OGH 1Ob233/14t

OGH1Ob233/14t23.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 8. Februar 2010 verstorbenen F***** P*****, über den Revisionsrekurs des Testamentsvollstreckers Dr. G***** S*****, emeritierter Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. September 2014, GZ 45 R 95/14z‑174, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16. Jänner 2014, GZ 84 A 28/10i‑159, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00233.14T.1223.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Die Erblasserin setzte in ihrem Testament vier Verwandte (Nichten und Neffen) zu unterschiedlichen Anteilen zu Erben ihres ‑ vor allem aus Liegenschaften und Liegenschaftsanteilen bestehenden ‑ Vermögens ein, erteilte diesen bestimmte Auflagen und verteilte weiteres Vermögen in Form von Legaten. Abgesehen von den im Testament im Einzelnen bezeichneten Vermögenswerten erklärte sie in Punkt XIII. ihr „restliches Vermögen“ drei Erben zusätzlich zu ihren Erbteilen zu gleichen Teilen mit der Auflage zu vermachen, dieses Vermögen für die Erhaltung der Gebäude auf einer bestimmten Liegenschaft zu verwenden, an denen diesen Erben Anteile zufallen sollten. In diesem Zusammenhang verfügte sie weiters: „Die Geldmittel sind fruchtbringend anzulegen. Dies und ihre Verwahrung steht ausschließlich dem Testamentsvollstrecker und seinen Nachfolgern zu. Die widmungsgemäße Verwendung erfolgt durch den Hausverwalter. Diese Verwendung hat der Testamentsvollstrecker als weitere Aufgabe auch nach Ende seines Amtes zu überwachen und nach ihm seine Nachfolger.“ Schließlich ordnete sie an, dass „die Nichterfüllung dieser Auflage“ bewirke, dass die Auflageverpflichteten der Zuwendung dieses „restlichen Vermögens“ verlustig gingen und dieses einer kirchlichen Institution zufallen solle. In Punkt XV. der letztwilligen Verfügung berief die Erblasserin den nunmehrigen Antragsgegner zum Testamentsvollstrecker und ordnete im Einzelnen Folgendes an: „Zusätzlich zu den gesetzlichen Aufgaben kommen ihm die in diesem Testament erweiterten Aufgaben und Rechte zu und zwar auch über die Einantwortung hinaus. Der Testamentsvollstrecker und seine Rechtsnachfolger sind insbesondere berechtigt und verpflichtet, die Einhaltung aller Auflagen und sonstigen Verpflichtungen ... zu überwachen. Die Bestellung ... zum Testamentsvollstrecker ... wird durch eine allfällige Niederlegung seiner Rechtsanwaltschaft nicht berührt. Er ist ausdrücklich ermächtigt, an seiner Stelle einen Nachfolger als Testamentsvollstrecker zu benennen ...“.

Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens beantragten alle vier Erben übereinstimmend, dem Antragsgegner das zur Verwaltung übergebene „restliche Vermögen“ zu entziehen und seine Bestellung für unwirksam zu erklären oder ihn mit sofortiger Wirkung zu entheben.

Das Erstgericht sprach aus, dass der Antragsgegner als Testamentsvollstrecker von seinen Verwaltungsaufgaben enthoben werde und verwies darauf, dass ein Testamentsvollstrecker nicht nur aus wichtigen Gründen gerichtlich abberufen, sondern unabhängig davon auch von den gemeinsam agierenden Erben von seinen Verwaltungsfunktionen enthoben werden könne.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass festgestellt werde, dass der Testamentsvollstrecker von den ihm nach der letztwilligen Verfügung zukommenden Verwaltungsbefugnissen zufolge Widerrufs aller erbantrittserklärten Erben enthoben sei; es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es sei zwar richtig, dass einer freien Widerrufbarkeit der Stellung des verwaltenden Testamentsvollstreckers in der Fachliteratur entgegengetreten werde. Der Oberste Gerichtshof sei aber auch im gegenständlichen Verfahren der mit der Entscheidung 2 Ob 1/08y eröffneten Judikaturlinie gefolgt, wonach die Erben die dem Testamentsvollstrecker nach dem Willen des Erblassers zukommenden Verwaltungsfunktionen ‑ nicht aber sein Amt schlechthin ‑ entziehen könnten. Er könne daher von ‑ wie hier ‑ gemeinsam agierenden Miterben von seinen Verwaltungsaufgaben enthoben werden, wenn der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung hiezu nichts Gegenteiliges angeordnet habe. Dem Testament sei nicht zu entnehmen, dass die Erblasserin gegenüber den Erbeingesetzten angeordnet hätte, auf das Widerspruchsrecht (richtig wohl: Widerrufsrecht) gegenüber dem Testamentsvollstrecker zu verzichten bzw von diesem Recht auf keinen Fall Gebrauch zu machen. Vielmehr sei die Nichterfüllung der erteilten Auflagen lediglich unter der Sanktion des Verlustes des „restlichen Vermögens“ laut Punkt XIII. der letztwilligen Verfügung gestanden. Im Sinne der in diesem Verfahren ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung wirke daher der den bisherigen übereinstimmenden Antragsbegehren aller Miterben inhaltlich zu entnehmende Widerruf der Verwaltungsvollmacht des Testamentsvollstreckers konstitutiv. Da eine Enthebung durch das Verlassenschaftsgericht in diesen Fällen nicht stattzufinden habe, sei eine deklarative Beschlussfassung vorzunehmen, weshalb der angefochtene Beschluss mit einer entsprechenden Maßgabe zu bestätigen sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zulässig, weil die Frage der Zulässigkeit der Nachlassverwaltung durch den letztwillig eingesetzten Testamentsvollstrecker gegen den Willen der Erben insbesondere im Hinblick auf die überwiegend gegenteiligen Literaturstimmen nach der Entscheidung 2 Ob 1/08y weiterhin umstritten sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat sich schon wiederholt mit der Frage befasst, in welchem Verhältnis die Verwaltungsbefugnis eines (auch) zu diesem Zweck eingesetzten Testamentsvollstreckers nach § 816 ABGB zum Recht der (erbantrittserklärten) Erben steht, das Verlassenschaftsvermögen gemäß § 810 Abs 1 ABGB zu verwalten und die Verlassenschaft zu vertreten. Zu 2 Ob 1/08y = SZ 2008/25 setzte sich der Oberste Gerichtshof mit den dazu vertretenen unterschiedlichen Lehrmeinungen auseinander und schloss sich schließlich dem Ansatz von F. Bydlinski (Letztwillige Verwaltungsanordnungen, JBl 1981, 72 ff) an, wogegen er die gegenteilige ‑ und nunmehr vom Revisionsrekurswerber vertretene ‑ Auffassung von Zankl (Vertretungs‑ und schadenersatzrechtliche Aspekte der Testamentsvollstreckung, JBl 1998, 293 ff; Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung, Besprechung der Entscheidung 10 Ob 507/95, NZ 1998, 72 f) ablehnte. Der Senat gelangte zum Ergebnis, dass ein (verwaltender) Testamentsvollstrecker von gemeinsam agierenden Miterben - jedenfalls dann, wenn der Erblasser in einer gültigen letztwilligen Verfügung hiezu nichts Gegenteiliges angeordnet hat ‑ von seinen Verwaltungsaufgaben enthoben werden könne. Dieser Auffassung ist der erkennende Senat in diesem Verfahren zu 1 Ob 3/13t beigetreten und hat unter Hinweis auf die dargelegte Vorjudikatur vom Widerruf der dem Testamentsvollstrecker vom Erblasser eingeräumten Verwaltungsbefugnis als gemeinschaftlichem Recht aller erbantrittserklärten Erben bzw vom konstitutiv wirkenden Widerruf der Verwaltungsvollmacht des Testamentsvollstreckers durch die Erben gesprochen.

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts haben die von diesem genannten Autoren keine gegenteilige Auffassung zu den erwähnten Entscheidungen zum Ausdruck gebracht. Vielmehr weist Tschuguell zu 1 Ob 3/13t (iFamZ 2013/196) lediglich darauf hin, dass es sich um eine „gleichbleibende Rechtsprechung des OGH“ handle; zu 2 Ob 1/08y führte er aus, ausgehend von den gegenteiligen Meinungen Zankls und Welsers dürfe man den literarischen Äußerungen zur vorliegenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gespannt entgegensehen (iFamZ 2008/109). Mondel äußert sich zwar auch inhaltlich zu 2 Ob 1/08y (NZ 2008/70) nimmt aber nicht abschließend Stellung; er bringt vor allem sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass sich der Oberste Gerichtshof mit der Thematik und den Argumenten Zankls nicht näher auseinandergesetzt habe; das Verhältnis von § 810 zu § 816 ABGB sei noch nicht abschließend geklärt.

Da sich der Oberste Gerichtshof in seinen beiden Entscheidungen zur auch hier zu beurteilenden Thematik mit den bisherigen Literaturstimmen auseinandergesetzt hat und weder die nachfolgende Literatur noch der Revisionsrekurswerber zusätzliche Argumente ins Treffen geführt hat, kann von einer ausreichend gesicherten Rechtsprechung ausgegangen werden, womit eine im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen ist (vgl nur RIS‑Justiz RS0103384 [insb T3, T4]).

Soweit der Revisionsrekurswerber ‑ unter Hinweis auf die dargestellte Einschränkung in der Entscheidungsbegründung zu 2 Ob 1/08y ‑ die Auffassung vertritt, es ergebe sich aus dem Wortlaut der letztwilligen Verfügung, dass die Erblasserin eigenes Verwaltungshandeln der Erben deutlich ausgeschlossen habe, wird nicht klar, aus welchen Formulierungen Derartiges abgeleitet werden sollte. Wenn das Rekursgericht in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, es sei dem Testament nicht zu entnehmen, dass die Erblasserin gegenüber den Erbeingesetzten angeordnet hätte, sie müssten auf das Widerspruchsrecht gegenüber dem Testamentsvollstrecker verzichten bzw von diesem Recht auf keinen Fall Gebrauch machen, kann darin keine bedenkliche Fehlinterpretation vom Gewicht einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG gesehen werden. Das Rekursgericht hat etwa darauf hingewiesen, dass die Nichterfüllung der erteilten Auflagen „lediglich“ unter der Sanktion des Verlusts des „restlichen Vermögens“ stehe. Wenn die Erblasserin in Punkt XIII.2. letzter Satz ihrer letztwilligen Verfügung angeordnet hat, der Testamentsvollstrecker habe die widmungsgemäße Verwendung als weitere Aufgabe „auch nach Ende seines Amtes“ zu überwachen (und nach ihm seine Nachfolger), geht sie offenbar selbst davon aus, dass seine Verwaltungsbefugnis zu einem früheren Zeitpunkt wegfallen kann als seine (weiterbestehende) Überwachungsfunktion. Wenn der Revisionsrekurswerber in diesem Zusammenhang ausführt, die Anordnung, dass das Geld in Händen des Testamentsvollstreckers zu verbleiben hat, solle gerade verhindern, dass es in die Verfügung der Erben komme, weil es sonst für einen anderen als den angeordneten Zweck verwendet werden könnte, lässt er außer Acht, dass seine überwachende Funktion auch bei einem Widerruf der Verwaltungsaufgaben aufrecht bleibt und er damit weiter in der Lage ist, die den Erben bei einem Verstoß angedrohten Nachteile herbeizuführen.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 73 Abs 1 AußStrG).

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