OGH 13Os96/14p

OGH13Os96/14p15.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Christian L***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. April 2014, GZ 122 Hv 64/13w‑48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, und der Finanzstrafbehörde Dr. Vogt, des Angeklagten sowie des Verteidigers Mag. Juraczka zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00096.14P.0415.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen über die Geldstrafe, die Freiheitsstrafe, die Wertersatzstrafe und die Ersatzfreiheitsstrafen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird in der Sache selbst erkannt:

Christian L***** wird für die ihm zur Last liegenden Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 FinStrG und des vorsätzlichen Eingriffs in Monopolrechte nach §§ 11 dritter Fall, 44 Abs 1 FinStrG unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG gemäß §§ 38 Abs 1, 44 Abs 2 FinStrG zu

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian L***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 FinStrG (I) und des vorsätzlichen Eingriffs in (richtig) Monopolrechte nach §§ 11 dritter Fall, 44 Abs 1 FinStrG (II) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG sowie unter Bedachtnahme (§ 21 Abs 3 FinStrG) auf das Erkenntnis des Spruchsenats des Zollamts Wien vom 28. Februar 2012, Z 100‑2011/00058‑001, zu einer Freiheits‑ und einer Geldstrafe verurteilt.

Danach hat er im Bereich des Zollamts Wien vorsätzlich

(I) gewerbsmäßig Sachen, nämlich Zigaretten mit darauf entfallenden Verkürzungsbeträgen von insgesamt 71.923,30 Euro, hinsichtlich welcher von unbekannten Personen ein Schmuggel begangen worden war, gekauft (A und B) und verhandelt (B), indem er

(A) vor dem 16. Jänner 2013 in einverständlichem Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Bernd R***** 200.000 Stück (1.000 Stangen) erwarb,

(B) von August 2011 bis 8. Jänner 2013 150.180 Stück (750,9 Stangen) erwarb und davon (richtig [US 6]:) 25.000 Stück (125 Stangen) an im Urteil genannte Abnehmer verkaufte;

(II) durch den zu I geschilderten Ankauf von Zigaretten zur Ausführung von Finanzvergehen unbekannter Täter, die zu ihrem oder eines anderen Vorteil die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Verbote hinsichtlich des Handels von Monopolgegenständen verletzten, beigetragen (Bemessungsgrundlage 69.581,30 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Ihre dagegen ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen der Angeklagte auf Z 5 und 5a und die Staatsanwaltschaft auf Z 11, jeweils des § 281 Abs 1 StPO. Nur jene der Staatsanwaltschaft erweist sich, wie auch die Generalprokuratur zutreffend ausführt, als berechtigt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Diese richtet sich ausschließlich gegen die Schuldsprüche I/A und (im Umfang damit korrespondierender Tathandlungen) II.

Die Tatrichter stützten die Annahme der Täterschaft des Angeklagten unter anderem auf die (anhand des benützten Pkws, der Statur und der Kopfbedeckung vorliegende) Erkennbarkeit seiner Person auf dem im Tatortbereich aufgenommenen Überwachungsvideo (US 10 f). Indem die Mängelrüge (Z 5) auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen die Identifizierbarkeit des Angeklagten auf dieser Bildaufzeichnung sowie ‑ unter Hinweis auf die fehlende Ersichtlichkeit von „Manipulationen“ mit Zigaretten auf der Aufnahme ‑ den „Konnex zu irgendwelchen Tathandlungen“ bezweifelt, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die weiters kritisierten Erwägungen des Schöffensenats zu den vor der Tat liegenden „Vorgängen im Lager M*****“ (US 12 ff) scheiden als Anfechtungsbasis der Mängelrüge aus, weil das Erstgericht diesen Umständen im Rahmen der Beweiswürdigung bloß ergänzende Bedeutung beimisst. Die in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen kann nämlich aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nur dann bekämpft werden, wenn die Tatrichter darin erkennbar eine notwendige Bedingung für die Feststellungen einer entscheidenden Tatsache erblickt haben (RIS‑Justiz RS0116737, RS0099507), was hier nicht der Fall ist.

Soweit die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) bloß pauschal eine Begründung für die konstatierte Übergabe der Schmuggelware im Bereich des Zollamts Wien (US 6) vermisst, legt sie nicht deutlich und bestimmt dar, welche entscheidende Bedeutung dem Tatort vorliegend zukommen soll. Im Übrigen hat der Schöffensenat die diesbezügliche Feststellung zureichend auf die Ergebnisse der Sicherstellung im Lager in 1230 Wien gestützt (US 10 erster Absatz).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit bloß erneuten Spekulationen darüber, dass die auf dem Überwachungsvideo ersichtliche Person nicht eindeutig identifiziert werden könne, beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Zutreffend zeigt die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall; vgl RIS‑Justiz RS0085974; Lässig in WK2 FinStrG § 22 Rz 7) auf, dass das Erstgericht nicht auf das Erkenntnis des Spruchsenats des Zollamts Wien vom 28. Februar 2012, Z 100‑2011/00058‑001, hätte Bedacht nehmen dürfen, weil der Angeklagte die nunmehr abgeurteilten Finanzvergehen (zum Teil) nach dem genannten Zeitpunkt begangen hat. Dies führte zur Aufhebung des Ausspruchs über die (primäre) Freiheitsstrafe, die Geldstrafe und die korrespondierende Ersatzfreiheitsstrafe.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden war ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ überdies aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass das Erstgericht hinsichtlich des Ausspruchs über die Wertersatzstrafe die (zwingend vorgeschriebene) Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 19 Abs 5 FinStrG unterlassen hat (Z 11 dritter Fall; RIS‑Justiz RS0088035). Somit war auch dieser Ausspruch (samt jenem über die darauf bezogene Ersatzfreiheitsstrafe) aufzuheben.

Zur Strafneubemessung:

Bei der Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof den raschen Rückfall, das Vorliegen der Strafschärfungsvoraussetzungen des § 41 Abs 1 FinStrG, das Zusammentreffen mehrerer Finanzvergehen (§ 23 Abs 2 FinStrG iVm § 33 Abs 1 Z 1 StGB; vgl RIS‑Justiz RS0085962 [T4]), den Umstand, dass der Angeklagte schon wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten verurteilt worden ist (§ 23 Abs 2 FinStrG iVm § 33 Abs 1 Z 2 StGB), und die führende Beteiligung (§ 23 Abs 2 FinStrG iVm § 33 Abs 1 Z 4 StGB) als erschwerend. Mildernd war das reumütige Geständnis (§ 23 Abs 2 FinStrG iVm § 34 Abs 1 Z 17 StGB) zum Schuldspruch I/B zu berücksichtigen.

Davon ausgehend war neben dem Ausspruch einer Geldstrafe von 120.000 Euro (Strafrahmen 258.351,20 Euro), für den Fall deren Uneinbringlichkeit gemäß § 20 FinStrG einer Ersatzfreiheitsstrafe von vier Monaten, nach Maßgabe des § 15 FinStrG die Verhängung einer Freiheitsstrafe mit Blick auf die äußerst ungünstige spezialpräventive Prognose geboten. Diese ergibt sich daraus, dass der Angeklagte in den letzten Jahren bereits zweimal gerichtlich und einmal verwaltungsbehördlich (unter anderem) wegen gewerbsmäßiger Abgabenhehlerei im Zusammenhang mit geschmuggelten Zigaretten verurteilt wurde und ihn auch die zu AZ 83 Hv 120/09p des Landesgerichts für Strafsachen Wien erfolgte Verhängung einer primären Freiheitsstrafe von fünf Monaten nicht von der abermaligen Begehung von Finanzvergehen abhalten konnte. Somit sah sich der Oberste Gerichtshof zum Ausspruch einer einjährigen Freiheitsstrafe bestimmt, um den spezialpräventiven Erfordernissen zu genügen. Das bisher gezeigte Verhalten des Angeklagten und die mangelnde Wirkung früherer Abstrafungen lassen auch nicht erwarten, dass eine bedingte Strafnachsicht (§ 26 Abs 1 FinStrG iVm § 43 StGB) geeignet wäre, ihn von weiterer Delinquenz abzuhalten.

Der Wert der nicht sichergestellten Zigaretten beträgt 4.245 Euro (vgl US 19). Mit Blick darauf, dass die Schuld des Angeklagten im Verhältnis zu Bernd R***** und den Abnehmern Andreas Z***** sowie Anna S***** aufgrund führender Beteiligung bei den Taten erhöht ist, erscheint eine Wertersatzstrafe von 2.900 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 20 FinStrG zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) angemessen und auch ‑ unter Anlegung eines tat‑ und täterbezogenen Maßstabs ‑ nicht unverhältnismäßig (vgl § 19 Abs 5 FinStrG).

Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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