OGH 5Ob3/15z

OGH5Ob3/15z27.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerinnen 1. I***** GmbH & Co KG, *****, und 2. Dr. Christa W*****, beide vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die übrigen Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** laut Grundbuch als Antragsgegner, wegen Anfechtung nach § 24 Abs 6 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 30. Oktober 2014, GZ 4 R 313/14d‑7, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 26. September 2014, GZ 31 Msch 1/14h‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00003.15Z.0127.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Zwei Wohnungseigentümerinnen begehrten mit ihrem verfahrenseinleitenden Antrag die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft und bezeichneten als Antragsgegner „die übrigen Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****, gemäß beiliegendem Grundbuchsauszug“.

Soweit im Revisionsrekursverfahren noch relevant, trug das Erstgericht den Antragstellerinnen auf, den Antrag binnen 14 Tagen durch die Angabe sämtlicher Wohnungseigentümer samt ladungsfähigen Anschriften zu verbessern. Dieser Auftrag blieb erfolglos, worauf das Erstgericht den verfahrenseinleitenden Antrag als zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung nicht geeignet zurückwies.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Zwar finde sich die auch hier gewählte Bezeichnung der Antragsgegner in mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, der aber auch in anderen Entscheidungen unter der Bezeichnung „übrige Mit‑ und Wohnungseigentümer“ namentlich genannte Antragsgegner angeführt habe. Die Bezeichnung der Antragsgegner in dieser Form werde daher in der Praxis toleriert, was noch nicht ihre Richtigkeit bedeute. Nach § 37 Abs 3 Z 1 MRG, der auch in diesem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren gelte, könne in den Fällen, in denen wie hier auf einer Seite mehr als sechs Personen Parteistellung zukomme, im verfahrenseinleitenden Antrag die namentliche Nennung dieser Personen durch die allgemeine Bezeichnung ihrer Rechtsstellung die Vorlage eines Verzeichnisses dieser Personen ersetzt werden. Daraus folge eindeutig, dass erst ab dem siebten Antragsgegner die namentliche Nennung im verfahrenseinleitenden Antrag nicht nötig sei. Eine andere Interpretation sei sinnwidrig, würde sie nämlich nur dazu führen, dass bis einschließlich sechs Antragsgegnern die jeweilige namentliche Nennung zwingend vorgesehen sei, bei einer größeren Parteienmehrheit dann aber nicht einmal sechs, sondern kein einziger Antragsgegner namentlich bezeichnet werden müssten. Zudem müsse der verfahrenseinleitende Antrag zusätzlich zum Hausanschlag stets einem vom Gericht zu bestimmenden Wohnungseigentümer mit Zustellnachweis zugestellt werden. Auch der Oberste Gerichtshof habe gefordert, im Kopf der anzuschlagenden Entscheidung sämtliche Parteien ausdrücklich anzuführen, um dadurch die Warnfunktion für die Wohnungseigentümer zu erhöhen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zu dieser Frage keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Kommt auf einer Seite mehr als sechs Personen Parteistellung zu, so kann im verfahrenseinleitenden Antrag die namentliche Nennung dieser Personen durch die allgemeine Bezeichnung ihrer Rechtsstellung und die Vorlage eines Verzeichnisses dieser Personen ersetzt werden (§ 37 Abs 3 Z 1 MRG).

2. Mit dieser Bestimmung, die nach § 52 Abs 2 WEG auch in diesem wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren anzuwenden ist, wurde die Anordnung des zweiten Satzes der bisherigen Z 3 des § 37 Abs 3 MRG aF (Ersetzung der namentlichen Bezeichnung der Hauptmieter als Antragsgegner durch die Vorlage eines Mieterverzeichnisses) übernommen und auf alle denkbaren Fallkonstellationen einer Parteienmehrheit auf einer Seite erweitert. Sie kommt für Mehrheiten sowohl auf Mieter‑ als auch auf Vermieterseite, sowohl auf Antragsteller‑ als auch auf Antragsgegnerseite in Betracht. Entsprechend der Regelung über die Zustellung durch Anschlag in Z 5 wird diese Möglichkeit aber an die Mindestanzahl von sieben Personen auf einer Seite geknüpft (ErlRV 249 BlgNR 22. GP  9).

3. Die Interpretation des Rekursgerichts, wonach die ersten sechs Parteien zwingend namentlich genannt werden müssten, die folgenden jedoch nicht, widerspricht daher den Intentionen des Gesetzgebers zu - verglichen mit der Vorgängerbestimmung ‑ erweiterten Verfahrens-erleichterungen. Die vom Gesetzgeber gewählte Mindestanzahl von sieben Personen entspricht der Anordnung in § 37 Abs 3 Z 5 MRG und § 52 Abs 2 Z 4 WEG. Dort wird aber ausdrücklich die individuelle Zustellung an einen vom Gericht zu bestimmenden Hauptmieter oder Wohnungseigentümer gefordert, wenn mehr als sechs Hauptmietern oder Wohnungseigentümern Parteistellung zukommt. Eine vergleichbare Anordnung zur Individualisierung zumindest einer von mehr als sechs Parteien auf einer Seite enthält § 37 Abs 3 Z 1 MRG jedoch nicht.

4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt die Parteistellung den jeweiligen Eigentümern im wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren entsprechend der grundbücherlichen Eintragung zu, jedoch müssen im Kopf einer Entscheidung die Anführung der Parteien nicht ständig aktualisiert werden (RIS‑Justiz RS0083106). Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass Verfahrensparteien nur dann namentlich im Spruch der Entscheidung angeführt werden müssen, wenn sie mit einer Kostenersatzpflicht belegt werden (5 Ob 154/12a mwN).

5. Zur allgemeinen Anordnung des § 10 Abs 3 AußStrG, wonach der Antragsteller Namen und Anschriften der ihm bekannten anderen Parteien anzugeben hat, findet sich im Schrifttum die Auffassung, dass ein Verbesserungsverfahren überflüssig sei, wenn dem Gericht selbst weitere Parteien bekannt sind ( Rechberger in Rechberger AußStrG 2 § 10 Rz 9). Grundsätzlich müssen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Mängel, die weitere Verfahrensschritte gar nicht hindern, nicht verbessert werden und sind unbeachtlich (vgl Rechberger aaO Rz 11). Sind dem Außerstreitgericht daher aufgrund eines vorgelegten Grundbuchsauszugs Namen und Anschrift sämtlicher Antragsgegner bekannt, wäre auch im Sinne des § 10 Abs 3 AußStrG ein Verbesserungsauftrag überflüssig, weil der Fortgang des gesetzmäßigen Verfahrens nicht gehindert ist.

6. Die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags ist aus diesen Erwägungen zu Unrecht erfolgt.

7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG (RIS‑Justiz RS0123011).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte