OGH 6Ob9/15i

OGH6Ob9/15i19.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Beschwerdeführerin Mag.a C***** Ö*****, gegen den Beschwerdegegner Bund (Republik Österreich), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17‑19, wegen Verletzung des Grundrechts auf Geheimhaltung personenbezogener Daten (§ 85 GOG), über den Rekurs der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. November 2014, GZ 12 Nc 23/14w‑7, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Oberlandesgericht Wien zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zurückgestellt.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Klägerin im Verfahren 35 Cg 45/11y des Handelsgerichts Wien.

Mit ihrem beim Oberlandesgericht Wien am 22. 9. 2014 eingelangten Antrag begehrt die Beschwerdeführerin die Feststellung der Verletzung in ihren Rechten gemäß § 85 Abs 1 GOG iVm § 1 DSG 2000 und Art 8 EMRK in Bezug auf das angeführte Verfahren vor dem Handelsgericht Wien. Sie wirft dem Erstrichter vor, im Verfahren zur Erlangung der Verfahrenshilfe rechtswidrig in das VJ‑Register Einsicht genommen zu haben.

Die vom Oberlandesgericht Wien zur Stellungnahme aufgeforderte Finanzprokuratur beantragte, den Antrag der Beschwerdeführerin abzuweisen.

Mit Aktenvermerk vom 26. 11. 2014 hielt das Oberlandesgericht Wien fest, aus dem beigeschafften Anlassakt des Handelsgerichts Wien ergebe sich, dass zu 96 P 169/14f des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien seit 27. 6. 2014 ein Verfahren über die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die Beschwerdeführerin noch anhängig sei. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hatte mit Beschluss vom 25. 6. 2014 sein Verfahren 8 Cg 48/13g, in dem die Beschwerdeführerin Beklagte ist, gemäß § 6a ZPO unterbrochen und den Akt dem Pflegschaftsgericht zur Prüfung, ob bei der Beschwerdeführerin (dortige Beklagte) die Voraussetzungen gemäß § 268 ABGB vorlägen, übermittelt. Dem gegen diesen Beschluss von der Beschwerdeführerin erhobenen Rekurs gab das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht nicht Folge. Ein gegen diesen Beschluss gerichteter Rekurs der Beschwerdeführerin wurde vom erkennenden Senat zurückgewiesen (6 Ob 228/14v).

Im Verfahren zu 96 P 169/14f des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien liegt eine Entscheidung noch nicht vor.

Mit dem angefochtenen Beschlussübermittelte das Oberlandesgericht Wien seinen Akt über den Feststellungsantrag (§ 85 GOG) dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien als dem für die Antragstellerin zuständigen Pflegschaftsgericht zu 96 P 169/14f und unterbrach das Verfahren bis zur Mitteilung des Pflegschaftsgerichts über die von diesem gemäß § 6a ZPO getroffene Maßnahme.

Dagegen richtet sich der nicht von einem Rechtsanwalt unterschriebene Rekurs der Beschwerdeführerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den bekämpften Beschluss ersatzlos zu beheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Das Oberlandesgericht Wien legte den Akt mit diesem Rekurs dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Aktenvorlage ist aus folgenden Erwägungen verfrüht:

§ 85 Abs 5 Satz 1 bis 3 GOG lautet folgendermaßen:

„Das Gericht hat auszusprechen, ob die behauptete Rechtsverletzung stattgefunden hat, und gegebenenfalls dem zuständigen Gericht die erforderlichen Aufträge zu erteilen. Gegen die Entscheidung ist ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zulässig, sofern sie nicht ohnedies von diesem gefällt wurde und die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Das Rechtsmittel muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.“

Nach dem zweiten Satz der Bestimmung ist ein Rechtsmittel gegen die abschließende Sachentscheidung an den Obersten Gerichtshof nur unter der Voraussetzung einer erheblichen Rechtsfrage zulässig, wobei sich der Gesetzgeber ersichtlich an den Zulassungsvoraussetzungen nach § 62 Abs 1 AußStrG orientiert hat. Der erste Satz der Bestimmung spricht an sich nur die abschließende Sachentscheidung an. Nach der wörtlichen Auslegung der Bestimmung wären demnach etwa (selbstständig anfechtbare) bloß verfahrensleitende Beschlüsse (vgl § 45 Satz 2 AußStrG) wie der hier vorliegende selbstständig anfechtbare (§ 26 Abs 4 AußStrG iVm § 85 Abs 2 Satz 3 GOG) Unterbrechungsbeschluss von § 85 Abs 5 Satz 2 GOG („gegen die Entscheidung“) nicht erfasst und somit ohne Einschränkung auf eine erhebliche Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof überprüfbar. Es wäre aber ein Wertungswiderspruch, das Zulässigkeitskriterium der erheblichen Rechtsfrage nach § 85 Abs 5 Satz 2 GOG nur auf die abschließende Sachentscheidung anzuwenden, auf andere anfechtbare, nicht meritorische Entscheidungen während des Verfahrens aber nicht. Ein solcher Wertungswiderspruch kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Das Erfordernis der erheblichen Rechtsfrage nach § 85 Abs 5 Satz 2 GOG ist daher auf alle im Zuge eines Verfahrens nach § 85 GOG ergehenden selbstständig anfechtbaren Entscheidungen anzuwenden.

Die Beurteilung, ob eine Rechtsfrage, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, vorliegt, erfordert eine entsprechende Rechtskenntnis, über die unvertretene Parteien üblicherweise nicht verfügen. Die in § 85 Abs 5 Satz 3 GOG normierte absolute Anwaltspflicht ist daher nicht nur auf die abschließende Sachentscheidung, sondern auf sämtliche an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rechtsmittel im Verfahren nach § 85 GOG anzuwenden. Die absolute Anwaltspflicht gilt somit auch für den vorliegenden Rekurs gegen den Unterbrechungsbeschluss.

Das Oberlandesgericht Wien wird daher ein Verbesserungsverfahren dahingehend durchführen müssen, dass der Beschwerdeführerin innerhalb einer angemessenen Frist aufzutragen sein wird, das Rechtsmittel unterfertigt von einem Rechtsanwalt einzubringen (§ 10 Abs 4 AußStrG).

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