OGH 4Nc23/14s

OGH4Nc23/14s29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E***** C*****, 2. A***** H*****, beide vertreten durch Petsch Frosch Klein Arturo, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** C*****, vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 11.247,79 EUR sA, über den Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040NC00023.14S.1029.000

 

Spruch:

Als zuständiges Gericht wird das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestimmt.

Begründung

Die Kläger sind österreichische Staatsbürger und haben ihren Wohnsitz in Österreich. Sie haben den Beklagten, einen Österreicher, der nach Südafrika ausgewandert ist, unter Behauptung der Voraussetzungen des Vermögensgerichtsstands nach § 99 JN (inländisches Bankguthaben) auf Zahlung von 11.247,79 EUR sA geklagt, die ihnen der Beklagte als ehemaliger Miteigentümer einer österreichischen Liegenschaft und aus der Abrechnung im Rahmen eines österreichischen Verlassenschaftsverfahrens schulde.

Nachdem die Klage mangels tatsächlichen Vorliegens eines inländischen Vermögens des Beklagten iSd § 99 JN mangels örtlicher Zuständigkeit zurückgewiesen worden war, beantragten die Kläger die Bestimmung eines inländischen Gerichts iSd § 28 Abs 1 Z 2 JN, weil die klageweise Geltendmachung des verfolgten Anspruchs vor dem aufgrund des Wohnsitzes des Beklagten zuständigen Gericht in Südafrika unzumutbar wäre. Die Prozessführung gegen den österreichischen deutschsprachigen Beklagten in einer Fremdsprache bei einem südafrikanischen Gericht unter Zugrundelegung österreichischen materiellen Rechts sei im Hinblick auf die zu erwartende lange Verfahrensdauer sowie die durch notwendige Beiziehung von Dolmetschern noch zusätzlich erhöhten Kosten unzumutbar. Der in Österreich erlangte Exekutionstitel wäre in Südafrika mittels Anerkennung und Vollstreckbarerklärung durch das örtlich zuständige Obergericht durchsetzbar.

Rechtliche Beurteilung

Die für eine Ordination nach § 28 Abs 1 JN unter anderem erforderliche Voraussetzung, dass zwar die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben, ein österreichisches Gericht jedoch nicht örtlich zuständig ist (RIS‑Justiz RS0108569, RS0118239), liegt hier vor.

Die begehrte Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN setzt außerdem voraus, dass der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Gemäß § 28 Abs 4 zweiter Satz JN hat der Kläger in streitigen bürgerlichen Rechtssachen das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs 1 Z 2 oder 3 zu behaupten und zu bescheinigen.

§ 28 Abs 1 Z 2 JN soll die Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (7 Nc 21/10p mwN). Die Kläger erfüllen die ersten der beiden genannten Voraussetzungen (Naheverhältnis zum Inland) im Hinblick auf ihre Staatsangehörigkeit und ihren Wohnsitz in Österreich.

Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird von der Rechtsprechung dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt und oder vollstreckt würde (allerdings unter der weiteren Voraussetzung, dass überhaupt eine Exekutionsführung im Inland geplant ist), ferner dann, wenn eine dringend benötigte Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erwirkt werden könnte, wenn eine überlange Verfahrensdauer drohte oder wenn eine Prozessführung im Ausland wenigstens eine Partei der politischen Verfolgung aussetzen würde; während das Prozesskostenargument nur in Ausnahmefällen ‑ etwa weil dem Kläger im Unterschied zur österreichischen Rechtslage keine Befreiung von den Gerichtsgebühren gewährt würde und er darauf angewiesen wäre ‑ geeignet ist, einen Ordinationsantrag zu begründen (RIS‑Justiz RS0046148). Die Kostenfrage stellt sich nämlich bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen und geht daher zu Lasten des Klägers (RIS‑Justiz RS0046420).

§ 28 Abs 1 Z 2 JN wurde mit der erweiterten Wertgrenzen‑Novelle 1997 (BGBl I 1997/140) leicht verändert. Ziel der Neuformulierung war nach den Gesetzesmaterialien (RV 898 BlgNR 20. GP 33 f) unter anderem eine Lockerung des von der Rechtsprechung gelegentlich zu restriktiv gehandhabten Erfordernisses der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Rechtsverfolgung im Ausland durch die Einfügung der Wendung „im Einzelfall“, durch welche die Rechtsprechung auf eine größere Bedachtnahme auf die Einzelfallgerechtigkeit hingewiesen wurde. Außerdem sollte auch die Kostspieligkeit einer Prozessführung im Ausland noch stärker berücksichtigt werden als zuvor (7 Nc 4/13t; 7 Nc 21/10p, je mwN).

Im vorliegenden Fall kommt zum an sich bei Distanzprozessen weniger durchschlagskräftigen Kostenargument hinzu, dass die Prozessführung in Österreich angesichts der Deutschsprachigkeit aller Parteien im Vergleich zu einer Prozessführung in Südafrika mangels Notwendigkeit einer Dolmetscherbeiziehung jedenfalls kostengünstiger ist. Überdies vereinfacht die Anwendung österreichischen materiellen Rechts vor einem österreichischen Gericht gegenüber der Prozessführung vor einem südafrikanischen Gericht das Verfahren. Der Beklagte hat mittlerweile zu seiner Rechtsverteidigung auch bereits einen österreichischen Rechtsanwalt beauftragt, der mit der Sache vertraut ist und für den Beklagten einschreitet.

Überdies hat der Kläger durch Vorlage einer Auskunft des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in Südafrika bescheinigt, dass die Anerkennung und Vollstreckung eines österreichischen Urteils in Südafrika erlangt werden könnte.

Im Hinblick auf diese aufgezeigten Umstände ist die Rechtsverfolgung in Südafrika in diesem Fall für die Kläger als unzumutbar anzusehen und das bereits mit der Rechtssache befasste Landesgericht am Wohnsitz der Kläger, in dessen Sprengel auch der vom Beklagten beauftragte Rechtsanwalt tätig ist, zu ordinieren.

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