OGH 7Ob214/14t

OGH7Ob214/14t10.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Ltd, *****, vertreten durch Dr. Andreas Haberl und Dr. Gotthard Huber, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagten Parteien 1. K***** GmbH, *****, 2. M***** E*****, 3. F***** M*****, sämtliche vertreten durch Mandl & Mitterbauer Rechtsanwälte GmbH in Altheim, wegen 688.633,40 EUR sA, in Folge der außerordentlichen Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. Oktober 2014, GZ 1 R 108/14d‑88, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00214.14T.1210.000

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte von den Beklagten die Zahlung von 734.103,98 EUR sA, von den Erst‑ und Zweitbeklagten weitere 408.606 EUR und von den Zweit‑ und Drittbeklagten weitere 40.000 EUR sA. Dieses Klagebegehren setzte sich aus zehn Klagspositionen zusammen. Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 11. 12. 2012 wurde das Klagebegehren zu den Positionen 3, 4 und 10 rechtskräftig abgewiesen.

Zur Klagsposition 6 brachte die Klägerin vor, sie habe eine Dreifarbendruckmaschine an einen chinesischen Kunden verkauft. Nachdem der Drittbeklagte Ende März 2007 als Geschäftsführer der Klägerin ausgeschieden sei, habe er gemeinsam mit der Zweitbeklagten die Herausgabe der im Eigentum der Klägerin stehenden Maschine verweigert und deren Auslieferung von der Bezahlung einer ‑ tatsächlich nicht bestehenden ‑ Forderung von 50.000 EUR an die Erstbeklagte abhängig gemacht. Die Klägerin habe daraufhin am 26. 4. 2007 an die Erstbeklagte rechtsgrundlos 40.000 EUR überwiesen, woraufhin der Drittbeklagte die Maschine zur Auslieferung nach China freigegeben habe. Das Vorgehen erfülle den Tatbestand der Erpressung nach § 144 StGB.

Zur Klagsposition 7 fordert die Klägerin die Zahlung von 11.500 EUR sA von allen Beklagten. Der Erstbeklagte habe am 23. 10. 2005 eine der Klägerin gehörende Messerschleifmaschine um 11.500 EUR an ein türkisches Unternehmen verkauft. Der von den Beklagten lukrierte und rechtswidrig schuldhaft vorenthaltene Veräußerungserlös stehe der Klägerin als Eigentümerin zu. Der Drittbeklagte habe unter Beteiligung der Zweitbeklagten das Delikt der Veruntreuung gemäß § 133 Abs 2 StGB verwirklicht.

Mit Teilurteil vom 16. 4. 2014 wies das Erstgericht diese Begehren ab.

Der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin aus Abweisung der Klagsposition (40.000 EUR) und zu Klagsposition 7, die im Umfang von 7.000 EUR bekämpft wurde, gab das Berufungsgericht keine Folge. Es ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhob die Klägerin eine außerordentliche Revision, die dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vorgelegt wurde.

1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen der Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Die Regelung des § 55 Abs 1 JN gilt auch für Rechtsmittelverfahren (§ 55 Abs 4 JN) und damit für den Entscheidungsgegenstand (RIS‑Justiz RS0053096; RS0037838 [T38]).

2. Eine Zusammenrechnung hat nach § 55 Abs 1 Z 1 JN zu erfolgen, wenn mehrere Ansprüche von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und die Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Bei der Prüfung ist von den Klagsangaben auszugehen (RIS‑Justiz RS0106759). Fehlt es an einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang, so muss als Entscheidungsgegenstand jeder dieser Ansprüche einzeln betrachtet werden (RIS‑Justiz RS0042753).

Ein tatsächlicher Zusammenhang nach § 55 Abs 1 JN läge vor, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreichte, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ergänzendes Vorbringen erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0037648 [T4]). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches oder tatsächliches Schicksal haben kann (RIS‑Justiz RS0037648 [T18]).

Abgesehen davon, dass das Klagebegehren der Position 7 gegenüber allen Beklagten, jenes der Position 6 nur gegenüber den Zweit‑ und Drittbeklagten geltend gemacht wird, besteht zwischen diesen beiden Ansprüchen kein tatsächlicher und auch kein rechtlicher Zusammenhang.

3. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) eine Revision nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Das ist hier nur hinsichtlich der Klagsforderung Position 6 der Fall. Hinsichtlich der für die Frage der Revisionszulässigkeit getrennt zu beurteilenden Forderung der Klagsposition 7 kann die Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.

4. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mittels Abänderungsantrags angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat, auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist, das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge nach § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind (RIS‑Justiz RS0109623). Solange eine Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht nicht erfolgt, mangelt es insoweit an der funktionellen Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 79/13y).

Das Erstgericht wird daher den Akt zunächst dem Berufungsgericht zu übermitteln haben, das eine Entscheidung gemäß § 508 ZPO hinsichtlich der Klagsforderung Position 7 über 7.000 EUR zu treffen haben wird. Erst dann ist der Akt dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.

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