OGH 11Os126/14k

OGH11Os126/14k25.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. November 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kenan C***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 29. Juli 2014, GZ 37 Hv 31/14m‑50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00126.14K.1125.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kenan C***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (B./), der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (A./, C./I./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C./II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. Juni 2013 in K***** Jana R*****

A./ mit Gewalt zur Unterlassung der Verständigung eines Dritten über ihren Aufenthaltsort genötigt, indem er ihr das Mobiltelefon aus der Hand schlug;

B./ mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem er sie würgte, niederdrückte, sie schlug, an den Haaren riss und ihre Brüste packte, sie im Scheidenbereich betastete und seine Finger in ihre Scheide einführte;

C./ im Anschluss an die zu B./ geschilderte Tat

I./ durch gefährliche Drohung (mit einer Verletzung am Körper ‑ US 7) zu einem Sprung auf die Seite genötigt, indem er mit seinem Fahrzeug zweimal auf die zu Fuß vor ihm Flüchtende zufuhr;

II./ vorsätzlich durch die zu C./I./ geschilderte Tat durch Zufügen von Abschürfungen am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Gegenstand von Rechts‑ und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines solcherart gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS‑Justiz RS0099810; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581).

Die Kritik der Rechtsrüge (Z 9 lit a) an den Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Schuldspruchpunkte C./I./ und C./II./ erschöpft sich in der bloßen Behauptung substanzlosen Gebrauchs der

verba legalia, ohne im Einzelnen darzulegen, weshalb die mit ausführlichem Bezug zum objektiven Tatgeschehen getroffenen Konstatierungen (US 6 f) nicht zur abschließenden rechtlichen Beurteilung ausreichen sollten (RIS‑Justiz RS0099620).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet ein, das Eindringen (bloß) „mit den Fingerspitzen“ in die Scheide des Opfers sei (noch) keine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung und spricht ‑ argumentativ darauf aufbauend ‑ die Unterscheidung zwischen Versuch und Vollendung, also eine Strafzumessungstatsache an (

der Sache nach Z 11; RIS‑Justiz RS0122137, RS0122138). Auch für diesen (materiell‑rechtlichen) Nichtigkeitsgrund gilt die Bindung an das Feststellungssubstrat des angefochtenen Urteils.

Aus welchem Grund die Penetration mit den Fingerspitzen (US 5) einzelfallbezogen nach der Summe der Auswirkungen und Begleiterscheinungen (welche vom Nichtigkeitswerber völlig ausgeklammert werden) nicht die Beurteilung zulassen sollte, dass diese geschlechtliche Handlung dem Beischlaf gleichzusetzen sei (vgl RIS‑Justiz RS0095004), wird im Rechtsmittel indes nicht aufgezeigt.

Es bleibt zu bemerken, dass der Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB nach gefestigter Rechtsprechung (in objektiver Hinsicht) nicht den „Vollzug“ des Beischlafs oder einer diesem gleichzusetzenden Handlung verlangt; es genügt vielmehr, dass der Täter anfängt, eine solche Handlung vorzunehmen, und das Tatopfer beginnt, diese zu erdulden (RIS‑Justiz RS0115581, RS0090720; vgl Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 43 ff). Das Delikt ist daher schon dann vollendet, wenn es noch zu gar keinem Eindringen (hier:) eines Fingers in die Vagina des Opfers, wohl aber bereits zu einer Berührung dessen äußeren Geschlechtsteils gekommen ist (RIS‑Justiz RS0115581 [T2, T3]), sofern der Täter dabei ‑ wie hier (US 5) ‑ mit dem Vorsatz handelte, das Tatopfer mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu nötigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ‑ die trotz Antrags auf gänzliche Aufhebung des Urteils keinerlei Sachvorbringen zum Schuldspruch A./ enthält (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) ‑ war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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