OGH 8Nc77/14m

OGH8Nc77/14m9.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann‑Prentner und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin A***** GmbH, *****, vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, Insolvenzverwalter Mag. Martin Wakolbinger, Rechtsanwalt in Enns, AZ ***** des Landesgerichts Linz, über den Delegierungsantrag der Gläubigerin S*****, vertreten durch die Schmidtmayr Sorgo Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080NC00077.14M.0109.000

 

Spruch:

Der Antrag, die Insolvenzsache an das Handelsgericht Wien zu delegieren, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Am 5. 5. 2014 stellte die Schuldnerin beim Handelsgericht Wien den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens. Mit Beschluss vom 29. 5. 2014 sprach das Handelsgericht Wien seine Unzuständigkeit aus und überwies die Insolvenzeröffnungssache gemäß § 44 JN an das Landesgericht Linz. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das (Gastronomie‑)Unternehmen nicht von Wien aus betrieben worden sei, sondern sich dort nur eine Einlagerungsstätte befunden habe, die nicht als Betriebsort angesehen werden könne. Maßgebend sei der Wohnsitz des Geschäftsführers der Schuldnerin, der sich seit 2. 1. 2014 in Linz befinde.

Mit Beschluss vom 31. 7. 2014 eröffnete das Landesgericht Linz das Insolvenzverfahren in Form eines Konkursverfahrens gemäß § 180 IO und bestellte Mag. Martin Wakolbinger, Rechtsanwalt in Enns, zum Insolvenzverwalter.

Mit Schriftsatz vom 10. 11. 2014 beantragte die Gläubigerin S***** die Delegierung der Insolvenzsache an das Handelsgericht Wien. Die Mehrzahl der Gläubiger habe ihren Sitz oder eine Niederlassung in Wien. Außerdem sei für einen Insolvenzverwalter aus Wien die Durchsetzung der Ansprüche der Schuldnerin gegen die Stadtgemeinde K***** kostengünstiger möglich.

Das Landesgericht Linz, das eine Delegierung als nicht zweckmäßig erachtet, legt dem Obersten Gerichtshof den Delegierungsantrag zur Entscheidung vor. Auch der Insolvenzverwalter und die Schuldnerin sprechen sich gegen den Delegierungsantrag aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist nicht begründet.

1. Gemäß § 31 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS‑Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung bzw Verbilligung des Verfahrens zu bewirken verspricht.

2.1 Das Argument der antragstellenden Gläubigerin, dass die Zuständigkeit des Landesgerichts Linz nur aufgrund eines unglücklichen Zufalls begründet worden sei, ist schon deshalb nicht zielführend, weil ein Delegierungsantrag gerade keinen Rechtsbehelf darstellt, der dazu dienen soll, eine Zuständigkeitsentscheidung nachträglich zu korrigieren (8 Nc 37/13b). Aus der Zuständigkeitsnorm des § 63 Abs 1 IO ergibt sich, dass der Gesetzgeber der Nähe des Insolvenzgerichts zum Betriebsort bzw zum gewöhnlichen Aufenthalt des Schuldners zur effizienten Abwicklung des Insolvenzverfahrens besondere Bedeutung beimisst (8 Nc 47/14z). Dieser schon vom Gesetzgeber in den Vordergrund gerückte Effizienzgedanke ist auch bei einer beantragten Delegierung zu berücksichtigen.

2.2 Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters handelt es sich bei der bereits gerichtlich geltend gemachten Forderung der Schuldnerin gegen die Stadtgemeinde K***** um den einzigen Vermögenswert der Schuldnerin. Der erwähnte Gerichtsprozess befindet sich im Stadium des Berufungsverfahrens. Der Insolvenzverwalter hat sich nicht nur mit der Insolvenzsache an sich, sondern auch mit dem genannten Verfahren intensiv auseinandergesetzt. Auch der zuständige Insolvenzrichter hat sich mit dem Insolvenzakt bereits beschäftigt. Unter Berücksichtigung dieser Umstände spricht die Verfahrensökonomie klar gegen die von der Gläubigerin angestrebte Delegierung. Im Fall der Delegierung bestehen weder für eine Verfahrensbeschleunigung noch für eine Kostenersparnis gesicherte Anhaltspunkte.

3. Die Voraussetzungen für die beantragte Delegierung liegen damit nicht vor. Der Delegierungsantrag der Gläubigerin war daher abzuweisen.

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