OGH 5Ob160/14m

OGH5Ob160/14m27.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und den Hofrat Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1. Mag. M*, 2. G*, beide vertreten durch Mag. Alain Danner, Rechtsanwalt in Wien, gegen sämtliche weitere Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft mit der Grundstücksadresse * als Antragsgegner, darunter als Erstantragsgegnerin D* AG *, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 Abs 2 Z 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Juni 2014, GZ 39 R 125/14t‑24, womit über Rekurs der Antragsteller und der Erstantragsgegnerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 30. Jänner 2014, GZ 8 Msch 3/13a‑15, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E110423

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Antragsteller sind zu 89/87848‑Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ * GB * mit der Grundstücksadresse *0 W*, L*. Mit diesen Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum an der Wohnung Top 182, die im neunten und somit obersten Stock der Anlage liegt, verbunden.

Unter Bezugnahme auf die sich aus den Beilagen ./A bis ./D ergebende geplante Ausführung beantragen die Antragsteller die Duldung der Montage einer Klimaanlage in ihrem Wohnungseigentumsobjekt samt Splitgerät am Hausdach unter Verwendung der Haussteigleitung.

Sie brachten vor, dass ihr Wohnungseigentumsobjekt in den Sommermonaten bei wärmeren Temperaturen mehr als 30 Grad Celsius Raumtemperatur erreiche. Das Objekt befinde sich direkt unter dem Flachdach. Die beabsichtigte Montage des Klimageräts würde das Hausdach sowie die letzten 75 cm der Haussteigleitung in Anspruch nehmen. Eine Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer sei nicht zu befürchten. Die begehrte Änderung diene einem wichtigen Interesse der Antragsteller. Ein mobiles Klimastandgerät sei aufgrund der Größe des Objekts keine wirksame Lösung. Die erheblich hohen Raumtemperaturen in den Sommermonaten wirkten sich auf den Schlaf der Antragsteller aus. Das sei auf Dauer unerträglich und möglicherweise gesundheitsschädlich. Die Montage werde selbstverständlich unter größtmöglicher Schonung der Bausubstanz durch ein befugtes Fachunternehmen durchgeführt.

Die Erstantragsgegnerin ‑ die übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft beteiligten sich am Verfahren nicht ‑ wendete ein, dass eine Leitungsführung durch die Versorgungs‑ und Steigschächte der Wohnhausanlage nicht möglich sei, weil diese zu eng gebaut seien. Es sei auch nicht sichergestellt, wie die zukünftige Instandhaltung der Erneuerungsleitungen erfolgen werde. Da allgemeine Teile des Hauses in Anspruch genommen würden, sei die Zustimmung aller Antragsgegner erforderlich. Den Antragstellern sei eine Alternativausführung vorgeschlagen worden, die schonender sei, und zwar ein Splitgerät, das auf der Loggia nicht im Sichtbereich montiert werden könne. Die Verwertbarkeit der unter der Wohnung der Antragsteller liegenden Wohnungen werde durch die beabsichtigte Änderung eingeschränkt, wenn den Antragstellern die Nutzung der Steigleitung genehmigt werde. Für weitere nachfolgende Wohnungseigentümer sei diese Möglichkeit damit aufgrund der bestehenden Platzverhältnisse ausgeschlossen. Die geplante Maßnahme sei mit einer Kernbohrung durch das Dach verbunden. Das bedeute, dass die Stahlbetondecke für die erforderliche Breite durchbohrt werde und im Falle einer Undichtheit dieser Bohrung oder der Stahlbetondecke die Eigentümergemeinschaft mit massiven Kosten belastet sei.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Antragsgegner die Montage einer Klimaanlage samt Splitgerät am Hausdach unter Verwendung der Haussteigleitung mit der Maßgabe zu dulden hätten, dass die Montage nach dem von den Antragstellern eingereichten Plan (Beilage ./B) erfolge, es dabei zu keiner Beeinträchtigung von allgemeinen Teilen des Hauses ‑ insbesondere zu keiner Kernbohrung durch die Decke ‑ komme und die Arbeiten fach‑ und sachgerecht unter größtmöglicher Schonung der Bausubstanz von einem hiezu befugten Fachunternehmen durchgeführt wurden.

Es traf folgende Sachverhaltsfeststellungen:

Die Klimaanlage soll als Splitgerät ausgeführt werden. Grund dafür sind die hohen Raumtemperaturen in den Sommermonaten von bis zu 30 Grad Celsius, die durch die Lage der Wohnung, die sich im 9. Stock direkt unter dem Flachdach befindet, erreicht werden. Für die Ausführung des Vorhabens ist es erforderlich, dass der Außenteil der Klimaanlage im Freien montiert wird.

Die Antragsteller beabsichtigen, dass der Außenteil der Klimaanlage am Dach des Gebäudes befestigt wird und die Verkabelung mit den Innenteilen der Klimaanlage über den Installationsschacht, welcher sich im WC der Wohnung der Antragsteller befindet, geführt werden. Eventuell anfallendes Kondensat soll auf die Dachfläche entwässert werden. Die Innenteile der Klimaanlage sollten im Wohnzimmer und den beiden Schlafzimmern montiert werden; die Rohrleitungen sollen an der Decke verlegt werden. Trotz Montage an der Decke können die Fenster uneingeschränkt geöffnet werden. Der Abstand zur Oberkante des Fensterflügels ist ausreichend. Im Installationsschacht ist genügend Platz vorhanden, um die Verkabelung zu verlegen.

Durch die geplanten Maßnahmen kommt es zu keinen Beeinträchtigungen der bereits vorhandenen Lüftungs-, Heizungs‑ und Wasserversorgungsinstallationen. Technische Beeinträchtigungen für die anderen Miteigentümer ergeben sich durch das Vorhaben nicht.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die Reduktion der Innentemperatur während der Sommermonate zweifellos einem wichtigen Interesse der Antragsteller entspreche. Im Gegensatz zu der vom Sachverständigen vorgeschlagenen Alternative handle es sich bei dem von den Antragstellern geplanten Vorhaben um die für das Haus schonendere Variante, weil ein Deckendurchbruch nicht erfolge. Aufgrund der Platzierung des Klimaaußengeräts am Dach des Hauses sei eine Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses nicht gegeben.

Gegen den Sachbeschluss des Erstgerichts wandte sich einerseits der Rekurs der Antragsteller, die anstrebten, dass die vom Erstgericht ausgesprochene Einschränkung der Duldungspflicht dahin, dass ein Deckendurchbruch nicht zu erfolgen habe, beseitigt werde.

Die Erstantragsgegnerin beantragte mit ihrem Rekurs die gänzliche Antragsabweisung.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge und änderte in Stattgebung des Rekurses der Erstantragsgegnerin den erstgerichtlichen Sachbeschluss im Sinne einer gänzlichen Antragsabweisung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht stellte in der Rekursentscheidung klar, dass die Auffassung des Erstgerichts, dass das von den Antragstellern geplante Vorhaben einen Deckendurchbruch nicht erforderlich mache, unzutreffend sei. Es sei vielmehr zwischen den Parteien unstrittig, dass die von den Antragstellern geplante und vom Sachverständigen begutachtete Lösung sehr wohl einen Deckendurchbruch erfordere. Allein dieser Deckendurchbruch stehe der Duldungspflicht entgegen, weil damit ein schwerwiegender Eingriff in allgemeine Teile des Hauses verbunden sei, der nach der Lebenserfahrung nachteilige Folgen ‑ die Undichtheit des Daches ‑ zumindest nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheinen lasse. Dass die Antragsteller sich ‑ wie in der Rekursbeantwortung behauptet ‑ bereit erklärt hätten, für sämtliche Kosten sowie Folgekosten im Zusammenhang mit der Errichtung der Klimaanlage aufzukommen, sei nicht aktenkundig und damit der Entscheidung nicht zugrunde zu legen.

In ihrem gegen die Rekursentscheidung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs machen die Antragsteller geltend, dass Feststellungen dazu fehlten, in welchem Umfang überhaupt allgemeine Teile des Hauses beansprucht würden. Tatsächlich würden lediglich Leitungen durch ein Bohrloch geführt. Wie sich aus dem Sachverständigengutachten ergebe, könnten die Rohrleitungen zwischen der Unterkante der Decke und dem Fensterflügel auf einem Platz von etwa 6,5 cm geführt werden. Im Installationsschacht sei genügend Platz, sodass sich bereits daraus die Geringfügigkeit sowie Zulässigkeit der Inanspruchnahme allgemeiner Teile ergäben.

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig.

Sämtlichen als Antragsgegner in Anspruch genommenen Mit‑ und Wohnungseigentümern der Liegenschaft wurde daher die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung freigestellt. Sie beteiligten sich jedoch am Revisionsrekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Sinne seines primär gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Dass den Antragstellern ein „wichtiges Interesse“ an der Montage einer Klimaanlage iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG zuzubilligen ist, ist im Verfahren nicht strittig und angesichts der festgestellten Lage des Objekts und der Raumtemperaturen, die in den Sommermonaten auftreten, auch nicht zu bezweifeln (vgl 5 Ob 24/08b).

2. Liegen sämtliche Voraussetzungen für eine Genehmigung des Bauvorhabens vor, hat also die beabsichtigte Änderung insbesondere keine Schädigung des Hauses oder eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer zu Folge, können die übrigen Wohnungseigentümer die Veränderung nicht unter Hinweis auf eine alternative Möglichkeit zur Erzielung desselben Effekts ‑ hier: die vom Sachverständigen ebenfalls begutachtete und von der Erstantragsgegnerin präferierte „Alternativlösung“ ‑ verhindern (siehe zum vergleichbaren Tatbestand des § 9 Abs 1 MRG 5 Ob 115/11i).

3. Strittig blieb im Verfahren, ob dem Änderungsrecht der Antragsteller die Verwirklichung eine der in § 16 Abs 2 Z 1 WEG genannten Negativvoraussetzungen entgegensteht. Das kann nach den bisher getroffenen Feststellungen der Vorinstanzen nicht abschließend beantwortet werden.

3.1 Die vom Rekursgericht thematisierte Kostentragungspflicht ist ohne Relevanz: Dass die Antragsteller sämtliche mit der Montage des Klimageräts verbundenen Kosten selbst zu tragen haben, ergibt sich bereits unmittelbar aus § 16 Abs 2 WEG („... zu Änderungen ... an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt“). Dass auch die Antragsteller von der sie treffenden Kostentragungspflicht ausgingen, ist nicht zweifelhaft und wurde im Revisionsrekurs auch ausdrücklich betont.

3.2 Die Erstantragsgegnerin, die für das Vorliegen von Umständen, die schon nach den in § 16 Abs 2 Z 1 WEG beispielhaft aufgezählten allgemeinen Voraussetzungen einer Änderung entgegenstehen, die Behauptungs‑ und Beweislast trifft (RIS‑Justiz RS0082993), hat sich in erster Instanz gegen die geplante Änderung einerseits mit dem Argument gewendet, dass eine Leitungsführung durch die Versorgungs‑ und Steigschächte der Wohnhausanlage nicht möglich sei, weil diese zu eng gebaut seien.

Dieses Vorbringen ist durch die erstgerichtliche Feststellung widerlegt, wobei im Übrigen klarzustellen ist, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen (vgl S 6 in ON 9) nicht die „Haussteigleitung“, sondern der Installationsschacht für das im Objekt der Antragsteller befindliche WC für die Leitungsführung heranzuziehen ist, der genügend Platz aufweist.

3.3 Das weitere, von der Erstantragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Vorbringen, die zukünftige Instandhaltung und Erneuerung jener Leitungen, die die Anlage versorgen, sei nicht sichergestellt, womit sie sich erkennbar auf eine allfällige zukünftige Kostenbelastung der Mit‑ und Wohnungseigentümer bezieht, steht der beabsichtigten Änderung nicht entgegen, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern die Eigentümergemeinschaft eine Kostentragungspflicht für die Instandhaltung und Wartung der Klimaanlage der Antragsteller treffen sollte.

3.4 Hauptargument bereits im Rekurs der Erstantragsgegnerin, das vom Rekursgericht aufgegriffen wurde, ist der Umstand, dass ‑ entgegen der Annahme des Erstgerichts ‑ die beabsichtigte Änderung mit einem Deckendurchbruch verbunden ist.

Zutreffend verweisen jedoch die Antragsteller in ihrem Revisionsrekurs darauf, dass die Auffassung des Rekursgerichts, jeder Deckendurchbruch stelle bereits einen schwerwiegenden und somit nicht zu duldenden Eingriff in allgemeine Teile des Hauses dar, korrekturbedürftig ist:

Da das Erstgericht ‑ unzutreffend ‑ davon ausgegangen ist, dass die von den Antragstellern geplante Lösung keinen Deckendurchbruch erforderlich mache, unterließ es Feststellungen darüber, in welchem Umfang ein Deckendurchbruch für die Montage des Klimageräts erforderlich ist und ob, gegebenenfalls welche nachteiligen Folgen konkret damit verbunden sind.

Aus diesem Grund erweist sich eine Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen als unumgänglich. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren zu diesem Themenkreis Feststellungen nachzutragen haben.

3.5 Zu dem in erster Instanz erhobenen Einwand, dass die Verwertbarkeit der unter dem Objekt der Antragsteller liegenden Wohnungen eingeschränkt werde, wenn den Antragstellern die Nutzung der „Steigleitung“ genehmigt werde, weil für weitere nachfolgende Wohnungseigentümer diese Möglichkeit damit aufgrund der bestehenden Platzverhältnisse ausgeschlossen sei, fehlen zwar ebenfalls Feststellungen. Allerdings bedarf es ‑ wie bereits aufgezeigt ‑ einer Inanspruchnahme der „Haussteigleitung“ für die Montage des Klimageräts ohnedies nicht. Ohne nähere Präzisierung des Vorbringens der behauptungs- und beweispflichtigen Erstantragsgegnerin, inwiefern die Montage des Klimageräts unter Inanspruchnahme des Installationsschachts für das im Objekt der Antragsteller befindliche WC andere Wohnungseigentümer beeinträchtigen könnte, ist dieser Einwand daher nicht beachtlich.

4. Daraus folgt zusammengefasst, dass es im fortgesetzten Verfahren vor dem Erstgericht ergänzender Feststellungen dazu bedarf, in welchem Ausmaß ein „Deckendurchbruch“ für das von den Antragstellern geplante Bauvorhaben erforderlich ist und ob mit diesem „Deckendurchbruch“, unterstellt, dass er ‑ wie ebenfalls von den Antragstellern geplant ‑ von einem Fachunternehmen durchgeführt wird, tatsächlich eine realistische Gefahr einer Substanzschädigung verbunden ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

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