European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00230.14A.1223.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger und wurde wiederholt wegen verschiedener Vermögensdelikte verurteilt. Zuletzt wurde er mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. 7. 2007 nach § 146, § 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, § 148 zweiter Fall, § 15, teilweise § 12 zweiter und dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Unter Berücksichtigung der Vorhaft war das errechnete Strafende der 30. 9. 2011.
Er begehrte von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung die Zahlung von 245.568,53 EUR sA, weil die Ablehnung seines Antrags auf bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Drittel der Strafhaft auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhe. Das Vollzugs‑ sowie auch das Beschwerdegericht hätten mit ihren Entscheidungen gegen das Diskriminierungsverbot gemäß Art 18 AEUV verstoßen. Nach § 133a StVG sei vom Vollzug der weiteren Strafe für ausländische Staatsbürger (Nichtösterreicher) bei Vorliegen eines fremdenpolizeilichen Aufenthaltsverbots, des Willens, tatsächlich auszureisen, der Mittel für die Ausreise und dem Erreichen der Strafhälfte bzw im Hinblick auf die Schwere der Tat nach zwei Drittel der Strafe abzusehen. Spezialpräventive Gründe, die einer bedingten Entlassung entgegenstünden, seien dabei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zu prüfen. Demgegenüber sei sein Antrag auf bedingte Entlassung nach § 46 StGB beurteilt und aus spezialpräventiven Gründen abgelehnt worden. Bei unionsrechtskonformer Gesetzesanwendung wäre seinem Antrag stattzugeben gewesen, weil ein subjektives Recht auf Nichtdiskriminierung wegen der Staatsbürgerschaft bestehe.
Das Berufungsgericht bestätigte das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Weder dem Vollzugs‑ noch dem Beschwerdegericht könne vorgeworfen werden, dass sie den Antrag nach § 46 StGB geprüft hätten, weil schon nach dessen Inhalt nicht angenommen werden habe können, der Kläger werde nach der bedingten Entlassung aus der Haft das Gebiet der Republik Österreich verlassen und zumindest einige Zeit nicht mehr in das Bundesgebiet zurückkehren. Damit fehle es bereits am Verschulden eines Organs der Beklagten, weswegen der Amtshaftungsanspruch des Klägers schon aus diesem Grund abzuweisen sei.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, die keine Rechtsfragen von der Erheblichkeit des § 502 Abs 1 ZPO geltend macht.
1. Gemäß § 1 Abs 1 AHG haftet unter anderem der Bund nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Amtshaftung für ein rechtswidriges Verhalten eines Organs tritt daher nur ein, wenn es auch schuldhaft ist. Eine vom Verschulden unabhängige Haftung der Beklagten für die vom Kläger behaupteten Schäden findet im Gesetz keine Deckung und kann entgegen der Ansicht des Klägers auch mit seinen Überlegungen zum Unionsrecht nicht begründet werden.
2. Eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände vertretbare Rechtsanwendung mag zwar rechtswidrig sein, begründet aber kein Verschulden (RIS‑Justiz RS0050216). Dementsprechend kann in der Regel nur ein Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder ständigen Rechtsprechung, das unvertretbar ist und keine sorgfältige Überlegung erkennen lässt, einen Amtshaftungsanspruch zur Folge haben (RIS‑Justiz RS0049912). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung als Verschuldenselement ist ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0110837).
3. Hat ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate, verbüßt, so ist vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn 1. gegen ihn ein Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot besteht, 2. er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen, und 3. zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird, und der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (§ 133a Abs 1 StVG). Die Bestimmung des § 133a StVG gilt ihrer Konzeption nach für Personen, gegen die ein Aufenthalts‑ oder Einreiseverbot nach dem Fremdenrecht ausgesprochen werden kann und gegen die auch ein solches verhängt wurde (vgl Drexler, Strafvollzugsgesetz³ § 133a Rz 2). Der Kläger macht dazu in der Revision geltend, dass „auf einen Inländer durch seine Zusage, sich freiwillig im Ausland aufzuhalten, ein vorläufiges Abgehen vom Vollzug im Sinne des § 133a StVG analog anzuwenden sei“, und meint damit erkennbar, dass eine solche Zusage auch das über einen Fremden verhängte Aufenthalts‑ oder Einreiseverbot ersetzen solle.
4. Eine solche Zusage hat der Kläger in seinem Antrag auf bedingte Entlassung (nach „§ 46 StGB [§ 152 Abs 1 Z 2 StVG]“) und seiner Beschwerde gegen dessen Abweisung aber gar nie gegeben, sondern lediglich auf die Zusicherung eines Arbeitsplatzes hingewiesen und dazu eine Bestätigung vorgelegt, aus der sich eine potentielle Tätigkeit in Ländern außerhalb der Europäischen Union, verbunden mit einer oftmaligen Reisetätigkeit entnehmen ließ. Dass daraus keinesfalls auf eine Art „Ausreiseverpflichtung“ geschlossen werden konnte, die einem Einreise‑ oder Aufenthaltsverbot gleichzuhalten wäre, wie der Kläger offenbar meint, bedarf keiner näheren Erörterung. Es begründet daher auch keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung (vgl RIS‑Justiz RS0110837), wenn das Berufungsgericht schon aus diesem Grund ein Verschulden von Organen der Beklagten verneinte und damit vom Vorliegen einer jedenfalls vertretbaren Rechtsansicht ausging. Damit musste das Berufungsgericht auch der Frage, ob eine analoge Anwendung des § 133a StVG auf einen österreichischen Staatsbürger überhaupt in Betracht kommt, nicht mehr nachgehen. Auch aus Anlass der außerordentlichen Revision erübrigt sich aus diesem Grund eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Klägers in diesem Zusammenhang. Sein Rechtsmittel ist damit zurückzuweisen, ohne dass auf seine Überlegungen zu Art 18 AEUV näher eingegangen werden müsste.
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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