OGH 14Os127/14d

OGH14Os127/14d20.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Tischler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bylykbash Z***** und andere Angeklagte wegen Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB, AZ 112 Hv 128/13h des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Anträge der Verurteilten Bylykbash Z***** und Ing. Peter S***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00127.14D.0120.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Dezember 2013, GZ 112 Hv 128/13h-31, wurden ‑ soweit hier wesentlich ‑ Bylykbash Z***** und Ing. Peter S***** jeweils des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie am 12. März 2012 in W***** als Zeugen in der im Verfahren gegen Halim K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB, AZ 032 Hv 63/11h des Landesgerichts für Strafsachen Wien, durchgeführten Hauptverhandlung, bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, „indem sie vorgaben, den PKW der Marke BMW X6 mit dem amtlichen Kennzeichen W***** am Freitag, dem 5. November 2010, in W***** gesehen zu haben“.

Den dagegen (auch) von diesen Angeklagten erhobenen Berufungen wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe sowie wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 13. Mai 2014, AZ 20 Bs 92/14x, nicht Folge (ON 45).

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil wenden sich die ‑ gemeinsam ausgeführten ‑ Anträge der Verurteilten Bylykbash Z***** und Ing. Peter S***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO, mit denen sie ‑ durch die Ablehnung von im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträgen und die unterbliebene Berücksichtigung überlanger Verfahrensdauer durch das Oberlandesgericht bewirkte - Verletzungen von Art 6 MRK geltend machen.

Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß auch für solche Anträge (11 Os 132/06f, SSt 2007/79; RIS-Justiz RS0122737; Reindl-Krauskopf, WK‑StPO § 363a Rz 31).

Eine dieser Voraussetzungen ist die ‑ vertikale und horizontale ‑ Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe (Art 35 Abs 1 MRK; Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 25).

Zudem hat der Antrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine - vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende -Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei. Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359).

Den von den Angeklagten in der Berufungsverhandlung gestellten Anträgen auf Vernehmung des Erkenntnisrichters im Verfahren AZ 032 Hv 63/11h des Landesgerichts für Strafsachen Wien und der in der Hauptverhandlung am 12. März 2012 anwesenden Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft sowie auf „Einsicht in das Tagebuch der Staatsanwaltschaft Wien, AZ 27 St 44/11a“, zum Beweis dafür, dass bei keinem der beiden „in der Hauptverhandlung am 12. März 2012 … der Verdacht gegenüber der Beschwerdeführer bestand, dass diese in der Hauptverhandlung am 12. März 2012 falsch aussagten“, hat das Oberlandesgericht Wien ‑ gesetzeskonform und im Einklang mit ständiger Rechtsprechung (§ 55 Abs 1 und 2 StPO; RIS-Justiz RS0097545; vgl auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 435) ‑ mit der (sinngemäßen) wesentlichen Begründung Relevanz für das Verfahren abgesprochen, dass sie bloß auf den Nachweis subjektiver Beweiswerteinschätzungen und Schlussfolgerungen der beantragten Beweispersonen gerichtet waren, Gegenstand einer Zeugenaussage aber nur Wahrnehmungen über ‑ hier (auch nach dem Antragsvorbringen) unbestrittene ‑ tatsächliche Umstände, nicht aber solche über Wissen und Wollen und damit den Vorsatz der Angeklagten sein können (S 12 des Berufungsurteils).

Indem sich die Antragsteller im Rahmen ihrer Behauptung einer Verletzung des Fairnessgebots nach Art 6 Abs 3 lit d MRK nicht (substantiiert) mit diesen Erwägungen des Berufungsgerichts auseinandersetzen, sondern diesen ‑ unter Berufung darauf, dass es sich bei den begehrten Beweispersonen um „Tatzeugen“ handle, und (bloß) damit im Zusammenhang stehende Rechtsprechung ‑ lediglich ihre gegenteilige Rechtsauffassung (wonach „der persönliche Eindruck der Zeugen in der Hauptverhandlung … für die Beurteilung, ob in diesem Verfahren die Zeugen falsch ausgesagt haben oder nicht, nicht unbedeutend sein kann“) gegenüberstellen, werden sie den zuvor aufgezeigten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht gerecht (neuerlich RIS‑Justiz RS0124359; vgl dazu auch 17 Os 13/14m [17 Os 14/14h, 17 Os 32/14f, 17 Os 33/14b] sowie zum GRBG RIS-Justiz RS0110146 [T22]).

Es ist daher nur der Vollständigkeit halber anzumerken, dass das durch Art 6 Abs 3 lit d MRK einem Angeklagten garantierte Recht auf Befragung oder Ladung von Zeugen nicht absoluter Natur ist; eine Verletzung des in Rede stehenden Konventionsrechts liegt vielmehr nur dann vor, wenn der Beschwerdeführer nachweist, dass eine Frage nicht zugelassen oder ein Zeuge nicht gehört wurde, obwohl die Erheblichkeit der Frage bzw der zu erwartenden Aussage dem Gericht nach den Umständen des Falles ersichtlich war oder sein musste, der Beschwerdeführer mithin seiner Obliegenheit, im Sinn der zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO entwickelten Judikatur sein Begehren mit Blick auf eine Förderung der Wahrheitsfindung zu konkretisieren (§ 55 Abs 1 und 2 StPO), entsprochen hat (Frowein/Peukert EMRK³ Art 6 Rz 313; RIS-Justiz RS0074996; vgl auch RS0105692).

Mit der ‑ zudem nur mit der Begründung, die von der Staatsanwaltschaft veranlassten polizeilichen Ermittlungen seien „entbehrlich“ gewesen, sohin ohne Bezeichnung konkreter, von staatlichen Behörden verursachter Verzögerungen des Verfahrens aufgestellten ‑ Behauptung einer Verletzung von Art 6 Abs 1 MRK aufgrund unverhältnismäßig langer Verfahrensdauer, scheitern die Anträge an der fehlenden Rechtswegausschöpfung, weil Derartiges in der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Dezember 2013, GZ 112 Hv 128/13h-31, nicht geltend gemacht wurde. In Bezug auf sonstige, nicht näher bezeichnete Verfahrensverzögerungen (vgl § 9 Abs 1 StPO) wurde der offenstehende Rechtsbehelf des Fristsetzungsantrags nach § 91 GOG zudem nicht ergriffen.

Die Erneuerungsanträge waren daher gemäß § 363b Abs 2 StPO (teilweise analog; vgl dazu 17 Os 11/12i) zurückzuweisen.

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