European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00069.14S.1125.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 26. 6. 2009, GZ 13 Pu 110/09i‑49, waren dem Minderjährigen unter Bezugnahme auf den gegen die Mutter bestehenden Unterhaltsanspruch Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1. 6. 2009 bis 31. 5. 2012 in Höhe von monatlich 150 EUR gewährt worden. Weiters waren dem Minderjährigen mit Beschluss des Erstgerichts vom 30. 6. 2009, GZ 13 Pu 110/09i‑50, unter Bezugnahme auf den gegen den Vater bestehenden Unterhaltsanspruch Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1. 7. 2009 bis 30. 6. 2012 in Höhe von monatlich 160 EUR gewährt worden.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 24. 5. 2012, GZ 13 Pu 110/09i‑96 wurden die Unterhaltsvorschüsse in Höhe von monatlich 160 EUR (Vater) im Zeitraum vom 1. 7. 2012 bis 30. 6. 2017 weiter gewährt, wobei diese Unterhaltsvorschüsse mit Beschluss vom 11. 7. 2012 unter Bezugnahme auf die Titelerhöhung auf monatlich 200 EUR erhöht wurden. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 20. 2. 2013, GZ 13 Pu 110/09i‑102, wurden die Unterhaltsvorschüsse in Höhe von monatlich 150 EUR (Mutter) im Zeitraum vom 1. 3. 2013 bis 28. 2. 2018 weiter gewährt.
Wie sich aus der Aktenlage ergibt, teilte das Land Wien als Kinder‑ und Jugendhilfeträger am 10. 12. 2013 gemäß § 21 UVG mit, dass sich der Minderjährige im Rahmen der vollen Erziehung und im Auftrag des Wiener Kinder‑ und Jugendhilfeträgers bei der mütterlichen Großmutter in Pflege und Erziehung befinde (ON 106).
Mit den Beschlüssen vom 12. 12. 2013 wurde mit der Auszahlung der Unterhaltsvorschüsse daraufhin zur Gänze innegehalten.
Das Erstgericht stellte die gewährten Unterhaltsvorschüsse in Höhe von 200 EUR sowie von monatlich 150 EUR jeweils mit Ablauf des Dezember 2013 ein, erklärte die Innehaltung als aufgehoben und wies den Antrag des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers auf Aufhebung der Innehaltung sowie Auszahlung der Vorschüsse ab. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, § 44 Abs 6 WKJHG 2013 räume bestimmten nahen Angehörigen eines Kindes, welche dieses im Rahmen der vollen Erziehung im Auftrag des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers pflegen und erziehen, einen Rechtsanspruch auf das Pflegekindergeld ein. Gemäß § 20 UVG seien daher die bisher gewährten Unterhaltsvorschüsse einzustellen.
Das Rekursgericht gab den Rekursen des Minderjährigen (vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger) nicht Folge. Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG bestehe ein Anspruch auf Vorschüsse dann nicht, wenn das Kind aufgrund einer Maßnahme der Sozialhilfe oder der vollen Erziehung nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung untergebracht sei. Maßgeblich sei, ob der Unterhalt des Kindes durch öffentlich‑rechtliche Leistungen der Sozialhilfe oder der Jugendwohlfahrtspflege abgedeckt werde, also das Kind aus öffentlichen Mitteln „voll versorgt“ sei. Entscheidungsrelevant sei daher, ob dem Kind oder der dieses betreuenden Person ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Sozialhilfeleistung zukomme. § 27 Abs 6 des Wiener Jugendwohlfahrtsgesetzes 1990 habe keinen Rechtsanspruch auf Pflegeelterngeld gewährt. Diese Bestimmung sei aber durch § 44 Abs 1 und 6 des am 16. 12. 2013 in Kraft getretenen WKJHG 2013 abgeändert worden. Nunmehr gebühre Personen, die mit den von ihnen betreuten Kindern bis zum 3. Grad verwandt oder verschwägert seien, zur Durchführung der vollen Erziehung (§ 30) Pflegekindergeld in der Höhe des Richtsatzes. Nach § 30 Abs 1 WKJHG 2013 sei volle Erziehung zu gewähren, wenn das Kindeswohl gefährdet und zu erwarten sei, dass die Gefährdung nur durch Betreuung außerhalb der Familie oder des sonstigen bisherigen Wohnungsumfeldes abgewendet werden könne, sofern der Kinder‑ und Jugendhilfeträger mit der Pflege und Erziehung betraut ist. Unter den genannten Voraussetzungen bestehe somit ein Rechtsanspruch auf Auszahlung des Pflegekindergeldes. Ausgehend von dem gemäß § 2 Abs 2 UVG der Entscheidung zugrunde zu legenden Vorbringen des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers in dessen Mitteilung gemäß § 21 UVG, nach der sich das Kind im Rahmen der vollen Erziehung und im Auftrag des Wiener Kinder‑ und Jugendhilfeträgers bei der Großmutter mütterlicherseits in Pflege und Erziehung befinde, seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegekindergeld für nahe Angehörige gemäß § 44 Abs 6 WKJHG 2013 gegeben. Sei ein Rechtsanspruch auf das Pflegekindergeld zu bejahen, seien die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Z 2 UVG verwirklicht, sodass Unterhaltsvorschüsse ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zustünden. § 44 Abs 7 WKJHG 2013 beziehe sich nur auf Personen, die vom Gericht mit der Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung betraut werden, wenn eine Beendigung des Pflegeverhältnisses gemäß § 40 WKJHG 2013 vorausgegangen sei. Diesen Personen könne vom Kinder‑ und Jugendhilfeträger unter Berücksichtigung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Pflegekindergeld bis zur Höhe des Richtsatzes gewährt werden. § 44 Abs 7 WKJHG 2013 stelle ‑ im Gegensatz zu der vom Erstgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegten Bestimmung des § 44 Abs 1 iVm § 6 WKJHG 2013 ‑ eine „Kann‑Bestimmung“ dar. Eine gerichtliche Obsorgeübertragung iSd § 44 Abs 7 WKJHG 2013 sei aber nach der Aktenlage im konkreten Fall nicht erfolgt.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, da keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs 2 Z 2 UVG im Lichte der Bestimmungen des WKJHG 2013 bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Minderjährigen ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 71 Abs 1 AußStrG) mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
Der Revisionsrekurswerber bringt in seinem Revisionsrekurs nunmehr (erstmals) vor, das Bezirksgericht Floridsdorf habe bereits im Jahr 2012 der Großmutter des Minderjährigen die Obsorge gerichtlich übertragen, sodass kein Fall der vollen Erziehung gemäß § 30 WKJHG gegeben sei. Der Großmutter des Minderjährigen komme deshalb kein Rechtsanspruch gemäß § 44 Abs 6 WKJHG zu; es liege kein Versagungsgrund gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG vor.
Auf dieses Vorbringen kann jedoch nicht Bedacht genommen werden, da es gegen das im Revisionsrekursverfahren geltende Neuerungsverbot verstößt (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 15 UVG Rz 29). Nach § 66 Abs 2 AußStrG können neue Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich nur zur Unterstützung oder Bekämpfung der Revisionsrekursgründe vorgebracht werden. Neuerungen wären lediglich dann zu berücksichtigen, wenn der Rechtsmittelwerber deren Zulässigkeit behauptet und schlüssig darlegt, dass es sich bei der Verspätung (Unterlassung) des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung handelt (RIS‑Justiz RS0079200 [T2]).
Im Revisionsrekurs werden derartige Gründe aber gar nicht geltend gemacht, sodass die Behauptung der 2012 erfolgten gerichtlichen Obsorgeübertragung an die Großmutter des Minderjährigen eine unzulässige Neuerung darstellt.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG war daher mit einer Zurückweisung des Revisionsrekurses vorzugehen.
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