OGH 7Ob62/15s

OGH7Ob62/15s9.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Prinz‑Eugen‑Straße 20‑22, 1041 Wien, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** SE *****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2014, GZ 5 R 88/14v‑10, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 24. April 2014, GZ 18 Cg 100/13i‑6, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00062.15S.0409.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

„I. Die beklagte Partei ist schuldig, die Verwendung der nachstehend genannten Klauseln oder sinngleicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen und es weiters zu unterlassen, sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind:

'1. Sie (gemeint: die Prämie und die Versicherungssumme) unterliegen jenen Veränderungen des Versicherungstarifes, die sich aufgrund von Veränderungen des Gesamtindex der Verbraucherpreise 2000 oder bei dessen Entfall des entsprechenden Nachfolgeindex ergeben. Die jeweilige Tarifberechnung erfolgt unter Anwendung der Indexziffer des letzten Monats eines jeden Kalendervierteljahres (Berechnungsmonat). Die für die jeweilige Tarifberechnung gültige Indexziffer ist aus der Polizze ersichtlich.

Eine Tarifänderung wirkt auf die Prämie und Versicherungssumme frühestens ab der Prämien-hauptfälligkeit, die drei Monate nach Ablauf des Berechnungsmonats eintritt. Die Prämienhauptfälligkeit ist Tag und Monat, die auf der Polizze unter 'Ablauf der Versicherung' eingetragen sind. Beträgt der Unterschied mehr als 0,5 % und unterbleibt trotzdem ganz oder teilweise eine Wertanpassung, kann dieser Unterschied bei späteren Wertanpassungen angerechnet werden.

2. Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, die Wertanpassung unbeschadet des Fortbestandes der sonstigen Vertragsbestimmungen unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten auf den Zeitpunkt der nächsten Prämienhauptfälligkeit zu kündigen. Tritt nach der Kündigung eine Erhöhung des Tarifes aufgrund der Wertanpassung in Kraft, vermindert sich die Leistung von A***** im gleichen Verhältnis, in dem die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Prämie zu der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles gültigen Tarifprämie steht.'

II. Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils einmal österreichweit im redaktionellen Teil einer Samstagsausgabe der 'Neue Kronenzeitung' auf Kosten der beklagten Partei mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern zu veröffentlichen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 12.213,10 EUR (darin 1.509,35 EUR USt und 3.157 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist eine zur Unterlassungsklage nach § 28 KSchG berechtigte Institution (§ 29 KSchG).

Die Beklagte betreibt ein Versicherungsunternehmen und bietet ihre Leistungen in ganz Österreich an. Den von der Beklagten an Verbraucher vertriebenen Rechtsschutzversicherungen liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung (ARB 2012) zugrunde, deren Art 14 die im Spruch ersichtlichen Klauseln enthält.

Mit der vorliegenden Verbandsklage begehrte die Klägerin wie aus dem Spruch ersichtlich und stützte sich auf einen Verstoß gegen §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB sowie gegen § 6 Abs 1 Z 5, Abs 2 Z 3 und Abs 3 KSchG. Es bleibe unklar, um welchen Nachfolgeindex es sich handle, der Zeitpunkt einer Wertanpassung sei weder verständlich noch eindeutig, die Wirksamkeit einer Wertanpassung könne der Versicherer beliebig gestalten und er werde ermächtigt, Erhöhungen zu berücksichtigen und Senkungen nicht. Bei Kündigung der Anpassung werde der Versicherer ermächtigt, bei gleichbleibender Prämie die eigenen Leistungen unverhältnismäßig zu kürzen, was zu einem ständig steigenden Selbstbehalt für den Versicherungsnehmer führe. Die Klauseln seien überraschend und grob benachteiligend.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klauseln seien zur Sicherstellung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung erforderlich; die behaupteten Verstöße gegen die von der Klägerin genannten Gesetzesbestimmungen lägen nicht vor. Die Wertsicherung sei zwingend geboten, weil es sonst zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots sämtlicher Versicherungsnehmer komme und die Versicherungsleistung auf die Versicherungssumme zum Vertragsabschlusszeitpunkt eingefroren werde. Die Versicherungsnehmer würden in Anbetracht der ständig steigenden Streitwerte und der damit verbundenen Kostenbelastung Gefahr laufen, die Anwaltskosten durch die dann eingefrorene Versicherungssumme nicht mehr zahlen zu können. Für einen verständigen Versicherungsnehmer seien die Klauseln einfach nachvollziehbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klauseln seien nicht intransparent, zumal bei Beurteilung dieser Frage eine gewisse Mindestkundigkeit des Verbrauchers unterstellt werden müsse. Das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG bedeute nicht, dass jede Unklarheit von vornherein ausgeschaltet sein müsse; daher sei auch der Hinweis auf einen allenfalls dem Verbraucherpreisindex nachfolgenden Index zulässig. Der Zeitpunkt einer Wertanpassung sei unmissverständlich definiert; es handle sich nicht um eine einseitige Entgeltänderung. Die zweite beanstandete Klausel eröffne dem Versicherungsnehmer eine Kündigungsmöglichkeit, wodurch ein vollständiges Äquivalent von Leistung und Gegenleistung sichergestellt werde. Dies sei sachlich gerechtfertigt; die Klausel sei weder intransparent noch überraschend oder nachteilig.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Das Interesse der Beklagten an einer Wertsicherungsklausel sei nicht zu bezweifeln; der von der Statistik Austria veröffentlichte Verbraucherpreisindex stelle einen objektiven Anknüpfungspunkt dar. Die Klausel 1 sei zweiseitig und entspreche daher dem Gleichheitsgebot des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG. Das Wort „frühestens“ habe zur Folge, dass zumindest eine dreimonatige Vorlaufzeit für die Anpassung von Prämie und Versicherungssumme bestehe und nicht für alle Verträge zeitgleich die Prämienhauptfälligkeit eintrete; der Beklagten werde dadurch kein ungerechtfertigter Spielraum eingeräumt. Die spätere Anrechnung unterbliebener Anpassungen gelte für beide Seiten und sei daher nicht unzulässig. Die Klausel 2 sei ebenfalls weder ungewöhnlich noch überraschend oder nachteilig, weil einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer klar sein müsse, dass eine Kündigung der Wertanpassung mit Konsequenzen verbunden sei. Da sich die Versicherungsleistung durch eine einfache Verhältnisgleichung errechnen lasse, liege auch hier keine Intransparenz vor.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil die zu prüfenden Klauseln eine große Anzahl von Kunden beträfen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

I. Zu den beanstandeten Klauseln:

1. Die beiden zu prüfenden Klauseln befinden sich in Art 14 ARB 2012 (in der Folge: ARB). Dieser lautet:

Wann verändern sich Prämie und Versicherungssumme? (Wertanpassung)

1. Die Prämie und die Versicherungssumme sind aufgrund des bei Abschluss des Vertrages geltenden Versicherungstarifes erstellt. Sie unterliegen jenen Veränderungen des Versicherungstarifes, die sich aufgrund von Veränderungen des Gesamtindex der Verbraucherpreise 2000 oder bei dessen Entfall des entsprechenden Nachfolgeindex ergeben. Die jeweilige Tarifberechnung erfolgt unter Anwendung der Indexziffer des letzten Monats eines jeden Kalendervierteljahres (Berechnungsmonat). Die für die jeweilige Tarifberechnung gültige Indexziffer ist aus der Polizze ersichtlich.

2. Eine Tarifänderung wirkt auf die Prämie und Versicherungssumme frühestens ab der Prämienhauptfälligkeit, die drei Monate nach Ablauf des Berechnungsmonats eintritt. Die Prämienhauptfälligkeit ist Tag und Monat, die auf der Polizze unter 'Ablauf der Versicherung' eingetragen sind. [...] Beträgt der Unterschied mehr als 0,5% und unterbleibt trotzdem ganz oder teilweise eine Wertanpassung, kann dieser Unterschied bei späteren Wertanpassungen angerechnet werden. “ [„Klausel 1“]

3. Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, die Wertanpassung unbeschadet des Fortbestandes der sonstigen Vertragsbestimmungen unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten auf den Zeitpunkt der nächsten Prämienhauptfälligkeit zu kündigen. Tritt nach der Kündigung eine Erhöhung des Tarifes aufgrund der Wertanpassung in Kraft, vermindert sich die Leistung von A***** im gleichen Verhältnis, in dem die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Prämie zu der im Zeitpunkt des Versicherungsfalles gültigen Tarifprämie steht. “ [„Klausel 2“]

2. Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

2.1. Im Rahmen der Verbandsklage hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0016590). Eine geltungserhaltende Reduktion kann ‑ wie auch im Individualprozess ‑ nicht stattfinden (RIS‑Justiz RS0038205 [insb T20]).

2.2. Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB geht der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vor (RIS‑Justiz RS0037089). Objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnen (RIS‑Justiz RS0014646). Die Ungewöhnlichkeit ist objektiv zu verstehen. Die Subsumtion hat sich an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren. Ein Abstellen auf die subjektive Erkennbarkeit gerade für den anderen Teil ist daher ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0014627). Erfasst sind alle dem Kunden nachteiligen Klauseln; eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RIS‑Justiz RS0123234).

2.3. Gemäß § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“. Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB schon dann vor, wenn es für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (stRsp RIS‑Justiz RS0016914; RS0014676).

2.4. Nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG ist eine Klausel nicht verbindlich, nach der dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine Leistung ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zusteht, es sei denn, dass der Vertrag bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen für eine Entgeltänderung auch eine Entgeltsenkung vorsieht, dass die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt sind und dass ihr Eintritt nicht vom Willen des Unternehmers abhängt. Der Gestaltungsspielraum des Unternehmers muss daher im Vertrag klar umschrieben sein. Das ist nur dann der Fall, wenn der maßgebliche Sachverhalt hinreichend deutlich, eindeutig und unmissverständlich beschrieben wird. Außerdem gilt nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG das Erfordernis der Zweiseitigkeit von Preisgleitklauseln, weshalb bei einer Änderung der für die Preisbildung maßgeblichen Parameter der Unternehmer gegebenenfalls auch zu einer Entgeltsenkung verpflichtet sein muss. Ohne eine solche Verpflichtung bzw ohne eine solche „Anpassungssymmetrie“ (dazu Langer in Kosesnik‑Wehrle, KSchG3 § 6 Rz 30 mwN; Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 6 Abs 1 Z 5 KSchG Rz 3) ist die Klausel nichtig. Allgemein darf eine Entgeltänderung gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG außerdem nur dann erfolgen, wenn sie ‑ neben den dargestellten Voraussetzungen ‑ auch sachlich gerechtfertigt ist, etwa durch betriebswirtschaftliche oder vergleichbare Gründe (10 Ob 125/05p; Krejci in Rummel, ABGB3 § 6 KSchG Rz 73).

3. Bei der Rechtsschutzversicherung sorgt der Versicherer für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers in den im Vertrag umschriebenen Bereichen und trägt die dem Versicherungsnehmer dabei entstehenden Kosten (§ 158j Abs 1 erster Satz VersVG). Die Rechtsschutzversicherung ist eine passive Schadenversicherung und keine Sachversicherung (RIS‑Justiz RS0127808).

3.1. Die Beklagte leitet eine sachliche Rechtfertigung für die in Art 14 ARB enthaltene Wertanpassungsklausel im Wesentlichen daraus ab, dass ihre Leistung regelmäßigen inflationsbedingten Verteuerungen ausgesetzt und daher eine entsprechende Anpassung erforderlich sei.

Zu beachten ist allerdings, dass die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung in der Kostenübernahme besteht und daher ‑ im Unterschied zu jeder Form einer Sachleistung ‑ auch die Versicherungssumme und die Leistung selbst denselben inflationsbedingten Schwankungen ausgesetzt ist, die für die Versicherungsprämien gelten. Während eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelte Anpassung des Entgelts für die Leistung einer in ihrem (Gebrauchs-)Wert gleichbleibenden Ware oder Dienstleistung an inflationsbedingte Veränderungen allenfalls sachlich gerechtfertigt erscheinen mag, lässt sich dieses Argument auf die Kostenübernahme für bestimmte Versicherungsfälle nicht ohne weiteres übertragen.

3.2. Art 14 ARB regelt die Wertanpassung insgesamt und ist als Einheit zu beurteilen.

Grundsätzlich wird die Äquivalenz zwischen Versicherungssumme und Prämie beim Vertragsabschluss festgelegt. Der Versicherungsnehmer wählt mit der Höhe der Versicherungssumme den Umfang der von ihm gewünschten Deckung. Sollte der Wert der Versicherungssumme inflationsbedingt sinken, liegt es an den Parteien, ob und in welchem Ausmaß sie eine Anpassung des Versicherungsvertrags vornehmen wollen. Es steht dem Versicherungsnehmer aber frei, eine Erhöhung abzulehnen, wenn er sie für sich als nicht notwendig erachtet. Dann ändert sich an der Äquivalenz zwischen Versicherungssumme und Prämie nichts. Die Leistungen im Versicherungsfall bleiben unverändert.

Durch die Klausel wird die Wertanpassung für den Versicherungsnehmer verpflichtend. Schon dafür besteht kein schutzwürdiges Interesse des Versicherers, weil ‑ wie dargelegt ‑ nicht nur die Prämie, sondern auch die Versicherungssumme gleichermaßen der Inflation unterliegen, sich die Äquivalenz daher gerade nicht verschiebt. Durch die Klausel sichert sich der beklagte Versicherer vielmehr die stetige Erhöhung der Prämie, wenn auch gegen Erhöhung der Versicherungssumme, unabhängig vom konkreten Willen des Versicherungsnehmers.

3.3. Die Kündigung der Wertanpassung ist noch dazu mit einer Sanktion in „Klausel 2“ versehen (Art 14 Punkt 3 ARB). Im Fall einer Tariferhöhung kürzt der Versicherer seine Leistung (in jedem künftigen Versicherungsfall), was in keinem Zusammenhang mit der vereinbarten Versicherungssumme, die dann gleich bleibt, steht. Damit wird das im Versicherungsvertrag vereinbarte Äquivalenzverhältnis einseitig und ohne gerechtfertigten Grund zugunsten des Versicherers verändert, denn er muss nun nicht mehr (nur) begrenzt durch die Versicherungssumme Leistungen erbringen, sondern kann diese noch entsprechend der Tarifänderungen kürzen. Diese durch die Klauseln herbeigeführte einseitige Benachteiligung des Versicherungsnehmers ist überraschend, sachlich nicht gerechtfertigt und grob benachteiligend.

Dem Versicherer bleibt es unbenommen, seine Vertragspartner auf das Risiko einer ‑ etwa im Fall einer längere Zeit gestiegenen oder kurzfristig erheblichen Inflation ‑ drohenden Unterversicherung aufmerksam zu machen und eine entsprechende Leistungsanpassung anzubieten. Die in Art 14 ARB vorgesehene zwingende und unter Sanktion gestellte Wertanpassung ist aber unwirksam. Sie verstößt gegen die §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB.

3.4. Abgesehen davon ist die durch § 6 Abs 1 Z 5 KSchG gebotene Zweiseitigkeit der beanstandeten „Klausel 1“ nicht gegeben. Allfällige Senkungen aufgrund von Indexveränderungen, die mehr als 0,5 % betragen, können ‑ müssen aber nicht ‑ vom Versicherer bei späteren Wertanpassungen angerechnet werden. Für den Versicherten besteht hingegen keine Möglichkeit, eine entsprechende Reduktion einzufordern oder gar durchzusetzen.

Der Einwand, eine gesetzwidrige Klausel werde in der Praxis anders gehandhabt, ist im Verbandsprozess unerheblich (RIS‑Justiz RS0121943).

II. Zum Veröffentlichungsbegehren:

Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren gegen das Veröffentlichungsbegehren lediglich eingewendet, dieses sei „überschießend und punitiv“; sachgerechter sei eine allfällige Veröffentlichung im Amtsblatt der Wiener Zeitung.

Gemäß § 30 Abs 1 KSchG iVm § 25 Abs 3 UWG hat das Gericht der obsiegenden Partei bei berechtigtem Interesse auf Antrag die Befugnis zuzusprechen, das Urteil innerhalb bestimmter Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen. Das „berechtigte Interesse“ an der Urteilsveröffentlichung liegt bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin, dass der Rechtsverkehr bzw die Verbraucher als Gesamtheit das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz‑ bzw sittenwidrig sind (RIS‑Justiz RS0079764 [T22]). Durch die Aufklärung wird die Aufmerksamkeit der Verbraucher für die Unzulässigkeit von Vertragsbestandteilen geschärft und es wird ihnen damit erleichtert, ihre Rechte gegenüber dem Unternehmer wahrzunehmen (RIS‑Justiz RS0079764 [T25]).

Mit Rücksicht auf die von der Beklagten österreichweit angebotenen Leistungen ist die begehrte Veröffentlichung der zu unterlassenden Klauseln in einer bundesweit erscheinenden Tageszeitung angemessen. Dementsprechend ist das Veröffentlichungsinteresse zu bejahen.

III. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat der zur Gänze obsiegenden Klägerin die gesamten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte