werden dürfe, weil und solange eine berufliche Rehabilitation möglich ist, gelingt es ihm ebenfalls nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Grundsätzlich hat der Versicherungsträger für die Dauer der Gewährung von Maßnahmen der Rehabilitation nach § 156 BSVG dem Versicherten ein Übergangsgeld zu leisten. Dagegen besteht in dieser Zeit kein Anspruch auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit. Besteht aber im Zeitpunkt der Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen bereits ein Anspruch auf Pension, wird dieser durch die Gewährung der Rehabilitation nicht berührt. Damit wird zwar ein Anspruch auf Weitergewährung der Pension für den Zeitraum einer bereits gewährten Rehabilitation begründet, nicht jedoch für die Zeit, in der die Voraussetzungen des Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit nicht mehr vorliegen, über eine allenfalls zu gewährende Rehabilitation aber noch nicht entschieden ist.

3. Auch die weiteren Revisionsausführungen zeigen keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf.

3.1 Die Richtigkeit der Rechtsansicht, dass der Kläger infolge zumutbarer Verweisungsberufe nicht mehr erwerbsunfähig im Sinn des § 124 Abs 1 bzw Abs 1a BSVG ist, wird in der Revision zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogen. Der Kläger kann die genannten Verweisungstätigkeiten aufgrund seines näher festgestellten medizinischen Leistungskalküls ohne Einschränkungen verrichten. Eine berufliche Rehabilitation des Klägers ist für die Verrichtung dieser geistig einfachen Verweisungstätigkeiten nicht erforderlich. Insoweit besteht auch keine Notwendigkeit dafür, dass dem Kläger durch berufliche Rehabilitation ermöglicht wird, die für die Ausübung einer neuen Tätigkeit erforderlichen Anpassungen vorzunehmen. Es gibt daher insoweit auch keine Anhaltspunkte für eine Diskriminierung des Klägers gegenüber Nichtbehinderten.

3.2 Schließlich setzt die Entziehung einer Leistung nach § 63 BSVG eine wesentliche Änderung der Verhältnisse voraus, wobei die Verhältnisse zur Zeit der Leistungszuerkennung mit denen zur Zeit der Entziehung zu vergleichen sind. Die Änderung kann im Fall einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit etwa in der Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands des Pensionsberechtigten bestehen. Ist der Leistungsbezieher durch diese Änderung auf dem Arbeitsmarkt wieder einsetzbar, ist die Entziehung der Leistung sachlich gerechtfertigt (vgl RIS‑Justiz RS0083884 [T5]).

Ausgehend von den ‑ entgegen den Ausführungen in der Revision ‑ ausreichenden Feststellungen zum Gesundheitszustand des Klägers zum Zeitpunkt der Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension sowie zur nachfolgenden Besserung, wodurch dem Kläger die Verrichtung der angeführten Verweisungstätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt wieder möglich ist, ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass eine die Entziehung der Erwerbsunfähigkeitspension rechtfertigende wesentliche Änderung der Verhältnisse vorliegt, nicht zu beanstanden.

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