OGH 4Ob57/15h

OGH4Ob57/15h22.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Limited, *****, Großbritannien, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C*****gmbH, 2. M*****gesellschaft mbH, beide *****, vertreten durch Mag. Constantin Eschlböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Löschung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 33.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. Jänner 2015, GZ 3 R 55/14a‑10, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 12. Mai 2014, GZ 43 Cg 33/14x-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der Schriftsatz der beklagten Parteien vom 20. 3. 2015 („Ergänzung der Anregung“) wird zurückgewiesen.

II. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 2.003,15 EUR (darin 333,86 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Die klagende Partei ist Inhaberin der Gemeinschaftswortmarke Nr 6751283 „CECCONI'S“, welche mit Priorität 13. 3. 2008 seit 13. 11. 2008 für die Klasse 43 „Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Restaurant- und Barbetrieb, Catering“ registriert ist. Sie betreibt seit 2005 im Londoner Stadtteil Mayfair ein (bereits seit 1978 unter diesem Namen geführtes) Restaurant der gehobenen Qualität unter der Bezeichnung „CECCONI'S“. Es steht nicht fest, dass die klagende Partei im Gebiet der Union ein weiteres Restaurant mit diesem Namen betreibt oder diese Bezeichnung für andere Dienstleistungen oder Waren verwendet. Die klagende Partei bewirbt ihr Restaurant unter www.cecconis.co.uk . Es steht nicht fest, dass die Gemeinschaftsmarke ein über London‑Mayfair hinausgehendes hohes Maß an Bekanntheit genießt.

Die erstbeklagte Partei betreibt in der Stadt Salzburg ein Restaurant unter der Bezeichnung „Ceconi's“, das ebenfalls zur gehobenen Qualität gehört. Den Namen ihres Restaurants wählte sie nach dem Erbauer des Hauses, dem Architekten Jakob Ceconi. Unter der Domain www.ceconis.at betreibt die erstbeklagte Partei eine Website, auf der sie ihr Restaurant bewirbt.

Die zweitbeklagte Partei ist Gesellschafterin der erstbeklagten Partei mit einem 50%-igen Anteil am Stammkapital. Sie ist Inhaberin der österreichischen Wortmarke Nr 273443 „CECONI'S“ und einer gleichnamigen österreichischen Wort- und Bildmarke Nr 273444, beide mit Priorität 15. 3. 2013, die seit 20. 6. 2013 unter anderem für die Dienstleistungsklasse 43 „Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen“ registriert sind. Diese Marken werden von der erstbeklagten Partei für das von dieser betriebene Restaurant mit Zustimmung der zweitbeklagten Partei benutzt.

Zur Sicherung ihrer mit Klage geltend gemachten Unterlassungsansprüche beantragte die klagende Partei die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit dem wesentlichen Inhalt, der erstbeklagten Partei zu untersagen, das Wortzeichen „CECONI'S“, ein gleichnamiges Wortbildzeichen oder ein anderes Zeichen, das der Gemeinschaftsmarke der Klägerin ähnlich ist, im Zusammenhang mit Dienstleistungen eines Restaurants oder einer Bar zu verwenden. Der zweitbeklagten Partei möge untersagt werden, für derartige Dienstleistungen Dritten ihre österreichische Wortmarke „CECONI'S“ oder ihre gleichnamige österreichische Wortbildmarke zu überlassen.

Die Vorinstanzen wiesen das Sicherungsbegehren ab. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die fünfjährige Schonfrist des Art 15 Abs 1 GMV sei bereits abgelaufen. Der Betrieb einer Website und der Umstand, dass die klagende Partei unter der Marke ein Restaurant führe, das nur in einem Teil von London hohe Bekanntheit erlangt habe, bedeuteten keine ernsthafte Benutzung der Marke in der Gemeinschaft im Sinne des Art 15 Abs 1 GMV, zumal das Restaurant nicht stark beworben worden sei. Der klagenden Partei sei es nicht gelungen, die rechtserhaltende Nutzung ihrer Gemeinschaftsmarke ausreichend zu bescheinigen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob bzw unter welchen Voraussetzungen die Benutzung einer Gemeinschaftswortmarke nur als Bezeichnung eines einzigen in der Europäischen Gemeinschaft betriebenen Restaurants eine ernsthafte Benutzung der Marke in der Gemeinschaft im Sinne des Art 15 Abs 1 GMV sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der klagenden Partei ist ungeachtet dieses Ausspruchs unzulässig.

1. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ausgeführt. Die dabei angesprochene Frage zur ernsthaften Benutzung einer Gemeinschaftsmarke in der Gemeinschaft ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und hat regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung (vgl EuGH C-149/11 , Leno Merken/Hagelkruis Beheer [ONEL], Rn 51: „bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls“; C-234/06 P , Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE], Rn 73; C-259/02 , La Mer Technology/Laboratoires , Rn 22; C‑416/04 P,

Sunrider/HABM [VITAFRUIT], Rn 71; siehe auch 4 Ob 91/00m; Om 4/09). Auch der Umstand, dass es sich beim Betrieb der klagenden Partei um ein Restaurant bzw die einzige Betriebsstätte des Unternehmens in der Union handelt, begründet für die Beurteilung des Art 15 Abs 1 GMV keine erhebliche Rechtsfrage, zumal es auch zu vergleichbaren Fällen Rechtsprechung des EuGH gibt (so etwa die Entscheidung C‑141/13p, Reber/HABM [Walzertraum], bei der die ernsthafte Benutzung einer Marke für bestimmte in einem Café vertriebene Waren zu prüfen war).

2. In seiner Grundsatzentscheidung zu C-149/11 , Leno Merken/Hagelkruis Beheer [ONEL], hat der EuGH in Anknüpfung an seine bisherige Judikatur zur Marken‑RL 89/104/EWG (vgl etwa C‑40/01, Ansul/Ajax Brandbeveiliging [Minimax], Rn 43; C-259/02 , La Mer Technology/Laboratoires , Rn 27) bzw zur GMV in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 40/94 (C‑416/04 P, Sunrider/HABM [VITAFRUIT], Rn 70 bis 73 und 76) die Tatbestandsvoraussetzungen des Art 15 Abs 1 GMV umfassend erläutert. Der EuGH hat dabei festgehalten, dass das in der Sache zuständige Gericht zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen unter Berücksichtigung aller erheblichen Fakten und Umstände wie insbesondere der Merkmale des betreffenden Markts, der Art der durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen, der Größe des Gebiets und des quantitativen Umfangs der Benutzung sowie deren Häufigkeit und Regelmäßigkeit erfüllt sind (Rn 56). Die Größe des Gebiets, in dem die Marke benutzt wird, wird vom EuGH als einer jener Faktoren genannt, der bei der Entscheidung, ob die Benutzung ernsthaft ist, neben anderen Umständen zu berücksichtigen ist (Rn 36; vgl auch C‑416/04 P, Sunrider/HABM [VITAFRUIT], Rn 76). Erst jüngst hat der EuGH mit Urteil vom 17. 7. 2014 zu C-141/13 P , Reber/HABM [Walzertraum], ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung zurückgewiesen, mit der das EuG eine ernsthafte Benutzung einer Marke in der Gemeinschaft unter anderem auch wegen des nur lokal beschränkten Vertriebs der durch die Marke geschützten Waren (ungeachtet der Werbung im Internet) verneint hat.

3. Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Das Rekursgericht hat die Größe des Gebiets, in dem die Marke benutzt wird (Stadtteil von London), im Sinne dieser Judikatur als ein Kriterium für die Beurteilung nach Art 15 Abs 1 GMV herangezogen, die Verneinung einer ernsthaften Benutzung in der Gemeinschaft aber nicht allein darauf gestützt. Vielmehr hat es auch geprüft, welche Aktivitäten die klagende Partei unternommen hat, die auf eine Nutzung der Marke für die Dienstleistungen Verpflegung und Beherberung von Gästen oder die Bewerbung ihres Restaurants hindeuten, und sich auch mit dem Betrieb einer Website und der Aufnahme des Lokals in einem Restaurantführer auseinandergesetzt. Damit stellte das Rekursgericht (für das Sicherungsverfahren ausreichend) auf die vom EuGH aufgestellten Kriterien ab.

4. Hängt ‑ wie auch in der hier zu beurteilenden Rechtssache ‑ eine Entscheidung von der Lösung einer Frage des Unionsrechts ab, so ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Nachprüfung dessen Anwendung auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH nur zulässig, wenn der zweiten Instanz bei Lösung dieser Frage eine gravierende Fehlbeurteilung unterlief (RIS‑Justiz RS0117100). Eine derartige Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor, weshalb der Revisionsrekurs der klagenden Partei zurückzuweisen ist.

5. Die beklagten Parteien haben zusätzlich zu ihrer Revisionsrekursbeantwortung einen Schriftsatz eingebracht. Dieser Schriftsatz verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0102887, RS0100170) und ist als unzulässig zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen; die klagende Partei hat ihnen daher die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung zu ersetzen.

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