OGH 15Os113/14b

OGH15Os113/14b29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Einberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Leopold H***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 7. Juli 2014, GZ 606 Hv 7/14p‑20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00113.14B.1029.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 21 Monaten verhängt.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Leopold H***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (I./) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 23. April 2014 in D*****

I./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Vlasta K***** als Mittäterin mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz versucht, Berechtigten des Lagerhauses fremde Sachen in einem 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert durch Einbruch wegzunehmen, indem sie das Schloss der Eingangstür des Geschäftsraums mit einem Schraubenzieher und einer Zange aufbrachen und Lebensmittel, einen Nussaufsatz, einen Gabelschlüsselsatz und eine Digitalkamera mit Etui und Ladegerät an sich nahmen, jedoch von der Polizei festgenommen wurden;

II./ eine fremde Sache, nämlich die Alarmanlage des Lagerhauses beschädigt, indem er diese zertrümmerte, wodurch den „Berechtigten des Lagerhauses“ ein Schaden von 2.000 Euro entstand.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 sowie Z 9 lit a und b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Leopold H*****.

Zum Schuldspruch I./:

Da die Frage, „wann konkret“ der Angeklagte und Vlasta K***** die Begehung eines Einbruchsdiebstahls beschlossen hatten, nicht entscheidend ist (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399), geht der insoweit im Rahmen der Mängelrüge erhobene Einwand der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) ins Leere. Im Übrigen ging das Erstgericht von einer entsprechenden Übereinkunft vor Fahrtantritt nach D***** aus (US 4).

Die Beschwerdebehauptung (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), „der Tat- und Bereichungsvorsatz zum Zeitpunkt der Tat“ sei nicht in ausreichender Weise festgestellt worden, vernachlässigt die eindeutigen Konstatierungen (US 4).

Dem Vorbringen der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider wurde die subjektive Tatseite einerseits mit Hinweis auf das Geständnis des Angeklagten sowie andererseits mit ‑ zulässiger (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452 mwN) ‑ Bezugnahme auf das äußere Tatgeschehen (s US 5) formal einwandfrei begründet.

Genauso wurden ‑ dem nachfolgenden Beschwerdevorbringen (Z 5 vierter Fall) zuwider ‑ die Feststellungen zum objektiven Tatablauf unter Hinweis auf die zuletzt umfassend geständige Verantwortung des Angeklagten, die Erhebungsergebnisse der Polizei und insbesondere auch die Aussage der Vlasta K***** (s ON 3 S 41) logisch und empirisch einwandfrei begründet (US 5).

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit b) das Fehlen von Feststellungen zum Schuldausschließungsgrund nach § 11 StGB kritisiert, zeigt er keinen nichtigkeitsbegründenden Mangel im Sinne der Z 9 lit b auf. Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600, 602, 611). Weshalb in den im Rechtsmittel ins Treffen geführten Angaben des Angeklagten, wonach er aufgrund der tristen Lebenssituation der Vlasta K***** und auch des gemeinsamen Sohnes „nicht gedacht“ habe und „fertig“ gewesen sei (ON 19 S 4 ff), Indizien für eine ‑ für die Annahme des Schuldausschließungsgrundes des § 11 StGB erforderliche ‑ Unfähigkeit, das Unrecht seiner Taten einzusehen und sich nach dieser Einsicht zu verhalten, zu erblicken sein sollten, lässt die Rüge offen.

Zum Schuldspruch II./:

Das Vorbringen der Mängelrüge spricht keine entscheidende Tatsache an, weil die Art und Weise der Beschädigung für das Erkenntnis in der Schuldfrage nicht maßgebend ist und weder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss nimmt (RIS‑Justiz RS0106268).

Der nominell unter Z 9 lit a (der Sache nach Z 10) geltend gemachte Einwand, das Urteil sei mit einem Subsumtionsfehler behaftet, weil der Angeklagte wegen der zu II./ beschriebenen Tat auch des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt wurde, schlägt fehl.

 

Der Beschwerde zuwider ist die Beschädigung (auch) eines Teils der Alarmanlage nicht als „typische Begleittat“ (zum ungeachtet des idR tateinheitlichen Zusammentreffens mit der „Haupttat“ verwendeten Begriff Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28‑31 Rz 58) des Einbruchsdiebstahls durch diesen konsumiert.

 

Nach den Urteilsfeststellungen beschlossen der Angeklagte und Vlasta K*****, einen Einbruchsdiebstahl in das Lagerhaus in D***** zu verüben, um an stehlenswerte Sachen zu gelangen und sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. In Umsetzung dieses Tatplans fuhren sie am 23. April 2014 zum Tatort, wo sie den Zaun zum Gelände des Lagerhauses überkletterten. Der Angeklagte, der die Alarmanlage des Lagerhauses beschädigen wollte (US 4), zertrümmerte, „zunächst“ einen außen am Gebäude angebrachten Teil derselben. Danach brach er mit einem Schraubenzieher und einer Zange zwei Türen auf, sodass er und K***** in die Verkaufs‑ und Büroräume des Lagerhauses gelangten, die sie nach stehlenswerten Sachen durchsuchten, wobei seine Komplizin in einem Plastiksack Lebensmittel, Werkzeug und eine Digitalkamera samt Etui und Ladegerät zum Abtransport herrichtete (US 4). Aufgrund des durch einen (in den genannten Räumlichkeiten befindlichen) Bewegungsmelder ausgelösten Alarms fuhren Polizeibeamte zum Tatort und nahmen die beiden Täter fest (US 3).

Eine typische Begleittat liegt vor, wenn die Verwirklichung einer bestimmten strafbaren Handlung regelmäßig mit der Erfüllung einer anderen verbunden ist und diese im Verhältnis zu jener einen wesentlich geringeren Unwertgehalt aufweist; weil dieser solcherart nicht ins Gewicht fällt, ist die Auslegung gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber diese typische Verbindung bei Aufstellung des Strafsatzes für das Hauptdelikt bereits berücksichtigt hat (Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28‑31 Rz 58). Die Annahme von Konsumtion erfordert die Berücksichtigung der konkreten Umstände des Tatgeschehens und setzt ein kriminologisches Naheverhältnis der in Frage kommenden „Deliktstypen“ voraus, von dem angenommen werden kann, der Gesetzgeber habe es bei Aufstellung der Strafsätze berücksichtigt (Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28‑31 Rz 57, 65).

 

Mit einem Einbruchsdiebstahl typischerweise verbundene Sachbeschädigungen im Sinne des § 125 StGB (gegebenenfalls iVm § 126 Abs 1 Z 7 StGB oder § 126 Abs 2 StGB) werden als natürliche Begleiterscheinungen der Einbruchsqualifikation des Diebstahls von dieser konsumiert (soweit der Angriff nicht ein über den materiellen Vermögenswert hinausgehendes, in den Bestimmungen des § 126 Abs 1 Z 1 bis 6 StGB bezeichnetes Rechtsgut betrifft [vgl RIS‑Justiz RS0090686]), weil ein Diebstahl durch Einbruch begrifflich regelmäßig (zumindest in den Begehungsformen des Einbrechens, Aufbrechens und Eindringens mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug) mit einem Sachschaden (arg: „...bruch“) einhergeht (vgl RIS‑Justz RS0093027; SSt 49/22; für eine Beschränkung auf die durch Einbrechen und Aufbrechen verwirklichten Qualifikationsformen des § 129 StGB Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 125 Rz 80). Ist die Sachbeschädigung jedoch nicht regelmäßig mit der Verwirklichung einer Qualifikation des § 129 StGB verbunden, käme ihre Konsumtion nur durch das Grunddelikt (des Diebstahls) in Frage. Dass die Beschädigung einer nicht von einer Einbruchsqualifikation erfassten, jedoch ebenfalls der Sicherung potentiellen Diebsgutes dienenden Sache regelmäßig mit der Begehung des Diebstahls verbunden sei und einen wesentlich geringeren Unwertgehalt als dieser selbst aufweise, demnach dem Willen des Gesetzgebers entsprechend bei der Aufstellung des Strafsatzes für den Diebstahl bereits berücksichtigt sei, kann schon angesichts gleicher Strafdrohungen für die Grunddelikte (§§ 125, 127 StGB) nicht gesagt werden.

Daher liegt keine typische Begleittat vor, die bereits durch die rechtliche Beurteilung als Einbruchsdiebstahl konsumiert wird, wenn im Zuge des Diebstahls eine ‑ mit der Begehung eines Diebstahls zwar zielführend verbundene, aber nicht durch eine Einbruchsqualifikation konsumierte ‑ Sachbeschädigung begangen wird, mag die beschädigte Sache auch ‑ wie hier eine Alarmanlage, aber auch eine andere Diebstahlssicherung, die den Kriterien einer Sperrvorrichtung (RIS‑Justiz RS0094219) nicht entspricht ‑ der Sicherung des stehlenswerten Gutes dienen (vgl 14 Os 37/90, 15 Os 116/10p).

Wenngleich vorliegend die (in Umsetzung des Tatplans auf Begehung eines [Einbruchs‑]Diebstahls erfolgte) Zertrümmerung eines Teils der Alarmanlage, welche nach den Feststellungen schon im (strafbaren) Versuchsstadium erfolgte, aus Sicht des Angeklagten dazu gedient hat, die Gefahr der Entdeckung hintanzuhalten, sodass sie kriminologisch gesehen mit der Verübung des geplanten (Einbruchs‑)Diebstahls zielführend verbunden war, stand sie doch in keinem sinnfälligen Zusammenhang mit dem die Einbruchsqualifikation verwirklichenden Handeln, sodass eine Konsumtion der Sachbeschädigung durch die Verurteilung nach §§ 127, 129 Z 1 StGB nicht Platz greifen kann.

 

Daher war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Begehung während des Strafvollzugs als erschwerend, das reumütige Geständnis, die Sicherstellung der Beute und den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd. Es erachtete demgemäß eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren als schuldangemessen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Angeklagten, die eine Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe mit der Begründung anstrebt, der Angeklagte habe aus achtenswerten Motiven, aus Unbesonnenheit und in drückender Notlage gehandelt. Überdies habe er sich in einem die „Zurechnungsfähigkeit nahezu ausschließenden Zustand“ befunden. Die unter einem begehrte Einholung eines Sachverständigengutachtens konnte unterbleiben, weil das Verfahren keine Anhaltspunkte erbracht hat, dass der Angeklagte die Tat unter Umständen begangen hätte, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB), und eine Darlegung der Beweistauglichkeit (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO) unterblieb.

Unter zusätzlicher Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte sich (auch) um seiner Familie zu helfen, zu den Taten entschlossen hat, konnte in Stattgebung der Berufung ausgehend von den im Übrigen vom Erstgericht zutreffend herangezogenen Strafzumessungs-gründen eine schuld‑ und täterpersönlichkeitsangemessene geringfügig herabgesetzte Freiheitsstrafe von 21 Monaten verhängt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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