OGH 4Ob27/15x

OGH4Ob27/15x17.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** B*****, vertreten durch Dr. Günther Schmid, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.900 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 9. Dezember 2014, GZ 4 R 204/14v‑11, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 6. November 2014, GZ 3 Cg 71/14t‑3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00027.15X.0217.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche einstweilige Verfügung wieder hergestellt wird, ohne dass deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.642,64 EUR (darin 326,94 EUR USt und 681 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei verfügt über eine Bewilligung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung mittels Automaten nach dem oberösterreichischen Glücksspielautomatengesetz.

Die Beklagte betreibt in Linz ein Lokal und hat für diesen Standort eine Gewerbeberechtigung für Gastgewerbe in der Betriebsart eines Cafes. Sie verfügt weder über eine Konzession nach dem GSpG noch über eine Bewilligung nach dem oberösterreichischen Glücksspielautomatengesetz für das Aufstellen und den Betrieb von Glücksspielautomaten. Dennoch sind im Lokal nach dem Eingang drei derartige Automaten aufgestellt. Der Spieler hat dabei den jeweiligen Einsatz pro Spiel festzulegen, wobei der Mindesteinsatz 0,20 EUR und der Höchsteinsatz 10 EUR beträgt. Für einen Spieler besteht keine Möglichkeit, durch Geschicklichkeit in das Spiel einzugreifen und das Spielergebnis zu beeinflussen.

Zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruchs beantragte die klagende Partei, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in dem näher genannten Lokal in Linz, solange sie oder der Dritte, dem er die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglicht, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügt. Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da die Beklagte über keine solche Bewilligung verfügten, betreibe sie ein illegales Glücksspiel und verstoße auch gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).

Die Beklagte erstattete innerhalb der ihr binnen vier Wochen eingeräumten Frist keine Äußerung zum Verfügungsantrag. Erst nach Ablauf der Frist brachte sie vor, dass das GSpG und das oberösterreichische Glücksspielautomatengesetz unionsrechtswidrig seien. Aufgrund des ihr in den nächsten drei Jahre drohenden Umsatzrückgangs von 300.000 EUR beantragte sie, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheitsleistung in dieser Höhe abhängig zu machen.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren statt. Alle Ausspielungen in Oberösterreich, die nicht auf Basis einer bundesrechtlichen Konzession oder einer landesrechtlichen Bewilligung durchgeführt würden, seien illegales Glücksspiel. Die Beklagte verstoße gegen die eindeutigen Gesetzesbestimmungen des österreichischen Glückspielrechts, weshalb ein Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG vorliege. Auf unionsrechtliche Aspekte sei nicht weiter einzugehen, weil sich aus dem bescheinigten Sachverhalt kein grenzüberschreitender Sachverhalt ergebe. Davon abgesehen, wäre es auch nicht möglich, die für die Beurteilung einer Unionsrechtswidrigkeit notwendigen vielschichtigen Sachverhaltsdetails mit den Mitteln des Bescheinigungsverfahrens zu klären. Von der Auferlegung einer Sicherheitsleistung sei abzusehen, weil davon auszugehen sei, dass die Haupteinnahmequelle der Beklagten der gastgewerbliche Betrieb sei. Aufgrund ihrer verspätet eingebrachten Äußerung liege kein wirksames Vorbringen der Beklagten vor, auf das Rücksicht genommen werden müsste.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche einstweilige Verfügung, machte jedoch deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR abhängig; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die einstweilige Verfügung greife trotz Bescheinigung des Anspruchs gravierend in die Interessen der Beklagten ein. Es liege auf der Hand, dass der Umsatz von „Automatencafes“ im Kern davon abhänge, ob dort tatsächlich gespielt werden könne; die einstweilige Verfügung „vernichte daher das Geschäftsmodell der Beklagten“. Unter diesen Umständen sei die einstweilige Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, die mit 50.000 EUR zu bemessen sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine aktuelle gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofs bestehe, ob ohne Behauptung und Bescheinigung der Voraussetzungen durch die Beklagte in erster Instanz eine Sicherheitsleistung (amtswegig) aufzuerlegen ist.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei, mit dem sie die Abänderung der einstweiligen Verfügung dahin anstrebt, dass der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung entfällt, ist zulässig und berechtigt.

1. Auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs kann das Gericht dann die Bewilligung der einstweiligen Verfügung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nach den Umständen des Falls Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe der einstweiligen Verfügung in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestehen (§ 390 Abs 2 EO). Durch die Sicherheitsleistung wird in solchen Fällen die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RIS‑Justiz RS0005711; vgl auch RS0005595).

2. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung ist auch ohne einen in erster Instanz gestellten Antrag formell zulässig (4 Ob 251/97h; RIS‑Justiz RS0005496 [T1]). Das Rekursgericht hat den Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung auf Grundsätze der Entscheidung 4 Ob 145/14y gestützt. Der dortige Beklagte erstattete jedoch im erstinstanzlichen Verfahren ein ausreichendes Vorbringen zu jenen Umständen, aus denen sich ein schwerwiegender Eingriff in Interessen, der eine Sicherheitsleistung rechtfertigt, erschließen ließ.

3. Für die hier zu prüfende Frage der Sicherheitsleistung ist davon auszugehen, dass sich die Beklagte am erstinstanzlichen Verfahren gar nicht beteiligt hat. Ihre verspätete Äußerung war zufolge § 56 Abs 2 und 3 EO nicht zu berücksichtigen. Andernfalls wären die Erteilung einer Frist und die vom Gesetz angeordneten Säumnisfolgen bedeutungslos (3 Ob 259/06v; RIS‑Justiz RS0002096; Jakusch in Angst, EO2 § 56 Rz 6; Rassi in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 56 EO Rz 15). Das gilt auch dann, wenn ‑ wie hier ‑ die Äußerung noch vor der Erlassung der einstweiligen Verfügung bei Gericht eingelangt ist (Jakusch aaO mwN).

4. Wurden somit Umstände, aus denen sich ein schwerwiegender Eingriff, der eine Sicherheitsleistung rechtfertigt, erschließen ließe, vom Gegner der gefährdeten Partei mangels Beteiligung nicht behauptet und sind sie auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen, dann ist die Sicherheitsleistung nicht aufzutragen (1 Ob 511/95; 4 Ob 225/07b; RIS‑Justiz RS0005595[T15]; E. Kodek in Angst, EO² § 390 Rz 6; G. Kodek in Burgstaller/Deixler‑Hübner, § 390 EO Rz 99).

5. Nach den Feststellungen verfügt die Beklagte am Standort ihres Lokals über eine Gewerbeberechtigung für Gastgewerbe in der Betriebsart eines Cafes. Anhaltspunkte dafür, sie betreibe ein „Automatencafe“, welches Geschäftsmodell durch die einstweilige Verfügung „vernichtet“ werde, sind nicht ersichtlich. Unter diesen Umständen entbehrt der Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung jeglicher Sachgrundlage (vgl zuletzt zB 4 Ob 149/14m; 4 Ob 188/14x).

6. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und die erstgerichtliche einstweilige Verfügung wieder herzustellen, ohne dass deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen ist.

7. Der Streit über den Auftrag zum Erlag der Sicherheit ist ein Zwischenstreit. Die im Zwischenstreit unterlegene Beklagte hat ihre Kosten im Zwischenstreit selbst zu tragen (§ 40, 50 ZPO) und der klagenden Partei die Kosten des erfolgreichen Revisionsrekurses zu ersetzen (vgl RIS‑Justiz RS0036016).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte