OGH 12Os135/14s

OGH12Os135/14s27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. November 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krampl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nihad M***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB, AZ 29 U 21/14w des Bezirksgerichts Salzburg, über den auf das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. September 2014, AZ 43 Bl 77/14g, bezogenen Antrag der Generalprokuratur auf außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00135.14S.1127.000

 

Spruch:

In Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Berufungs‑ und Beschwerdeverfahrens AZ 43 Bl 77/14g des Landesgerichts Salzburg verfügt, das Urteil dieses Gerichts vom 11. September 2014 aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 23. Juni 2014, GZ 29 U 21/14w‑21, an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Nihad M***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 23. Juni 2014, GZ 29 U 21/14w‑21, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt. Mit zugleich gefasstem Beschluss sah dieses Gericht vom Widerruf bedingter Strafnachsichten ab.

Gegen diese Entscheidungen erhob die Staatsanwaltschaft (zum Nachteil des Angeklagten) Berufung und Beschwerde (ON 23).

Die Ladung des Angeklagten zur Berufungsverhandlung wurde (laut im Akt AZ 43 Bl 77/14g erliegender Hinterlegungsmitteilung) nach erfolglosem Versuch persönlicher Zustellung beim zuständigen Postamt am 1. September 2014 hinterlegt.

Am 11. September 2014 führte das Landesgericht Salzburg die Berufungsverhandlung ‑ nach damaliger Aktenlage rechtskonform (vgl § 471 iVm §§ 286 Abs 1, 294 Abs 5 zweiter Satz StPO) ‑ in Anwesenheit des Verteidigers, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten (der auf die Teilnahme nicht verzichtet hatte), durch. In Stattgebung der Berufung verhängte es über den Angeklagten eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe und „verwies die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung“.

Mit Schreiben vom 25. September 2014 teilte die Österreichische Post AG dem Berufungsgericht mit, dass Nihad M***** der zu AZ 43 Bl 77/14g hinterlegte Rückscheinbrief nicht habe ausgefolgt werden können, weil die Sendung „nach Hinterlegung trotz intensiver Suche nicht auffindbar war“.

Diese (nachträglich zum Akt gekommene) Urkunde weckt ‑ wie die Generalprokuratur in ihrem gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO gestellten Antrag zutreffend aufzeigt ‑ erhebliche Bedenken an der Annahme des Berufungsgerichts, dem Angeklagten sei die Ladung zur Berufungsverhandlung (wirksam) durch Hinterlegung zugestellt worden:

Gemäß § 17 Abs 3 dritter Satz ZustG gelten hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird (§ 17 Abs 3 zweiter Satz ZustG). Aus der Mitteilung der Österreichischen Post AG ergibt sich, dass der die Ladung enthaltende Rückscheinbrief nicht aufgefunden werden konnte. Zudem fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Sendung jemals zur Abholung bereitgehalten wurde.

Somit ist eine (nicht vom Obersten Gerichtshof getroffene) Entscheidung eines Strafgerichts auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv unrichtigen Verfahrensgrundlage ergangen, ohne dass dem Gericht ein Rechtsfehler anzulasten ist. Dies war durch Verfügung der außerordentlichen Wiederaufnahme auf die im Spruch ersichtliche Weise in analoger Anwendung des § 362 Abs 1 Z 2 StPO zu sanieren (RIS‑Justiz RS0117416, RS0117312 [insb T7]).

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