OGH 1Ob215/14w

OGH1Ob215/14w22.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** K*****, gegen die beklagte Partei H***** H*****, vertreten durch Dr. Astrid Prießner, Rechtsanwältin in Graz, wegen Herausgabe, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Juli 2014, GZ 2 R 82/14t‑48, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 24. März 2014, GZ 20 Cg 3/13w‑44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00215.14W.0122.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten der Revision selbst zu tragen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines erstmals am 8. 1. 1999 zugelassenen PKW Jaguar XR Coupe Silber, an dessen automatischem Getriebe im Herbst 2010 ein Schaden eingetreten war.

Der Beklagte betreibt eine auf die Reparatur von Automatikgetrieben spezialisierte Kfz‑Werkstätte, in der 2010 das Getriebe repariert und 2012 wieder in den Jaguar eingebaut wurde.

Die Aufträge dazu kamen so zustande, dass der Kläger als Rechtsvertreter der im Kfz‑Handel sowie Holz‑ und Fertighaussysteme‑Handel tätigen M***** Handels KG an deren Kommanditisten V***** M***** herantrat, welcher ihm noch ein paar Gefälligkeiten schuldig war, und ihn ersuchte, sich wegen einer günstigen Reparaturmöglichkeit umzuhören. Dieser versprach sich darum zu kümmern und gab an, er kenne „Leute“, „die ein Getriebe reparieren“ könnten; dies könne ‑ für den Kläger unentgeltlich ‑ im Rahmen seiner Werkstätte geschehen. Daraufhin ließ der Kläger den Jaguar überstellen und kümmerte sich nicht weiter um die Reparatur.

S***** C*****, der als Kfz‑Mechaniker damals die Kfz-Servicestation in Graz betrieb, nannte seinen Bekannten M***** den Namen des Beklagten. C***** wusste, dass sich der Beklagte, mit dem er seit der Berufsschule bekannt war, auf Getriebereparaturen spezialisiert hatte, und ließ in dessen Werkstätte die Überprüfungen von Kraftfahrzeugen nach § 57a KFG durchführen. Nachdem C***** den Beklagten angerufen hatte und nach dem Preis einer Getriebereparatur gefragt hatte, brachte er mit M***** das Getriebe zur Besichtigung in die Werkstätte des Beklagten. Der Beklagte, dem C***** M***** nicht als Auftraggeber vorgestellt hatte, hielt damals C***** für den Auftraggeber der Getriebereparatur und nahm an, dass dieser die Reparatur für einen Kunden durchführen lassen wolle. Der Beklagte setzte nach Besichtigung des Getriebes C***** telefonisch davon in Kenntnis, dass ein Totalschaden vorliege und nannte Kosten von ca 2.500 EUR netto. Daraufhin erklärte sich dieser mit der Getriebereparatur einverstanden. Nach zwei Wochen war die Reparatur durchgeführt, wovon der Beklagte C***** verständigte. Dieser teilte mit, der Jaguar sei bei ihm, er wisse aber nicht, was damit passieren werde, er könne die Reparaturrechnung derzeit nicht bezahlen und drängte seinerseits M*****, das Getriebe beim Beklagten abzuholen.

M***** suchte erst im Sommer 2012 die Werkstätte des Beklagten auf und erteilte diesem den Auftrag, den Jaguar in die Werkstätte zu schleppen und das Getriebe einzubauen. Der Beklagte hielt M***** für den Eigentümer und fragte nach dem Typenschein, worauf dieser versicherte, er werde den Typenschein bringen. Über Auftrag des Beklagten wurde daraufhin der Jaguar in seine Werkstätte geschleppt. Als M***** diese vor Beendigung der Einbauarbeiten aufsuchte, entgegnete er dem Beklagten, der ihm mitteilte, dass der Einbau arbeitsintensiv und daher kostspielig wäre, ihm sei nur wichtig, dass das Fahrzeug fertig werde. Etwa zwei Wochen nach Fertigstellung der Arbeiten rief der Kläger den Beklagten erstmals an und erklärte, er werde den Jaguar am 26. November 2012 abholen. An diesem Tag suchte der Kläger gemeinsam mit M***** die Werkstätte des Beklagten auf und verlangte die Überstellung des Jaguar. Er forderte Zahlung und den Kläger dazu auf, sein Eigentumsrecht nachzuweisen, was dieser nicht tat. Daraufhin gab der Beklagte den Jaguar nicht heraus.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Herausgabe des Fahrzeugs und stellte mehrere Eventualbegehren auf Herausgabe Zug um Zug gegen Zahlung von Kosten für die Getriebereparatur in Höhe von 1.500 EUR bis 3.626,50 EUR. Der Beklagte bestritt den Herausgabeanspruch und stützte sich für die von ihm in Höhe von 6.074,50 EUR begehrten Reparaturkosten auf sein Retentionsrecht gemäß § 471 ABGB.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Herausgabe des PKW Zug um Zug gegen Zahlung von 5.126,50 EUR als für die Getriebereparatur und den Einbau angemessenen Kosten und wies das Mehrbegehren, die Zahlungspflicht nur für den Fall auszusprechen, dass der PKW zuvor auf Kosten des Klägers von einer von diesem ausgewählten Jaguar‑Fachwerkstätte geprüft werde, wobei der Beklagte verpflichtet sei, den PKW in eine Werkstätte nach Wahl des Klägers innerhalb von Graz zu überstellen, ab. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten behielt es sich bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache gemäß § 52 Abs 1 ZPO vor.

In seiner Begründung führte das Erstgericht aus, der Kläger sei dadurch, dass er seinem Auftragnehmer M***** die Bestimmung des Werkunternehmers überlassen habe, als zur Weitergabe des ausgebauten Getriebes und später auch des PKW an den von M***** (mit Hilfe von C*****) ausgewählten Beklagten zustimmend anzusehen. Seine Zustimmung habe zur Folge, dass der Beklagte das Retentionsrecht für den auf den PKW gemachten Aufwand ihm gegenüber geltend machen könne, auch wenn nach seinem Wissensstand C***** und M***** als Werkbesteller eingeschritten seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bejahte ebenfalls das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten, weil dieser darauf vertrauen habe dürfen, dass C***** die Reparatur für einen seiner Kunden durchführen lassen wolle, betreibe dieser doch ein Unternehmen, das zur Kfz‑Branche gehöre. Ebenso hätte er beim Auftrag zum Einbau des bereits reparierten Getriebes keinen Argwohn schöpfen müssen, weil M***** sich bereit erklärt habe, den Typenschein zu bringen. In einem solchen Fall könne der andere davon ausgehen, dass ersterer entweder selbst Eigentümer des Fahrzeugs oder zumindest Vertrauensmann des Eigentümers sei.

Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und erklärte letztlich die ordentliche Revision für zulässig, weil es sich nicht an der strengen Judikatur des Obersten Gerichtshofs bei der Reparaturannahme von Kraftfahrzeugen orientiert habe und es sich im vorliegenden Fall im Wesentlichen um die Reparatur eines bereits ausgebauten Getriebes gehandelt habe, wozu Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

In seiner Revision macht der Kläger geltend, das Retentionsrecht stehe dem Beklagten nicht zu, weil dieser seine Sorgfaltspflichten bei Überprüfung des Eigentums am PKW verletzt habe. Es könne keinen Unterschied machen, ob das ausgebaute Getriebe zur Reparatur übergeben werde oder ein Fahrzeug. Er selbst hätte aufgrund der Angaben des M***** davon ausgehen dürfen, dass die Getriebereparatur nicht einer fremden Werkstätte übergeben werde und habe somit diesen auch nicht konkludent zum Abschluss eines Subwerkvertrags bevollmächtigt. Ein allenfalls für das ausgebaute Getriebe begründetes Retentionsrecht sei durch den Einbau in das Fahrzeug untergegangen, weil das Getriebe nunmehr wieder Zubehör des PKW geworden sei.

Der Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

1. Die vom Kläger behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2. Wer zur Herausgabe einer Sache verpflichtet ist, kann sie zur Sicherung seiner fälligen Forderungen wegen des für die Sache gemachten Aufwands oder des durch die Sache ihm verursachten Schadens mit der Wirkung zurückbehalten, dass er zur Herausgabe nur gegen die Zug um Zug zu bewirkende Gegenleistung verurteilt werden kann (§ 471 Abs 1 ABGB).

3.1. Ob der Werkunternehmer sein Zurückbehaltungsrecht auch dem dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers der Sache entgegenhalten kann, wenn er seine Leistung im Hinblick auf eine vertragliche Verpflichtung mit einem Dritten erbracht hat, ist umstritten.

3.2. Während in der Lehre der gutgläubige Erwerb eines Zurückbehaltungsrechts überwiegend abgelehnt wird (vgl die Nachweise dazu bei Koch in KBB 4 § 471 ABGB Rz 3 und Oberhammer/Domej in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 § 471 Rz 13), bejahte der Oberste Gerichtshof ein Zurückbehaltungsrecht auch gegenüber dem Eigentümer in Analogie zu § 367 ABGB, wenn der Reparaturauftrag durch einen Vertrauensmann des Eigentümers erteilt wurde und der Werkunternehmer in Ansehung der Befugnis des Werkbestellers, die Reparatur durchzuführen, gutgläubig war (RIS‑Justiz RS0011507; RS0011525). Bei Sachen, die im Geschäftsverkehr häufig unter Eigentumsvorbehalt erworben werden, werden allerdings an die Gutgläubigkeit des Werkunternehmers, der derartige Sachen zur Reparatur übernimmt, strenge Maßstäbe angelegt (8 Ob 61, 62/75 = EvBl 1976/1; 5 Ob 698/83; 3 Ob 243/13a).

Weiters wurde das Zurückbehaltungsrecht unter Berufung auf den Gedanken des Schutzes des Vertrauens für den Fall bejaht, dass die Vorbehaltseigentümerin der Reparatur (während deren Ausführung) schlüssig im Hinblick auf die Leistung der Kaskoversicherung des Vorbehaltskäufers zustimmte und sie in Anspruch nahm, ohne bezüglich der Zweckwidmung Vorbehalte zu machen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen des § 471 ABGB oder des § 369 HGB zutreffen (4 Ob 544/88 = RdW 1988, 349 = ÖBA 1989, 82 [abl Apathy ] = JBl 1989, 584 [zust Kömürcü-Spielbüchler ]; zust Hinteregger in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 471 Rz 18).

Ebenso zugebilligt wurde es dem Werkunternehmer (ohne Prüfung gutgläubigen Erwerbs) dann, wenn der Leasinggeber dem Leasingnehmer in seinen AGB die Verpflichtung auferlegte, Reparaturen am Leasingobjekt, einem PKW, auf eigene Kosten durchführen zu lassen, weil dies den Anschein miteinschließe, der Leasingnehmer sei damit auch ermächtigt, das gesetzliche Zurückbehaltungsrecht in dessen Wirkung auf den Eigentümer auszudehnen. Soweit der Werkunternehmer von der Überlassung des Fahrzeugs im Wege des Finanzierungsleasings und von der Verpflichtung des Leasingnehmers zur Instandhaltung auf seine Kosten wisse und auf den geschaffenen äußeren Tatbestand vertraue, sei er zu schützen und könne daher dem Leasingnehmer das Zurückbehaltungsrecht mit Erfolg entgegenhalten (1 Ob 537/94 = SZ 67/82 = ecolex 1994, 618 [ Heid ]; offenbar zust Koch aaO; Spielbüchler in Rummel , ABGB³ § 334 Rz 2 Hofmann in Rummel ABGB³ § 471 Rz 2a).

3.3. Der den Entscheidungen 4 Ob 544/88, 7 Ob 615/90 = JBl 1991, 241 (krit Rummel [ua unter Berufung auf Spielbüchler aaO in der 2. Auflage]) und 1 Ob 537/94 zugrunde liegende Gedanke des Vertrauensschutzes bzw der (konkludenten) Zustimmung schlägt auch in der vorliegenden Konstellation zu Lasten des Eigentümers aus.

Nach Kömürcü‑Spielbüchler (Glosse zu 4 Ob 544/88, JBl 1989, 586) umfasst schon die Zustimmung des Eigentümers zur Reparatur per se die (schlüssige) Zustimmung zur Vereinbarung eines Retentionsrechts.

Im vorliegenden Fall stimmte der Eigentümer der Reparatur aber nicht nur zu. Das Fahrzeug wurde von ihm überhaupt nur zum Zwecke der Durchführung der Reparatur aus der Hand gegeben und dem (ersten) Vertrauensmann übergeben. Erlangt ein Vertrauensmann seine Stellung als solcher vom Eigentümer überhaupt nur mit dem Auftrag, das Fahrzeug unter Beiziehung eines Dritten reparieren zu lassen, dann kann der damit (in einer Kette von zu solchen Reparaturen befugten Gewerbsmännern) letztlich beauftragte Unternehmer ein Retentionsrecht gemäß § 471 ABGB gegenüber dem Eigentümer geltend machen. Spielbüchler (aaO, 3. Auflage) gesteht dem Unternehmer das Zurückbehaltungsrecht sogar dann zu, wenn der Berechtigte die Sache dem Ersatzpflichtigen anvertraut hat, ohne ihn zu dem Verhalten zu ermächtigen, das die Zurückbehaltung auslöste.

Dem Zurückbehaltungsrecht steht auch nicht entgegen, dass die Unentgeltlichkeit der Reparatur im Verhältnis zwischen dem (ersten) Vertrauensmann und dem Eigentümer vereinbart war. Das Verhältnis zwischen diesen beiden ist hier nicht zu beurteilen. Nach den Feststellungen musste nämlich der Eigentümer als er diesem sein Fahrzeug, um es reparieren zu lassen, übergab, als sicher annehmen, dass ein Dritter einen Aufwand auf seinen Wagen tätigen wird, war doch klar, dass die Reparatur nicht durch den Vertrauensmann selbst, sondern durch einen Dritten ‑ der Vertrauensmann hatte erklärt, er kenne Leute, die ein Getriebe reparieren könnten ‑ durchgeführt werden werde. In der daraufhin erfolgten Übergabe liegt eine schlüssige Zustimmung zur Weitergabe zwecks Reparatur; es lag kein Anhaltspunkt für den Kläger vor, dass Angestellte des Vertrauensmannes die Reparatur durchführen könnten. Ob dieser Dritte wie geplant im Rahmen der Werkstätte des Vertrauensmannes oder - wie tatsächlich - in einer anderen Werkstätte tätig wurde, hat für die Kenntnis des Klägers von der Beauftragung eines Dritten keine Bedeutung. Andernfalls wäre der Unternehmer durch Zwischenschaltung eines Vertrauensmannes stets um das ihn sichernde Retentionsrecht gebracht, wenn das Fahrzeug nach dem Willen und zu Gunsten des Eigentümers von diesem zur Beauftragung der Durchführung der Reparatur durch einen Dritten an den Vertrauensmann übergeben wurde. Da letztlich auch der Auftrag zum Einbau des Getriebes in den PKW entsprechend dem Auftrag des Klägers als Eigentümer erteilt wurde, geht der Einwand, das Retentionsrecht habe sich nur auf das Getriebe bezogen und sei beim Einbau untergegangen, ins Leere.

Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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