European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00012.15F.0219.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Erkennbarkeit der Ersitzung eines Gehrechts, wenn sich diese nicht aus äußeren Umständen auf der Liegenschaft (im Allgemeinen Spuren von gewisser Dauer) ergibt, die auf eine Rechtsausübung schließen lassen.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war ein sichtbarer Weg in der Natur nicht vorhanden. Seit 1963 nutzten der Rechtsvorgänger der Kläger und dessen Familie, der Erstkläger selbst seit 1968/69 in einem nicht feststellbaren Ausmaß einen Feldrain auf dem Grundstück des Beklagten, um über diese Abkürzung ins Stadtzentrum und wieder retour zu gelangen. Vor 1987 hatte der Beklagte allerdings zu keinem Zeitpunkt Dritte ‑ mit Ausnahme von spielenden Kindern ‑ gehen gesehen, weil er sich nur zum Bearbeiten des Weingartens und zur Weinlese auf seinem Grundstück aufhielt. Es ist durchaus möglich, dass die Familie der Kläger den Feldrain für den Beklagten unbemerkt benutzten. Dies fiel dem Beklagten erst nach 1987 auf. Im Jahr 2012 lagerte der Beklagte hohe Holzkisten auf seinem Grundstück ab, sodass dessen Begehung nicht mehr möglich war und ist.
Die Vorinstanzen verneinten die Ersitzung eines Gehrechts über das Grundstück des Beklagten durch die Kläger. Das Berufungsgericht vertrat dabei die Auffassung, für den Beklagten sei die Nutzung des Feldrains als Weg vor 1987 nicht erkennbar gewesen, sodass im Jahr 2012 die dreißigjährige Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
1. Voraussetzung der Ersitzung einer Dienstbarkeit nach § 480 ABGB ist neben dem Zeitablauf und der Echtheit sowie der Redlichkeit des Besitzes eine derartige Beschaffenheit der Besitzausübung durch den Ersitzer, dass derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, die Ausübung eines bestimmten Rechts erkennen kann (stRsp, etwa 8 Ob 67/11b). Die Frage der Erkennbarkeit hängt dabei immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0033021), sodass sie regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellt, es sei denn es läge ein Fall grober Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vor (7 Ob 207/99p). Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben:
2. Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits mehrmals ausgesprochen, dass die Erkennbarkeit der Besitzausübung lediglich objektiv gegeben sein muss (5 Ob 70/04m; 8 Ob 67/11b). Diese objektive Erkennbarkeit scheiterte für den Beklagten ‑ im Gegensatz zu dem etwa der Entscheidung 5 Ob 70/04m zugrundeliegenden Sachverhalt ‑ aber schon mangels Vorhandenseins eines sichtbaren Wegs auf seinem Grundstück.
3. Nach der Rechtsprechung genügt für die Erkennbarkeit zwar, dass „vom dienenden Grundstück aus“ bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden konnten, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (9 Ob 92/06d unter Hinweis auf 8 Ob 134/63). Hier ist aber entscheidungswesentlich, dass kein sichtbarer Weg vorhanden war und sich der Beklagte im maßgeblichen Zeitraum nur zum Bearbeiten des Weingartens und zur Weinlese auf seinem Grundstück aufhielt und bei diesen Gelegenheiten nie jemanden bemerkte, der über sein Grundstück ging. Dass das Erstgericht die (konkreten) Zeiten und das Ausmaß des Begehens des klägerischen Grundstücks durch die Familie der Kläger nicht feststellen konnte, geht ‑ jedenfalls vor diesem Hintergrund ‑ zu Lasten der Kläger (RIS‑Justiz RS0034237, RS0034251), deren Revisionsausführungen, der Erstkläger und sein Rechtsvorgänger seien täglich zumindest zweimal „über den Weg“ gegangen, von den Feststellungen nicht gedeckt sind.
4. Die Revision der Kläger war somit zurückzuweisen.
Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen; lediglich den Antrag zu stellen, die Revision zurückzuweisen, reicht nicht aus. Der Schriftsatz ist daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Der Beklagte hat dessen Kosten selbst zu tragen.
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