OGH 7Ob213/14w

OGH7Ob213/14w18.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Kreissl & Pichler & Walther Rechtsanwälte GmbH in Liezen, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 164.289,78 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. Oktober 2014, GZ 6 R 164/14a‑16, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 21. Juli 2014, GZ 7 Cg 114/13w‑12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.307,06 EUR (darin enthalten 384,51 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die G***** GmbH vermietete der Klägerin Büroräumlichkeiten, die im Jänner 2007 durch einen Sturm schwer beschädigt wurden. Die Beklagte war zu diesem Zeitpunkt Haftpflichtversicherer der Vermieterin. Das Verfahren über die von der Klägerin gegen die Vermieterin zu 8 Cg 10/07t des Landesgerichts Leoben eingebrachte Schadenersatzklage, den die Beklagte als Nebenintervenientin beitrat, wurde infolge Konkurseröffnung über das Vermögen der Vermieterin im Jänner 2010 unterbrochen. In ihrem Fortsetzungsantrag erwähnte die Klägerin nicht den ihr nach § 157 VersVG zustehenden und in ihrer Forderungsanmeldung noch geltend gemachten Absonderungsanspruch. Mit die erstinstanzliche Entscheidung abänderndem Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 31. 5. 2012, AZ 3 R 75/12t, wurde ‑ unter Abweisung eines Mehrbegehrens ‑ festgestellt, dass die Klagsforderung mit 164.289,78 EUR sA zuzüglich erstinstanzlicher Verfahrenskosten von 24.835,39 EUR als Konkursforderung zu Recht besteht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin in ihrem Fortsetzungsantrag das Absonderungsrecht nicht erwähnt und daher (bloß) eine Konkursforderung geltend gemacht habe. Eine daraufhin von der Klägerin beantragte Exekution gemäß § 294 EO auf die der Vermieterin gegen die Beklagte zustehende Versicherungsleistung wurde mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 18. 1. 2013, AZ 4 R 302/12d, mit der Begründung abgewiesen, dass der dem Exekutionsantrag zugrunde liegende Titel ein ‑ nicht vollstreckbares ‑ Feststellungsurteil sei. In der Folge traf die Klägerin unter Zustimmung der Vermieterin mit dem Masseverwalter am 3. 6. 2013 eine vom Gläubigerausschuss und vom Konkursgericht genehmigte Abtretungsvereinbarung, womit nach dem übereinstimmenden Willen der vertragschließenden Parteien der Deckungsanspruch der Konkursmasse gegen die Beklagte abgetreten wurde. Die Quote im Konkursverfahren betrug 0 %.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung von 164.289,78 EUR sA. Aufgrund der Abtretungsvereinbarung könne die Klägerin den der Vermieterin gegen die Beklagte zustehenden Befreiungsanspruch in Höhe der titelgemäß festgestellten Forderung selbst geltend machen. Gleiches gelte für den der Klägerin gesetzlich nach § 157 VersVG eingeräumten Absonderungsanspruch.

Die Beklagte wendete ein, dass der Masseverwalter die festgestellte Forderung und den Absonderungsanspruch nicht habe abtreten können, weil es sich dabei jeweils um eine Forderung der Klägerin gehandelt habe. Die Klägerin selbst habe nichts zu fordern, weil ihre Forderung nur als Konkursforderung festgestellt worden und sie auf die Quote beschränkt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Masseverwalter habe den der Versicherungsnehmerin gegen die Versicherung zustehenden Deckungsanspruch abgetreten. Dieser sei ein Sondervermögen, das nicht in die Konkursmasse falle, sondern zur Befriedigung des geschädigten Dritten diene. Die im Vorprozess unterbliebene Geltendmachung des Absonderungsrechts nach § 157 VersVG führe nicht dazu, dass die Klägerin dieses verloren hätte. Da der Klägerin ein Schadenersatzanspruch gegen die Masse zustehe, die Beklagte im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses Haftpflichtversicherer des Schädigers gewesen sei und die Masse ihren Anspruch gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten habe, sei diese zur direkten Inanspruchnahme der Beklagten berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Die Abtretung des Deckungsanspruchs durch den Masseverwalter im Konkursverfahren der Versicherungsnehmerin an die geschädigte Klägerin sei zulässig gewesen. In ihrer Hand habe sich der Deckungsanspruch in einen Leistungsanspruch verwandelt. Die Frage, ob es sich beim Urteil des Oberlandesgerichts Graz im Vorprozess um ein Urteil im Sinn des § 154 Abs 1 VersVG handle, das zur Umwandlung des Befreiungsanspruchs des Versicherungsnehmers in einen Zahlungsanspruch führe, stelle sich daher nicht. Auf das Absonderungsrecht nach § 157 VersVG könne das Klagebegehren hingegen nicht mit Erfolg gestützt werden, weil dieses kein direktes Klagerecht gegen den Versicherer verschaffe. Die Insolvenz ändere gemäß § 60 Abs 1 KO an der Zahlungspflicht des Schuldners nichts; demgemäß führe die Quote von 0 % zu keinem Entfall des Deckungsanspruchs der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte und sei ihr Deckungsanspruch uneingeschränkt auf die Klägerin übergegangen.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO für zulässig, weil es sich zu § 60 Abs 1 KO nur auf eine höchstgerichtliche Entscheidung berufen habe können, die zudem keine Abtretung des Deckungsanspruchs eines Versicherungsnehmers gegen den Haftpflichtversicherer an den Geschädigten zum Gegenstand gehabt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren abzuweisen.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Die Revisionswerberin meint, das Feststellungsurteil im Prüfungsprozess bewirke keine Fälligkeit des Versicherungsanspruchs nach § 154 Abs 1 VersVG. Dazu ist Folgendes auszuführen:

1.1. § 154 Abs 1 VersVG enthält keine Sondervorschriften für das Fälligwerden des einheitlichen Deckungsanspruchs aus der Haftpflichtversicherung, sondern ordnet an, wann der primär gar nicht auf eine Geldleistung gerichtete Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch übergeht (RIS‑Justiz RS0080609). Der - im vorliegenden Fall an sich unstrittige - Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers verwandelt sich nach dieser Gesetzesstelle in einen Zahlungsanspruch, wenn der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt wurde (RIS‑Justiz RS0080603).

1.2. Nach der Rechtsprechung stellt das Anerkenntnis einer im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderung durch den Insolvenzverwalter auch ein solches im Sinn des § 154 Abs 2 VersVG dar (RIS‑Justiz RS0128612). Da diese Bestimmung an den § 154 Abs 1 VersVG anknüpft, folgt daraus, dass eine Forderungsfeststellung nach den §§ 105 bis 109 KO (nunmehr IO) fälligkeitsauslösend im Sinn des § 154 Abs 1 VersVG wirkt (so zur vergleichbaren deutschen Rechtslage Koch in Bruck/Möller , VVG 9 , § 106 Rn 7; Retter in Schwintowski/Brömmelmeyer , PK‑VersR², § 106 Rn 9; Lücke in Prölls/Martin , VVG 28 , § 106 Rn 11).

1.3. Nichts anderes kann für ein in Rechtskraft erwachsenes (klagsstattgebendes) Urteil in einem nach § 110 KO (nunmehr IO) geführten Prüfungsprozess gelten, dient dieser doch der Forderungsfeststellung in jenen Fällen, in denen diese nicht durch Anerkenntnis des Masseverwalters und Unterbleiben der Bestreitung der Gläubiger auf einfache Weise bereits in der Prüfungstagsatzung erfolgen konnte (vgl dazu G. Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger , Österreichisches Involvenzrecht 4 , § 109 Rz 12). Diese Rechtsansicht lässt sich auch gut mit dem Wortlaut des § 154 Abs 1 VersVG in Einklang bringen, der bloß von der Feststellung des Anspruchs des Dritten durch ein rechtskräftiges Urteil spricht, sodass keineswegs ‑ wie von der Revisionswerberin vertreten ‑ ein Leistungsausspruch erforderlich ist.

1.4. Zusammenfassend ist daher Folgendes festzuhalten: Ein klagsstattgebendes Feststellungsurteil in einem nach § 110 KO (nunmehr IO) geführten Prüfungsprozess bewirkt die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs gemäß § 154 Abs 1 VersVG. Demnach konnte die Klägerin den ihr abgetretenen, nicht in die Konkursmasse fallenden (RIS‑Justiz RS0064041) Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers in Form einer Leistungsklage gegen die Beklagte geltend machen.

2. Der Revision der Beklagten ist daher ein Erfolg zu versagen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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