OGH 10Ob12/15k

OGH10Ob12/15k24.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der nunmehr volljährigen V*****, geboren am *****, und des mj L*****, geboren am *****, wegen Übertragung der Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dr. A*****, vertreten durch Mag. Willibald Berger, Rechtsanwalt in Marchtrenk, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 3. Dezember 2014, GZ 21 R 44/14s, 21 R 52/14t‑267, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00012.15K.0324.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird

1. hinsichtlich der seit ***** volljährigen V***** mangels Beschwer als unzulässig zurückgewiesen und

2. hinsichtlich des mj L***** mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

1. Die mittlerweile volljährige V***** und der minderjährige L***** sind die Kinder des Dr. A***** K***** und der Dr. K***** K*****. Die Ehe der Eltern ist geschieden. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. Oktober 2004 betraute das Erstgericht die Mutter allein mit der Obsorge für V***** und L*****.

Der Vater beantragte seither wiederholt, der Mutter die Obsorge für die beiden Kinder zu entziehen und an ihn zu übertragen. Seine Anträge blieben jeweils erfolglos. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der neuerliche Antrag des Vaters auf Übertragung der Obsorge für V***** und L*****. Die Mutter sprach sich gegen die Übertragung der Obsorge aus.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet der Familien‑, Kinder‑ und Jugendpsychologie stellte es im Wesentlichen fest, es finde sich kein Hinweis auf eine aktuell bestehende Psychopathologie bzw akute Gefährdung der Kinder durch die Obsorge der Mutter. Beide Kinder scheinen in liebevoller Art und Weise sowohl dem Vater als auch der Mutter zugetan. Es besteht kein Hinweis, dass die Kinder durch einen der Elternteile in irgendeiner Form Misshandlungen ausgesetzt wären. Rechtlich ging das Erstgericht ‑ zusammengefasst ‑ davon aus, ein Wechsel in der mit der Obsorge betrauten Person setze eine Gefährdung der Interessen des Kindes voraus und dürfe nur als äußerste Notmaßnahme unter Anlegung eines strengen Maßstabs angeordnet werden. Nach Möglichkeit sei ein Wechsel in der Obsorge zu vermeiden. Dass eine Gefährdung des Wohls von V***** und L***** gegeben wäre, habe das Verfahren nicht erbracht Der Verbleib bei der Mutter entspreche zudem dem ausdrücklichen Wunsch beider Kinder.

Das Rekursgericht gab mit seiner Entscheidung vom 3. Dezember 2014 dem Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Rechtlich billigte es die Rechtsansicht des Erstgerichts. Hinsichtlich V***** bedürfe es der vom Vater beantragten Verfahrensergänzung nicht. Da V***** bereits am ***** ‑ also nur zehn Tage nach dem Datum der Entscheidung des Rekursgerichts ‑ volljährig werde, wäre eine Obsorgeübertragung an den Vater ‑ selbst bei Stattgebung dessen Antrags auf Einholung eines erwachsenenpsychologischen Gutachtens ‑ nicht mehr effektuierbar. Defizite bei der Entwicklung von L*****, die durch eine Übertragung der Obsorge an den Vater beseitigt werden und das Postulat der Erziehungskontinuität in den Hintergrund treten lassen könnten, seien den Beweisergebnissen nicht ansatzweise zu entnehmen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der am 27. Jänner 2015 eingebrachte (und nach Verbesserungsauftrag am 9. Februar 2015 nach Anwaltsunterfertigung wieder vorgelegte) außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist als unzulässig zurückzuweisen.

1. Zum Antrag auf Übertragung der Obsorge für V*****:

Seit ***** ist V***** volljährig. Gemäß § 183 Abs 1 ABGB ist damit die Obsorge erloschen. Dem nach Eintritt der Volljährigkeit erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen die Obsorgeentscheidung fehlt die Beschwer, müsste diese doch zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen (RIS‑Justiz RS0041770; RS0002495; RS0006598).

2. Zum Antrag auf Übertragung der Obsorge für L*****:

Eine Entscheidung über die Übertragung der Obsorge an einen Elternteil ist immer eine solche des Einzelfalls. Ihr kommt regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu, wenn dabei ausreichend auf das Kindeswohl Bedacht genommen wurde (RIS‑Justiz RS0115719; RS0007101). Eine Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Rekursgericht, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste, wird im außerordentlichen Revisionsrekurs nicht aufgezeigt. Nach der Lebenserfahrung ist die Kontinuität der Lebensverhältnisse Grundbedingung für eine erfolgreiche und damit dem Wohl des Kindes dienende Erziehung (RIS‑Justiz RS0047928). Die Entscheidung des Rekursgerichts trägt diesem Grundsatz Rechnung und entspricht damit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Soweit sich der Vater inhaltlich gegen die von den Tatsacheninstanzen aufgrund des Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen wendet, spricht er Fragen der Beweiswürdigung an, die vom Obersten Gerichtshof auch im außerstreitigen Verfahren nicht mehr überprüft werden können (RIS‑Justiz RS0007236 [T2, T3 und T4]). Dazu gehört auch die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich ist (RIS‑Justiz RS0043414). Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen sind die im Revisionsrekurs behaupteten „psychischen Misshandlungsangriffe“ der Mutter gegen L***** nicht gegeben und ist deren Erziehungsfähigkeit weiterhin uneingeschränkt zu bejahen.

Soweit der Revisionsrekurs (auch) den mj L***** betrifft, ist er daher mangels einer Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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