OGH 11Os101/14h

OGH11Os101/14h28.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2014 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mehmet I***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. April 2014, GZ 41 Hv 11/14g‑66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00101.14H.1028.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mehmet I***** des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (A), der Verbrechen des Menschenhandels nach § 104a Abs 1, Abs 4 erster Fall StGB (B), der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 StGB (C), der Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 2, Abs 3 StGB idF BGBl I 2004/15 (D), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (E) und der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1, Z 3 StGB (F) schuldig erkannt.

Danach hat er ‑ soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ‑

E. zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach dem Oktober 2012 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Fatmegyul M***** die Tsvetelina Iv***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs mit ihm genötigt, indem beide sie aufforderten, mit ihm Geschlechtsverkehr zu vollziehen, ihr Schläge versetzten, als sie sich weigerte, und Mehmet I***** anschließend den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog;

Rechtliche Beurteilung

Inhaltlich nur gegen den Schuldspruch E. richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO.

Dass der Wille des Angeklagten, mit Tsevetelina Iv***** geschlechtlich zu verkehren, nicht mit dem der Frau korrelierte, hat das Erstgericht ‑ dem Rechtsmittelvorwurf (Z 5) entgegen ‑ in US 19 logisch und empirisch einwandfrei begründet, indem es die belastenden Angaben des Opfers (ON 43 S 27 f) zur Widerlegung der die Ausübung von Zwang leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers (ON 65 S 13 f) heranzog.

Auch die Geltendmachung eines Feststellungsmangels (zum Begriff Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 600 ff) hat auf der Basis der erstinstanzlichen Urteilsannahmen zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0118580 [T14 und T15]). Diese im Rahmen der Darstellung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit unabdingbare Ausrichtung verfehlt der Rechtsmittelwerber, indem er aufgrund seiner Einlassung, beim Vorfall „stark betrunken“ gewesen zu sein (ON 65 S 14), den Vorwurf (Z 9 lit b, gemeint: lit a, allenfalls Z 10) erhebt, das Erstgericht habe sich mit der Frage seiner Zurechnungsfähigkeit nicht auseinandergesetzt („§§ 11, 278 [gemeint: 287] StGB“). Die Tatrichter sind nämlich sehr wohl davon ausgegangen, dass der Angeklagte beim Vorfall nicht in einem seine Diskretions‑ und Dispositionsfähigkeit beeinträchtigenden Ausmaß alkoholisiert war (US 19) und dass (auch) dieser Teil seiner Einlassung eine Schutzbehauptung sei.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ‑ die im Übrigen trotz Antrags auf Totalaufhebung keinerlei Vorbringen zu den übrigen Schuldspruchpunkten erstattet ‑ war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) der in der Anwendung des ‑ zufolge nunmehriger Strafuntergrenze von einem Jahr (gegenüber der im Tatzeitpunkt zwischen Oktober 2012 [US 15] und 19. Juli 2013 [Festnahme des Angeklagten ‑ US 6] geltenden Fassung) ungünstigeren ‑ § 201 Abs 1 StGB idF des (am 1. August 2013 in Kraft getretenen) Sexualstrafrechtsänderungsgesetzes 2013, BGBl I 2013/116, (vgl US 27) gelegenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 653, § 288 Rz 36) des Schuldspruchs E. besteht ‑ worauf bereits die Generalprokuratur zutreffend hinwies ‑ kein Anlass: eine unrichtige Subsumtion benachteiligt den Angeklagten nicht ohne weiteres iSd § 290 StPO (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff); das Oberlandesgericht hat diesen Umstand ‑ aufgrund der Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof ‑ ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung bei der Entscheidung über die vom Angeklagten gegen den Sanktionsausspruch erhobene Berufung zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0118870 [insbes T8 und T9]; 12 Os 64/12x).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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