OGH 16Ok6/14i

OGH16Ok6/14i21.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Kartellobergericht in Kartellrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Manfred Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, Wien 2, Praterstraße 31, gegen die Antragsgegnerin O***** GmbH, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OG in Wien, sowie der weiteren Amtspartei Bundeskartellanwalt, Wien 1, Schmerlingplatz 11, wegen § 11 KartG, über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 11. März 2014, GZ 26 Kt 103/13‑46, den

B e s c h l u s s

gefasst :

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

B e g r ü n d u n g :

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht über die Veröffentlichung einer Entscheidung, mit der ein angemeldeter Zusammenschluss nicht untersagt wurde, abgesprochen. Die Antragsgegnerin hatte weitgehende Streichungen beantragt, die Antragstellerin sich gegen den Großteil der gewünschten Streichungen mit der Begründung ausgesprochen, dass es sich dabei nicht um Geschäftsgeheimnisse handle. Der Bundeskartellanwalt schloss sich der Stellungnahme der Antragstellerin an.

Das Erstgericht verfügte die weitgehende Veröffentlichung seiner Entscheidung, bereinigt im Wesentlichen nur um die konkreten Marktanteile sowie Stückzahlen und die geplante Transaktionsstruktur, nicht jedoch um die Umsätze der Fusionspartner. Der Inhalt der Veröffentlichung nach § 37 KartG orientiere sich an Art 30 der Verordnung (EG) Nr 1/2003 und liege im Ermessen des Gerichts. Die Antragstellerin habe der von der Antragsgegnerin begehrten Veröffentlichung einer bloßen Bandbreite anstelle der konkreten Marktanteile ausdrücklich zugestimmt. Es handle sich dabei auch tatsächlich um Geschäftsgeheimnisse, zu deren Wahrung es erforderlich sei, teilweise in Stückzahlen angegebene Marktanteile gänzlich zu streichen. Ebenfalls von der Veröffentlichung auszunehmen seien die Angaben der Anmeldung über die geplante Transaktionsstruktur, nicht jedoch die Umsatzzahlen der Fusionsparteien, die ‑ ebenso wie andere Unternehmenskennzahlen ‑ etwa im Rahmen des Jahresabschlusses gemäß der §§ 222 ff UGB zu veröffentlichen und daher weder nach dem KartG noch nach dem Unionsrecht als Geschäftsgeheimnisse anzusehen seien. Bei allen übrigen von der Antragsgegnerin angestrebten Streichungen sei nicht ersichtlich, inwiefern es sich dabei um Geschäftsgeheimnisse handeln sollte, wie sich exemplarisch aus der begehrten Streichung der Wiedergabe des Wortlauts des § 12 KartG zeige.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin , mit dem diese die Aufhebung des Beschlusses des Kartellgerichts und Rückverweisung des Verfahrens zur neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht, in eventu die Veröffentlichung unter Berücksichtigung der von der Rekurswerberin beantragten Streichungen, erreichen will.

Die Bundeswettbewerbsbehörde beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben, ebenso der Kartellanwalt.

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

I. Rekursvorbringen:

Die Rechtsmittelwerberin bekämpft den Beschluss wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wesentlicher Verfahrensmängel.

Das Kartellgericht habe die in § 37 Abs 1 KartG enthaltene Beschränkung der Veröffentlichung auf den „wesentlichen Inhalt der Entscheidung“ ignoriert und das ihr bei der Veröffentlichung eingeräumte Ermessen weit überschritten. Dies ergebe sich sowohl aus dem Unterschied der genannten Bestimmung zur Regelung der Veröffentlichung der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs gemäß § 15 Abs 1 OGHG, als auch zu Art 30 der Verordnung 1/2003 sowie zu Art 20 FKVO, welche Bestimmungen ebenfalls die Veröffentlichungen auf den wesentlichen Inhalt der Entscheidung beschränkten. Die Übung der Kommission gehe dahin, im Amtsblatt lediglich eine kurze Zusammenfassung der Entscheidung zu veröffentlichen. Auch die vom Gesetz geforderte Abwägung, in welchem Umfang die Veröffentlichung für die transparente Entscheidung erforderlich sei, habe das Kartellgericht nicht vorgenommen. Die Veröffentlichungsregelung des § 37 Abs 1 KartG sei eine Ausnahme vom Prinzip der Amtsverschwiegenheit nach § 58 RStDG, die nur die Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts einer Entscheidung zulasse. Für eine Volltextveröffentlichung fehle die gesetzliche Grundlage.

Weiters liege ein Verstoß gegen Art 6 EMRK vor, weil den Marktteilnehmern in dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten eine Reihe von Praktiken (etwa Abschottungspraktiken hinsichtlich Ersatzteilen) unterstellt worden seien, die von der Anmelderin mit unerledigt gebliebenen Beweisanträgen widerlegt werden sollten. Nunmehr führe die weitwendige Veröffentlichung der (ohne effektives rechtliches Gehör der Antragsgegnerin) getroffenen Feststellungen in der Entscheidung zum Konflikt mit der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 MRK in dem Sinne, dass das Gericht eine strafbare Handlung unterstelle, noch bevor die Schuld gerichtlich festgestellt worden sei. Die Geldbußentatbestände des Kartellgesetzes seien Strafrecht im weiteren Sinne, sodass die Unschuldsvermutung auch hier zur Anwendung komme.

Konkret beträfen die unzulässig veröffentlichten Geschäftsgeheimnisse einerseits Umsatzzahlen 2012 von U*****, der Muttergesellschaft der Gruppe der Antragsgegnerin. Entgegen der Ansicht des Kartellgerichts gehe die Europäische Kommission sehr wohl davon aus, dass Umsatzzahlen vertrauliche Informationen seien, sofern es sich dabei nicht um historische Daten handle. Auch treffe die Begründung des Kartellgerichts, Umsatzzahlen seien etwa im Rahmen von Jahresabschlüssen zu veröffentlichen, auf die Umsätze der U*****‑Gruppe in Europa und Österreich nicht zu, weil in diesen Regionen keine konsolidierten Jahresabschlüsse für die verschiedenen Töchtergesellschaften erstellt würden.

Andererseits sei die in den Feststellungen enthaltene Aussage über die preisliche Positionierung der Rekurswerberin (sie verlange zu hohe Preise) ein Lehrbuchbeispiel einer strategischen Information, also ein Geschäftsgeheimnis.

Letztlich wird als wesentlicher Verfahrensmangel geltend gemacht, dass sich das Kartellgericht völlig überraschend für eine weitwendige Veröffentlichung entschieden habe, obwohl die Rekurswerberin „proaktiv“ mit dem Antrag vom 19. 2. 2014 dargetan habe, unter Berücksichtigung welcher Änderungen die Veröffentlichung der Sachentscheidung erfolgen könne. Das Erstgericht gehe damit über die Praxis des Kartellgerichts hinaus. Die Veröffentlichung sei wesentlich umfassender als bislang in der Ediktsdatei veröffentlichte Fusionsentscheidungen. Das Kartellgericht hätte zumindest im Sinne der richterlichen Anleitungspflicht nach § 14 AußStrG iVm § 182a ZPO Gelegenheit geben müssen, im Einzelnen zu begründen, warum die Veröffentlichung nur unter Berücksichtigung der von ihr dargelegten Änderungen erfolgen könne.

Für den Fall, dass der Oberste Gerichtshof die Frage der Veröffentlichung für entscheidungsreif halte, werde aus Gründen prozessualer Vorsicht zusätzlich vorgebracht, dass die von der Rekurswerberin beantragten Änderungen den wesentlichen Entscheidungsinhalt voll bestehen ließen. Die Kürzungen beträfen das Vorbringen der Parteien, das auch von der Europäischen Kommission nicht eigens zusammengefasst, sondern nur dort angeführt werde, wo es für das Verständnis der tragenden Entscheidungsbegründung wesentlich sei. Weiters beträfen die Kürzungen die Marktabgrenzung im Geschäftsfeld „Neuerrichtungen“ und bei der „Wartung und Reparatur“. Die im Bezug auf die Marktanteile nicht akzeptierten Kürzungen beträfen keine Inhalte, die für das Verständnis der Entscheidung erforderlich seien. Hinsichtlich der möglichen Auswirkungen des Zusammenschlusses bleibe die Begründung auch in der von der Antragsgegnerin beantragten Fassung verständlich. Dasselbe gelte auch für die beantragte Kürzung der rechtlichen Beurteilung.

II. Rekursbeantwortungen:

II.1. Die Bundeswettbewerbsbehörde meint, dass es bei der Veröffentlichung nicht um Information über die Auslegung des geltenden Rechts, sondern um solche über den zugrundeliegenden Sachverhalt gehe. In Zusammenschau mit dem früheren § 10b Abs 3 WettbG werde klar, dass die Veröffentlichung nach § 37 KartG weniger als Einschränkung des Umfangs der Veröffentlichung, sondern vielmehr als Mindestinhalt zu verstehen sei. Eine Einschränkung ergebe sich lediglich aus Satz 3 der Bestimmung, den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse; nur insoweit sei den Parteien rechtliches Gehör einzuräumen, und nur insoweit könne daher eine Beschwer einer Partei vorliegen.

Auch werfe die Entscheidung der Antragsgegnerin keine strafbaren Handlungen vor. Das Kartellgericht komme ja gerade zu dem Ergebnis, dass eine Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung nicht vorliege und folge daher ohnehin vollinhaltlich dem Prozessstandpunkt der Antragsgegnerin. Warum die gewünschten Streichungen Geschäftsgeheimnisse betreffen sollten, begründe die Antragsgegnerin nicht. Auch im Rekurs erschöpfe sich ihr diesbezügliches Vorbringen auf zwei Beispiele. Zu den in der Entscheidung genannten Umsätzen der U***** sei anzumerken, dass es sich dabei ohnedies um Größenordnungen handle, wie sie auch aus öffentlichen Quellen ersichtlich seien. Die festgestellte Preispolitik basiere auf dem Gutachten entnommenen empirischen Beobachtungen der Marktsituation und nicht auf Geschäftsgeheimnissen der Antragsgegnerin. Im Übrigen handle es sich dabei um die zentrale Begründung der Entscheidung.

II.2. Der Bundeskartellanwalt verweist auf das dem Kartellgericht bei der Veröffentlichungsentscheidung eingeräumte Ermessen und die vom Gesetzgeber intendierte Transparenz im Sinne des Aufklärungsinteresses der Öffentlichkeit. Nach dem vom Gesetzgeber zum Vorbild genommenen Unionsrecht wäre es sogar zulässig, die Entscheidung in einer um Geschäftsgeheimnisse bereinigten Form vollständig zu veröffentlichen. Eine umfassende Veröffentlichung sei auch deshalb geboten, weil nur dadurch die vom Gesetzgeber verfolgte Transparenz erreichbar sei.

Die Vornahme einer im Gesetz angeordneten Entscheidungsveröffentlichung könne von vornherein keine Verletzung der Amtsverschwiegenheit und daher auch nicht des § 58 RStDG sein. § 37 KartG sei als lex specialis bzw als Rechtfertigungsgrund zur Bestimmung des Richter‑ und Staatsanwältedienstgesetzes anzusehen. Im Übrigen gebiete das öffentliche Interesse an der Transparenz, dem durch § 37 KartG Rechnung getragen werden solle, eine möglichst umfassende Veröffentlichung. Ein Verstoß gegen Art 6 MRK sei nicht zu erkennen, habe das Kartellgericht der Antragsgegnerin im Verfahren doch ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme geboten und den Gutachter im erstinstanzlichen Verfahren mit dieser Stellungnahme konfrontiert. Auch ein von der Antragsgegnerin vorgelegtes wettbewerbsökonomisches Privatgutachten sei umfassend erörtert worden.

Der Vorschlag der Antragsgegnerin über den Umfang der Entscheidungsveröffentlichung sei vor allem dadurch gekennzeichnet, dass er in überschießender Weise Streichungen begehre, diese aber nicht begründe. Insbesondere sei nicht ausgeführt worden, warum die Umsatzzahlen oder die Preispolitik schutzwürdige Geschäftsgeheimnisse darstellten. Dadurch werde eine Interessenabwägung aber unmöglich gemacht. Jedenfalls seien Informationen, die ohnedies öffentlich zugänglich oder zu veröffentlichen seien nicht als Geschäftsgeheimnisse anzusehen.

Die anwaltliche Anleitungs‑ und Belehrungspflicht umfasse nicht, die vertretene Partei über die mit ihren Handlungen und Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen zu belehren oder sie zur Stellung bestimmter prozessueller Anträge anzuleiten. Der Richter habe keinesfalls beratend einzuwirken.

Im Lichte dieser Ausführungen liege weder eine Überraschungsentscheidung vor, noch habe das Erstgericht seine Anleitungs‑ und Belehrungspflichten verletzt. Das Erstgericht sei auch keinesfalls gehalten gewesen, noch zusätzlich eine weitere kurzfristig einzubringende Stellungnahme der Antragsgegnerin abzuwarten, habe die Antragsgegnerin ihre ursprüngliche Äußerung doch in dem klaren Bewusstsein abgegeben, das ihr zustehende Äußerungsrecht nach § 37 Abs 2 KartG zu nutzen. Eine weitere Äußerungsmöglichkeit sehe das Gesetz nicht vor.

III. Rechtliche Grundlagen der Entscheidungsveröffentlichung

III.1. Europäisches Recht:

Die Veröffentlichung von Entscheidungen der Europäischen Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts ist einerseits für Zusammenschlüsse in Art 20 FKVO und andererseits für die nach der VO (EG) Nr 1/2003 abzuführenden Verfahren in deren Art 30 geregelt.

III.1.1. Zur Veröffentlichung nach Art 20 FKVO:

Nach Art 20 FKVO veröffentlicht die Kommission bestimmte, näher bezeichnete Entscheidungen unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung. Den berechtigten Interessen der Unternehmer an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse muss Rechnung getragen werden.

Nach Maass (in Langen/Bunte, Kartellrecht Band 2, Europäisches Kartellrecht 12 , Art 20 FKVO Rz 3) geht die Kommission in der Praxis weit über die in Art 20 normierte Veröffentlichungspflicht hinaus. Die Kommission veröffentlicht alle Entscheidungen in der nicht vertraulichen Fassung („public version“), das heißt um Geschäftsgeheimnisse bereinigt, relativ zeitnah auf der Internetseite und zwar in der Verfahrenssprache (meist Englisch). Geschäftsgeheimnisse werden dadurch gewahrt, dass zB Marktanteile etwa durch Annäherungswerte publiziert oder durch Weglassungen vertraulich behandelt werden. Die Verwaltungspraxis entspricht derjenigen nach Art 30 der Verordnung 1/2003 . Auch die nach „Schwärzung“ der Geschäftsgeheimnisse veröffentlichte Entscheidung muss aber aus sich heraus verständlich bleiben (vgl Maass aaO Rz 8).

Schütz (in Kölner Kommentar Band 4, Art 20 FKVO Rz 1) weist darauf hin, dass die Kommission „erfreulicherweise“ bis 2004 weit über ihre Veröffentlichungspflichten hinausging und Entscheidungen im Wortlaut, bereinigt um Geschäftsgeheimnisse, veröffentlichte. „Neuerdings“ sei die Kommission dazu übergegangen, im Amtsblatt nur eine Zusammenfassung zu veröffentlichen, was Art 20 Abs 2 FKVO entspreche, und im Übrigen auf die Veröffentlichung im Internet zu verweisen.

Zweck der Veröffentlichung nach Art 20 FKVO ist die allgemeine Transparenz des Verwaltungshandelns, insbesondere die Information interessierter Wirtschaftskreise, damit diese ihr zukünftiges Verhalten an die in den veröffentlichten Entscheidungen zum Ausdruck kommenden Standpunkte der Kommission anpassen können. Dagegen spielt der weitere im Kartellverfahren bedeutsame Zweck, geschädigte Unternehmen durch die Veröffentlichung auf die Möglichkeit einer Schadenersatzklage aufmerksam zu machen, im Fusionskontrollverfahren keine Rolle ( Heithecker/Schneider in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht Art 20 FKVO Rz 1). Auch nach den letztgenannten Autoren muss die Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts der Entscheidung gewährleisten, dass sie aus sich heraus verständlich bleibt und die wettbewerbsrechtlich erheblichen Gesichtspunkte zutage treten lässt. Vor der Erweiterung der EU im Jahre 2004 sei die Kommission über diese Verpflichtung hinausgegangen und habe den vollständigen Wortlaut der Entscheidung veröffentlicht. Aufgrund der langwierigen Übersetzungsarbeiten sei damit eine erhebliche zeitliche Verzögerung der Veröffentlichung einhergegangen, weshalb die Kommission nunmehr dazu übergegangen sei, nur noch Zusammenfassungen des wesentlichen Inhalts der Entscheidung im Amtsblatt zu veröffentlichen. Die Zusammenfassungen seien deutlich kürzer als die Entscheidung selbst. Die Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts der Entscheidung erfolge in allen Amtssprachen, die Veröffentlichung auf der Internetseite der Generaldirektion Wettbewerb dagegen lediglich in der verbindlichen Verfahrenssprache sowie den Arbeitssprachen der Kommission ( Heithecker/Schneider in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Art 20 FKVO Rz 3).

III.1.2. Zur Veröffentlichung nach Art 30 VO 1/2003 :

Nach dieser Bestimmung veröffentlicht die Kommission die Entscheidungen, die sie nach den Art 7 bis 10 sowie den Art 23 und 24 der Verordnung erlässt. Auch diese Veröffentlichung erfolgt unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung einschließlich der verhängten Sanktionen und muss den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung tragen.

Die Veröffentlichung nach Art 30 der VO 1/2003 soll die Einhaltung der Wettbewerbsregeln fördern. Sie ermöglicht den Unternehmen und anderen Interessierten eine Orientierung darüber, wie die Kommission bestimmte Verhaltensweisen im Hinblick auf die Anwendung der Wettbewerbsregeln einschätzt. Die Unternehmen können daraus Rückschlüsse für ihr eigenes Verhalten ziehen. Die Veröffentlichung hat demnach eine präventive Funktion. Daneben trägt sie auch zur Transparenz des Verwaltungshandelns bei. Die Bestimmung erlaubt eine Ausnahme vom Berufsgeheimnis nach Art 28 Abs 2 der VO 1/2003 ( Miersch in Grabitz/Hilf , Das Recht der Europäischen Union 40 , Art 30 Rz 1).

Auch hier kann die vollständige Entscheidung veröffentlicht werden. Dies muss aber nicht gemacht werden, insbesondere nicht in allen Amtssprachen der EU. Maßgeblich ist, dass die wettbewerbsrechtlich erheblichen Gesichtspunkte deutlich werden. Aktuelle Praxis ist es, eine Zusammenfassung der Entscheidung in allen Amtssprachen im Amtsblatt zu veröffentlichen, während der gesamte Text der Entscheidung lediglich in der Verfahrens‑ und Arbeitssprache auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb zugänglich gemacht wird ( Miersch aaO Rz 2).

Nach Ritter (in Immenga/Mestmäcker , EU Wettbewerbsrecht 5 , Art 30 VO 1/2003 Rz 1) dient die Veröffentlichung der Unterrichtung Dritter von wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen, die ihre Interessen berühren, sei es, dass sie gegen die Maßnahmen gerichtliche Schritte erwägen oder zivilrechtliche Ansprüche geltend machen wollen. Im Übrigen diene die Veröffentlichung auch der Generalprävention. Die Bekanntgabe erfolge in wichtigen Fällen im Amtsblatt in allen Amtssprachen. Dies erfordere aber großen administrativen und zeitlichen Aufwand, weshalb die Kommission dazu übergegangen sei, nur eine sehr kurze Zusammenfassung im Amtsblatt zu veröffentlichen, während die vollständige, von Geschäftsgeheimnissen bereinigte Fassung auf der Webseite der Kommission abgerufen werden könne. Die in Art 30 der VO 1/2003 genannten Entscheidungen und Maßnahmen der Kommission seien zwingend zu veröffentlichen. Fakultativ könnten auch andere Entscheidungen veröffentlicht werden, soweit dies dazu beitrage, die Einhaltung der Wettbewerbsregeln zu gewährleisten. Die zwingende Konsultation der Beteiligten vor der Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts erkläre die beträchtliche Verzögerung der Veröffentlichung von bis zu drei Jahren ( Ritter aaO Rz 7 und 9).

In diesem Sinn legen auch Bechtold/Brinker/Posch/Hirsbrunner (EG‑Kartellrecht, Art 30 VO 1/2003 Rz 4) dar, dass die Kommission bis 2004 den vollen Wortlaut der Entscheidungen, bereinigt um Geschäftsgeheimnisse und andere vertrauliche Informationen, im Amtsblatt veröffentlicht habe. Die Praxis habe sich inzwischen geändert. Die Kommission veröffentliche nunmehr im Amtsblatt nur noch eine Zusammenfassung.

Nach de Bronett (Europäisches Kartellverfahrensrecht 2 Art 30) befreit diese Bestimmung die Kommission vom Berufsgeheimnis des Art 28 Abs 2 der VO 1/2003 . Die Vorschrift verfolge einen präventiven Zweck und trage zur Einhaltung der Wettbewerbsregeln bei. Diese Präventivfunktion könne nur erfüllt werden, wenn der Sachverhalt und die juristische Beurteilung, der wesentliche Inhalt, in sich verständlich dargestellt würden. Bis 1. 5. 2004 habe die Kommission im Amtsblatt Entscheidungen in allen Amtssprachen in nicht vertraulicher Fassung veröffentlicht. Um den Übersetzungsdienst zu entlasten, veröffentliche die Kommission seither nur mehr Zusammenfassungen in allen Amtssprachen. Art 30 Abs 1 VO 1/2003 enthalte keine abschließende Liste von Beschlüssen, die die Kommission veröffentlichen dürfe, die Norm begründe lediglich eine Pflicht, die in der Vorschrift genannten Beschlüsse zu veröffentlichen. Die Kommission sei aber nicht gehindert, auch andere Beschlüsse zu veröffentlichen.

III.1.3. Geschäftsgeheimnisse:

Für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen enthält die VO 1/2003 keine allgemeine Vorschrift. In Erwägungsgrund 32 wird der Schutz von Geschäftsgeheimnissen als unerlässlich bezeichnet. Erwähnung finden die Geschäftsgeheimnisse aber jeweils nur im konkreten Kontext, zB in Art 27 Abs 2 und Abs 4 über die Anhörung sowie Art 30 Abs 2 Satz 2 der VO 1/2003 betreffend das Spannungsfeld zwischen Veröffentlichung einer Entscheidung und Schutz des Geschäftsgeheimnisses.

Geschäftsgeheimnisse im Sinne dieser Bestimmungen sind besondere Kategorien von Informationen, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis nach Art 28 Abs 2 VO 1/2003 fallen. Solche Informationen sind Geschäftsgeheimnisse dann, wenn legitime wirtschaftliche Interessen durch Veröffentlichung oder sogar durch bloße Weitergabe an einen Dritten schwer beeinträchtigt werden können ( de Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht 2 , Art 30 Rz 4 unter Bezugnahme auf EuG‑Postbank/Kommission, T‑353/94; Sura in Langen/Bunte , Kartellrecht Band 2 Europäisches Kartellrecht 12 , Art 27 VO 1/2003 Rz 36). Geschäftsgeheimnisse sind also Daten, die ein Unternehmen anderen (insbesondere Wettbewerbern) üblicherweise nicht zugänglich macht und deren Kenntnis für mögliche Empfänger (wiederum insbesondere Wettbewerber) von Vorteil sind ( Schütz in Kölner Kommentar Band 4, VO 1/2003 Art 28 Rz 10; Jäger Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht Art 30 Rz 6).

Die Frage, ob eine bestimmte Angabe als Geschäftsgeheimnis anzusehen ist, kann nur im Einzelfall beantwortet werden. Geschäftsgeheimnisse können Auskünfte über Geschäftsbeziehungen, technische und finanzielle Angaben in Bezug auf das Know‑how eines Unternehmens, Kostenrechnungsmethoden, Produktionsgeheimnisse und ‑verfahren, Bezugsquellen, produzierte und verkaufte Mengen, Marktanteile, Kunden‑ und Händlerlisten, Vermarktungspläne, Absatzstrategien, aktuelle monatliche Verkaufszahlen sowie die Kosten eines Erzeugnisses, seine besonderen Eigenschaften und die Zusammensetzung seines Preises sein ( de Bronett , Europäisches Kartellverfahrensrecht 2 , Art 30 Rz 5 unter Verweis auf EuG‑SPO ua/Kommission, T‑29/292; Sura in Langen/Bunte , Kartellrecht Band 2 Europäisches Kartellrecht 12 , Art 27 VO 1/2003 Rz 36).

Typischerweise wird die Beeinträchtigung darin liegen, dass Wettbewerber durch Kenntnis dieser Information Vorteile im Wettbewerb erlangen. Bei Beurteilung der Vertraulichkeit der Information müssen die schützenswerten privaten Interessen und das Interesse der Allgemeinheit an der Offenlegung des Handelns der Gemeinschaftsorgane gegeneinander abgewogen werden ( Sura in Langen/Bunte , Kartellrecht Band 2 Europäisches Kartellrecht 12 , Art 27 VO 1/2003 Rz 14 mit Bezugnahme auf EuG, 30. 5. 2006, T 198/03 „Bank Austria“ sowie „Pergan“ T‑474/04, Rn 65).

Dem Begriff „Geschäftsgeheimnis“ wohnt auch eine zeitliche Komponente inne. Geschäftsgeheimnisse verlieren nach einer gewissen, von den Umständen abhängigen Frist ihr Schutzbedürfnis ( Schütz in Kölner Kommentar Band 4, VO 1/2003 Art 28 Rz 10).

Geschäftsgeheimnisse sind also solche Informationen, die ein Unternehmen Dritten üblicherweise nicht zugänglich macht und deren Veröffentlichung ihm schaden kann. Nicht ausreichend ist es, wenn dem Unternehmen die Veröffentlichung schlicht unangenehm ist ( Sura in Langen/Bunte , Kartellrecht Band 2 Europäisches Kartellrecht 12 , Art 30 Rz 10).

Der Schutz des Geschäftsgeheimnisses kennt zwar keine Ausnahmen, er ist aber auch nicht absolut. Die Verordnung spricht an den Stellen, wo der Begriff vorkommt, vom berechtigten Interesse eines Unternehmens an der Wahrung seiner Geschäftsgeheimnisse. Danach muss es auch unberechtigte und damit unbeachtliche Interessen geben. Die Verordnung geht daher nach Schütz (in Kölner Kommentar Band 4, VO 1/2003 Art 28 Rz 11) von einem Abwägungsbedarf aus.

Nach Jäger (in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht Art 30 VO 1/2003 Rz 5) ist der Schutz des Geschäftsgeheimnisses von Unternehmen zu Lasten der Information der Öffentlichkeit hingegen absolut. Eine Ausnahme vom Schutz ‑ wie es Art 27 Abs 2 Satz 5 der Verordnung für die zum Nachweis einer Zuwiderhandlung notwendigen Informationen gestattet - gibt es demnach für die Veröffentlichung nach Art 30 nicht. Das Geheimhaltungsinteresse der Entscheidungsadressaten wird entsprechend dem Normzweck nicht respektiert und nicht geschützt, soweit es um ihre persönliche, unternehmerische Identität, die Tatsache und den Umfang ihrer Beteiligung an der festgestellten Zuwiderhandlung gegen die EU‑Wettbewerbsregeln und um die gegen sie verhängten Sanktionen geht.

III.1.4. Kontextveröffentlichung:

Die Anordnung zur Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts der Entscheidung ermächtigt die Kommission, auch den tatsächlichen und historischen Kontext der jeweiligen Zuwiderhandlung darzustellen, selbst wenn sie teilweise für die Handlungen der betroffenen Unternehmen nicht zuständig ist. Diese Darstellung darf veröffentlicht werden, sofern sie mit dem Schutz des Berufsgeheimnisses vereinbar ist ( Sura aaO Art 30 Rz 8 mit Bezugnahme auf EuG, 30. 5. 2006 „Bank Austria“ Rn 89). Die Kommission kann aber die Entscheidung, insbesondere den Sachverhalt, auch kürzen, was den Vorteil hat, dass die Übersetzungsarbeiten erleichtert und damit die Veröffentlichung beschleunigt wird.

III.1.5. Berufsgeheimnis:

Unter der Überschrift „Berufsgeheimnis“ verpflichtet Art 28 der VO 1/2003 die Kommission und sämtliche Wettbewerbsbehörden, keine Informationen preiszugeben, die sie bei der Anwendung der Verordnung erlangt oder ausgetauscht haben und die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, wobei unter Preisgabe die Zugänglichmachung gegenüber unberechtigten Dritten oder der Öffentlichkeit zu verstehen ist ( Sura aaO Art 28 Rz 8). Eine Definition des Berufsgeheimnisses enthält die Verordnung nicht. Der EuG definiert sie als Informationen, die nur einer beschränkten Zahl von Personen bekannt sind und deren Offenlegung dem Auskunftsgeber oder einem Dritten einen ernsthaften Nachteil bestehen lassen kann. Weiteres Erfordernis ist, dass die Information objektiv schützenswert ist. Unter den Begriff des Berufsgeheimnisses fallen auch andere vertrauliche Informationen als Geschäftsgeheimnisse ( Sura aaO Rz 9).

III.2. Europäische Judikatur:

III.2.1. In der bereits erwähnten Entscheidung des EuG vom 30. 5. 2006, T‑198/03 „Bank Austria“, hat das Gericht zur Frage der Berechtigung zur Veröffentlichung (zur inhaltlich im Wesentlichen identen Vorgängerbestimmung in der VO 17/62 ) ausgesprochen, dass die Veröffentlichungen der von Organen erlassenen Rechtsakte auch dann nicht verboten ist, wenn sie nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Dies ergibt sich aus den im Primärrecht verankerten Grundsätzen der Transparenz und der Bürgernähe des Handelns der Organe der Europäischen Union (Rn 69). Art 20 Abs 2 der VO 17/62 , der die primärrechtlichen Geheimhaltungsbestimmungen für den Bereich der Wettbewerbsregeln umsetzt, steht nur der Offenlegung von Informationen entgegen, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen (Rn 70). Das allgemeine Interesse an der Transparenz des Gemeinschaftshandelns und Interessen, die dem entgegenstehen könnten, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in verschiedenen Akten des abgeleiteten Rechts, darunter der Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rats und der Kommission, miteinander zum Ausgleich gebracht. Zwar ist der Begriff „Berufsgeheimnis“ ein solcher des Primärrechts, weil er in Art 287 EG steht, und das abgeleitete Recht kann an dieser Bestimmung des Vertrags nichts ändern, doch ist die Auslegung, die der Gemeinschaftsgesetzgeber dem Vertrag zu einer darin nicht ausdrücklich geregelten Frage gibt, ein wichtiges Indiz dafür, wie die Bestimmung zu verstehen ist (Rn 72). Die gemäß Art 21 Abs 2 der VO 17/62 auf den wesentlichen Inhalt der Entscheidung beschränkte Veröffentlichungspflicht soll der Kommission ‑ unter Berücksichtigung insbesondere des mit der Veröffentlichung im Amtsblatt verbundenen Übersetzungsbedarfs ‑ die Aufgabe erleichtern, die Öffentlichkeit zu unterrichten. Sie beschränkt aber nicht die Befugnis der Kommission, den vollständigen Wortlaut ihrer Entscheidung vorbehaltlich der Beachtung des Berufsgeheimnisses zu veröffentlichen (Rz 76 und 88). Art 21 Abs 2 der VO 17/62 zielt daher nicht darauf ab, die Freiheit der Kommission zu beschränken, freiwillig eine Fassung ihrer Entscheidung zu veröffentlichen, deren Inhalt über das erforderliche Mindestmaß hinausgeht und die auch Informationen enthält, deren Veröffentlichung nicht vorgeschrieben ist, soweit die Offenlegung dieser Informationen nicht mit dem Schutz des Berufsgeheimnisses unvereinbar ist (Rz 79). Es ist auch legitim, dass die Kommission in einer Entscheidung über die Feststellung einer Zuwiderhandlung oder die Festsetzung einer Geldbuße den tatsächlichen und historischen Kontext darstellt, in den sich das beanstandete Verhalten einfügt. Das gleiche gilt für die Veröffentlichung dieser Darstellung, weil sie dazu dienen kann, der interessierten Öffentlichkeit das umfassende Verständnis der Gründe für die Entscheidung zu ermöglichen (Rn 89). Dies gilt auch für die Darstellung der Vorgeschichte des wettbewerbswidrigen Verhaltens zur Veranschaulichung der Art und Funktionsweise dieses Verhaltens (Rn 90).

III.2.2. In der Entscheidung T‑474 vom 12. 10. 2007, „Pergan“, hat das Gericht an der Judikatur festgehalten, dass auch dann, wenn die Veröffentlichung einer Handlung in den Verträgen oder einen gemeinschaftlichen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung nicht ausdrücklich vorgesehen ist, aus dem mit den Verträgen errichteten System sowie dem dort niedergelegten Grundsatz der Offenheit und der Transparenz beim Handeln der Gemeinschaftsorgane abzuleiten ist, dass die Organe in Ermangelung von Bestimmungen, die eine Veröffentlichung ausdrücklich anordnen oder untersagen, regelmäßig befugt sind, von ihnen erlassene Rechtsakte zu veröffentlichen. Eine Ausnahme besteht nur, soweit das Gemeinschaftsrecht (unter anderem durch Bestimmungen, die die Wahrung des Berufsgeheimnisses gewährleisten) einer Offenlegung dieser Rechtsakte entgegensteht. Art 21 Abs 2 der VO 17/62 stellt ebenso wie Art 20 dieser Verordnung eine sekundärrechtliche Konkretisierung des in Art 287 EG niedergelegten Schutzes des Berufsgeheimnisses dar. Er zielt daher nicht darauf ab, die Freiheit der Kommission, freiwillig eine Fassung ihrer Entscheidung zu veröffentlichen, zu beschränken (Rn 61). Was die Natur von Geschäftsgeheimnissen oder anderen dem Berufsgeheimnis unterliegende Informationen betrifft, ist zunächst Voraussetzung, dass diese Geschäftsgeheimnisse oder vertraulichen Informationen nur einer beschränkten Zahl von Personen bekannt sind. Weiterhin muss es sich um Informationen handeln, durch deren Offenlegung dem Auskunftsgeber oder Dritten ein ernsthafter Nachteil entstehen kann. Schließlich müssen die Interessen, die durch die Offenlegung der Information verletzt werden können, schützenswert sein. Bei der Beurteilung der Vertraulichkeit einer Information sind die berechtigten individuellen Interessen, die ihrer Offenlegung entgegenstehen, und das Allgemeininteresse daran, dass sich das Handeln der Gemeinschaftsorgane möglichst offen vollzieht, miteinander in Ausgleich zu bringen (Rn 65). Es ist zu prüfen, ob durch die Veröffentlichung der beanstandeten Angaben, die unter das Berufsgeheimnis fallen, ein schwerer Schaden zugefügt werden kann (Rn 68). Das Interesse eines Unternehmens, über das eine Geldbuße verhängt worden ist, daran, Einzelheiten seiner Zuwiderhandlung nicht der Öffentlichkeit preiszugeben, verdient keinen besonderen Schutz (Rn 72). Überdies muss die Befugnis zur Veröffentlichung von Entscheidungen auf Grundlage der VO 17/62 und der Umfang des Schutzes des Berufsgeheimnisses im Lichte der allgemeinen Grundsätze der Grundrechte, die fester Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind, insbesondere des Grundsatzes der Unschuldsvermutung, so wie er in Art 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt wird, ausgelegt werden. Die Unschuldsvermutung verbietet jede ausdrückliche Feststellung und selbst jede Anspielung auf eine Verantwortlichkeit einer eines bestimmten Verstoßes beschuldigten Personen in einer verfahrensbeendenden Entscheidung, wenn diese Person nicht alle Garantien der Verteidigung in Anspruch nehmen konnte. Soweit Feststellungen in Bezug auf eine von einem Unternehmen begangene Zuwiderhandlung mit der Anwendung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung in Konflikt geraten können, sind sie grundsätzlich gegenüber der Öffentlichkeit als vertraulich und damit vom Berufsgeheimnis erfasst anzusehen.

III.3. Österreichische Rechtslage:

III.3.1. In Österreich bestimmt § 37 Abs 1 KartG, dass das Kartellgericht rechtskräftig näher aufgezählte Entscheidungen - darunter auch solche über die Prüfung von Zusammenschlüssen - durch Aufnahme in die Ediktsdatei zu veröffentlichen hat. Die Veröffentlichung erfolgt unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung einschließlich der verhängten Sanktionen. Sie muss dem berechtigten Interesse der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung tragen.

Nach Abs 2 der Bestimmung hat das Kartellgericht den Parteien Gelegenheit zu geben, die Teile der Entscheidung zu bezeichnen, die sie von der Veröffentlichung ausnehmen wollen. Es hat über die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung der Entscheidung mit Beschluss des Vorsitzenden zu entscheiden.

III.3.2. Nach den Erläuterungen zum Kartell- und Wettbewerbsrechts‑Änderungsgesetz 2012 BGBl I Nr 13/2003 sollte mit der Überarbeitung der bis dahin geltenden Veröffentlichungsbestimmung der gewünschten Transparenz der Entscheidung des Kartellgerichts entsprochen werden. Es gehe um die Information über konkrete Rechtsverletzungen und nicht ‑ wie bei der Veröffentlichung in der Entscheidungsdokumentation Justiz (RIS‑Justiz) der Fall ‑ um die Information über die Auslegung des geltenden Rechts. Hinsichtlich des Umfangs der Entscheidungsveröffentlichung orientierte sich der Entwurf an Art 30 der VO 1/2003 . Der Beschluss über den konkreten Umfang der Veröffentlichung soll aber eine Ermessensentscheidung des Gerichts sein, das dabei auch auf ein berechtigtes Interesse der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Bedacht zu nehmen habe. Um den geforderten Rechtsanspruch auf Bedachtnahme entgegenzukommen, sehe § 37 Abs 2 KartG nunmehr auch ein Verfahren über die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung vor (ErlRV abgedruckt bei Hoffer/Barbist , Das neue Kartellrecht, 82; 16 Ok 14/13).

III.3.3. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, ist es Zweck des neu gefassten § 37 KartG, Schadenersatzklagen von Privaten infolge eines bindend festgestellten kartellrechtswidrigen Verhaltens zu erleichtern (16 Ok 14/13 mwN). Dies liefe aber weitgehend leer, falls eine entsprechende Information der Öffentlichkeit über derart bindende Entscheidungen nicht in ausreichendem Maße erfolgte. Die Rechtslage erfordert es, den zugrundeliegenden Sachverhalt möglichst deutlich wiederzugeben, um damit bereits eine Grundlage für die zivilrechtliche Beurteilung zu schaffen, zumindest aber, um jedermann die Prüfung zu ermöglichen, ob die Erhebung derartiger Schadenersatzansprüche im konkreten Fall für ihn überhaupt in Betracht kommt. Aus diesem Grund ist auch die namentliche Anführung der beteiligten Unternehmen im Sinne einer möglichst umfassenden und zielgerichteten Information grundsätzlich zweckmäßig (16 Ok 14/13, 16 Ok 15/13). Bedingung einer Veröffentlichung, insbesondere des Namens der Beteiligten, ist im Lichte des Art 6 MRK allerdings, dass das betreffende Unternehmen bereits Gelegenheit hatte, sich gegen die jeweiligen Vorwürfe zu verteidigen (16 Ok 14/13 unter Bezugnahme auf EuG vom 12. 10. 2007, T‑474/04 „Pergan“ Rz 73). Die Unschuldsvermutung verbietet jede ausdrückliche Feststellung einer eines bestimmten Verstoßes beschuldigten Person in einer Entscheidung, wenn diese Person nicht alle im Rahmen eines normalen, mit einer Sachentscheidung abschließenden Verfahrensablaufs zur Ausübung ihrer Verteidigungsrechte erforderlichen Garantien in Anspruch nehmen konnte (16 Ok 14/13 mwN).

Auch hat der Senat bereits ausgesprochen, dass der österreichische Gesetzgeber die unionsrechtliche Veröffentlichungsnorm (lediglich) hinsichtlich des Umfangs der Entscheidungsveröffentlichung zum Vorbild genommen hat (16 Ok 1/14).

IV. Rechtliche Berurteilung:

IV.1. Soweit die Rekurswerberin meint, das Kartellgericht habe die in § 37 Abs 1 KartG enthaltene Beschränkung auf die Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts ignoriert und damit das ihm eingeräumte Ermessen überschritten, kann dem nach dem oben Dargelegten nicht gefolgt werden.

Hinsichtlich des Umfangs der Veröffentlichung hat sich der österreichische Gesetzgeber die europarechtlichen Bestimmungen explizit zum Vorbild genommen. Nach diesen ist auch eine Volltextveröffentlichung ‑ soweit Geschäftsgeheimnisse gewahrt bleiben ‑ durchaus zulässig und wird nur im Hinblick auf den Aufwand der Übersetzung in sämtlichen Sprachen der EU und die damit einhergehende Verzögerung der Veröffentlichung in dieser Form nicht mehr wahrgenommen, aus Gründen also, die innerstaatlich nicht zum Tragen kommen.

Das Prinzip des Berufsgeheimnisses steht dem im europäischen Rechtsbereich ebenso wenig entgegen wie jenes der Amtsverschwiegenheit nach § 58 RStDG im innerstaatlichen Rechtsbereich.

IV.2. Soweit sich die Rechtsmittelwerberin auf einen Verstoß gegen Art 6 EMRK stützt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie damit letztendlich das erstgerichtliche Beweisverfahren und die darauf basierenden Sachverhaltsfeststellungen bekämpft. Eine solche Bekämpfung wäre aber bereits in einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache unzulässig gewesen (vgl RIS‑Justiz RS0123662). Noch viel weniger ist sie im nunmehrigen Verfahrensstadium, in dem nur noch über die Veröffentlichung der bereits rechtskräftigen Entscheidung zu befinden ist, möglich.

IV.3. Die Judikatur zur Unzulässigkeit von Hinweisen auf Wettbewerbsverstöße von Unternehmen im Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung (EuG 12. 10. 2007, T‑474/04 „Pergan“ und 16 Ok 14/13) ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil der Antragsgegnerin als Partei des kartellgerichtlichen Verfahrens sämtliche Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung standen und ihr insoweit grundsätzlich umfassendes rechtliches Gehör eingeräumt war. Soweit sie dies nunmehr in Bezug auf einzelne Aspekte des Beweisverfahrens bestreitet, ist ihr wiederum entgegen zu halten, dass das Verfahren über die Hauptsache rechtskräftig beendet ist und damit ‑ selbst allenfalls tatsächlich bestehende ‑ Mängel des Verfahrens oder Nichtigkeiten geheilt wurden (RIS‑Justiz RS0007477 [T2]).

Im Übrigen ist die Prüfung von Abschottungseffekten bzw Abschottungspraktiken ein notwendiges Element der Prüfung der im Zusammenschlussverfahren relevanten Frage, ob durch die Fusion eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird. Die Prüfung solcher Umstände ist daher keinesfalls dem Geldbußenverfahren vorbehalten, so wie es im Übrigen in anderem Zusammenhang auch grundsätzlich mit der Unschuldsvermutung in Einklang steht, wenn eine Person, die im Strafprozess freigesprochen wurde, in einem nachfolgenden Zivilverfahren zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet wird ( Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 5 , § 24, Rz 128).

IV.4. Soweit sich die Rechtsmittelwerberin gegen die Veröffentlichung der Umsatzzahlen der U***** wendet und diese als Geschäftsgeheimnisse ansieht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass Umsatzzahlen grundsätzlich Geschäftsgeheimnisse sein können. Dennoch liegt in concreto eine Verletzung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen nicht vor. Die fraglichen Umsatzzahlen der U***** wurden ohnehin lediglich gerundet mit „ca“ und runden Milliarden- bzw Millionenbeträgen angegeben. Überdies handelt es sich dabei um Umsatzzahlen für das Jahr 2012, die ‑ wenn sie auch noch nicht fünf Jahre alt waren ‑ dennoch bereits abgeschlossene Geschäftsjahre betrafen. Auch die Europäische Kommission hat zB in der Entscheidung vom 10. 7. 2006 Comp/M.4000 Inco/Falconbridge den weltweiten Umsatz in Millionenbeträgen veröffentlicht. Auch in der Entscheidung vom 13. 7. 2005 Comp/M.3653 Siemens/VA Tech wurde der Umsatz der beteiligten Unternehmen für das Geschäftsjahr 2003 im Umfang der Milliarden- bzw Millionenbeträge veröffentlicht. Dazu kommt, dass die Konzernmutter durch ihre Tochtergesellschaften auf unterschiedlichsten Märkten tätig ist (Rekurs S 9), womit die veröffentlichten Zahlen für ihre Wettbewerber auf dem inländischen Aufzugsmarkt keine Aussagekraft besitzen und deren Veröffentlichung für die Antragsgegnerin somit keinen Wettbewerbsnachteil bewirken kann.

IV.5. Soweit die Rekurswerberin die Feststellungen über ihre „preisliche Positionierung“ für ein „Lehrbuchbeispiel einer strategischen Information“ und damit ein Geschäftsgeheimnis hält, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Feststellung dahingehend lautet, dass „die Marktanteile der Antragsgegnerin am Neuanlagenmarkt ungeachtet des Zusammenschlusses in den nächsten Jahren sukzessive sinken werden, weil sie zu hohe Preise verlangt“. Dabei handelt es sich um eine wertende Prognose des Erstgerichts aufgrund der auf dem Markt erhebbaren Preise und keine geheimen Interna der Antragsgegnerin. Inwieweit in dieser Wertung Geschäftsgeheimnisse enthalten sein könnten bzw inwiefern damit eine öffentlich nicht bekannte strategische Ausrichtung der Antragsgegnerin öffentlich gemacht würde, ist nicht nachvollziehbar.

IV.6. Letztlich liegen auch die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht vor:

Die Antragsgegnerin hat die Möglichkeit einer Äußerung im Rahmen der Veröffentlichungsentscheidung unaufgefordert wahrgenommen. Sie hatte daher die von ihr geforderte Möglichkeit und Gelegenheit, im Einzelnen zu begründen, warum die Veröffentlichung nur unter Berücksichtigung der von ihr dargelegten Änderungen erfolgen könne. Es ist daher weder eine Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht nach § 14 AußStrG iVm § 182a ZPO ersichtlich, noch liegt eine Überraschungsentscheidung des Erstgerichts vor. Keineswegs kann § 37 Abs 2 KartG entnommen werden, dass das Kartellgericht einer Partei, die sich bereits unaufgefordert nach dieser Bestimmung geäußert hat, eine ‑ weitere ‑ Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen muss.

IV.7. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die vom Erstgericht gewählte Form der Veröffentlichung dem in § 37 KartG eingeräumten Ermessensspielraum entspricht.

Soweit die Rekurswerberin daher für den Fall der Entscheidungsreife vorbringt, dass auch die von ihr gewünschten Änderungen den wesentlichen Entscheidungsinhalt intakt ließen und näher darlegt, inwieweit dies auch bei den diversen beantragten Kürzungen der Fall sei, kommt es darauf nicht weiter an. Das Kartellobergericht hatte nämlich hier nur zu überprüfen, ob die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung der Entscheidung des Erstgerichts dem Gesetz entspricht und sich innerhalb des dem Erstgericht eingeräumten Ermessensspielraums hält, nicht hingegen, ob auch eine davon abweichende andere Fassung ‑ insbesondere die von der Rekurswerberin vorgeschlagene ‑ diesen Kriterien genügt.

Dem Rechtsmittel war daher insgesamt der Erfolg zu versagen.

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