European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00009.15D.0226.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte vom Beklagten als damaligem Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der A*****GmbH i.L. die Herausgabe mehrerer Fahrzeuge. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 29. Jänner 2013 schlossen die Parteien einen acht Punkte umfassenden gerichtlichen Vergleich (ON 26). Der allein zum Widerruf berechtigte Beklagte erklärte mit Bekanntgabe vom 20. März 2013, dass der Vergleich vom Insolvenzgericht rechtskräftig genehmigt worden sei und daher nicht widerrufen werde. Am 21. März 2013 bestätigte das Erstgericht die Rechtswirksamkeit des Vergleichs.
Die Klägerin beantragte am 13. Oktober 2014 die Fortsetzung des Verfahrens gegen die im Antrag als Beklagte geführte A*****GmbH i.L., Nachfolger ***** Holding Ltd., *****. Der am 29. Jänner 2013 abgeschlossene Vergleich sei inzwischen aufgehoben worden; außerdem habe er weder eine Generalklausel noch einen Hinweis darauf enthalten, dass damit das Klagebegehren erledigt worden sei.
Das Erstgericht wies den Antrag mit Hinweis darauf ab, dass das Verfahren durch Vergleich beendet worden sei.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge. Die Gemeinschuldnerin sei am 23. April 2014 nach Verteilung des Massevermögens und Aufhebung des Insolvenzverfahrens von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht worden. Der Rekurs sei unabhängig von der Frage der Parteifähigkeit der Beklagten unberechtigt, weil auch nach einer (hier gar nicht erwiesenen) erfolgreichen Bekämpfung eines Prozessvergleichs mit selbständiger Klage die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs nicht beseitigt werde. Ansprüche aus dem Wegfall der Vergleichsvereinbarung müssten durch gesonderte Klage geltend gemacht werden. Die Behauptung, das Klagebegehren sei mit dem Vergleich nicht erledigt worden, könne bei objektiver Betrachtung des Vergleichsinhalts nicht nachvollzogen werden, zumal über nahezu alle Fahrzeuge eine Regelung und auch eine Vereinbarung über die Kostentragung getroffen worden sei. Eine Generalklausel müsse nicht enthalten sein, weil eine solche die über den Prozessgegenstand hinausgehenden wechselseitigen Ansprüche und Forderungen betreffe.
Der Revisionsrekurs sei jedenfalls unzulässig, weil im Verfahren über den nach einem prozessbeendenden Vergleich gestellten Fortsetzungsantrag die Ausnahmebestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 letzter Halbsatz ZPO nicht anwendbar sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs“ der Klägerin.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
1. Die Frage, ob ein Vergleich den Prozess tatsächlich beendet, ist ausschließlich nach Prozessrecht zu beurteilen; die prozessuale Unwirksamkeit eines Vergleichs kann von den Parteien nur durch einen Fortsetzungsantrag geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0000093; RS0032464 Klauser/Kodek, JN‑ZPO17 § 204 E 55, E 55a; Gitschthaler in Rechberger, ZPO4 §§ 204‑206 Rz 25). Materielle Mängel eines Prozessvergleichs sind hingegen durch selbständige Klage geltend zu machen (5 Ob 209/07g; Klicka in Fasching/Konecny 2 § 206 Rz 43 mwN). Auch nach erfolgreicher Bekämpfung des Prozessvergleichs mit selbständiger Klage fällt die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs nicht weg, sondern Ansprüche aus dem Wegfall der Vergleichsvereinbarung müssen durch gesonderte Neueinklagung erhoben werden (Klicka in Fasching/Konecny 2 § 206 Rz 44).
2. Hier hat das Rekursgericht ‑ so wie schon das Erstgericht ‑ die prozessuale Wirksamkeit des Vergleichs und damit dessen prozessbeendende Wirkung bejaht und demgemäß die Abweisung des Fortsetzungsantrags der Klägerin durch das Erstgericht bestätigt. Diese Entscheidung des Rekursgerichts ist ‑ wie schon das Rekursgericht richtig erkannt hat ‑ gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbar:
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Gleichstellung der Ab‑ und Zurückweisung eines Fortsetzungsantrags mit der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen (nur) dann gerechtfertigt, wenn die Verweigerung der Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens gleichzeitig auch die Verweigerung der Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag des Klägers oder des Beklagten bedeutet. Eine Ausnahme vom Anfechtungsausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO besteht daher (nur) dann, wenn durch einen zweitinstanzlichen Beschluss die weitere Prozessführung abgeschnitten wird (7 Ob 94/04f; 1 Ob 178/02m ua). Im Falle der Aktenkundigkeit einer prozessbeendenden Entscheidung oder eines dieser gleichzuhaltenden prozessbeendenden Vergleichs ist die Ausnahmebestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Fall ZPO hingegen grundsätzlich nicht anwendbar. Die (hier maßgebende) Frage der prozessualen Wirksamkeit eines prozessbeendenden Vergleichs kann bei einer bestätigenden Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz daher nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, denn in einem solchen Fall wird in Wahrheit nicht eine (erste) Entscheidung über den Rechtsschutzantrag, sondern eine neue (zweite) Entscheidung begehrt und die Verweigerung der Fortsetzung des Verfahrens bedeutet damit keine Verweigerung einer Entscheidung über den Rechtsschutzantrag (6 Ob 2022/96p; 8 Ob 222/02h; 1 Ob 178/02m; 8 Ob 61/03h; 8 ObA 55/09k).
3. Der Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts war daher als unzulässig zurückzuweisen.
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