OGH 20Ns3/14t

OGH20Ns3/14t15.10.2014

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 15. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Mörth und Dr. Rothner als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen Dr. Christoph R*****, Rechtsanwalt in Steyr, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes, AZ D 15/13 (DV 10/14) des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, über den Delegierungsantrag des Disziplinarbeschuldigten nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0200NS00003.14T.1015.000

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Rechtzeitig (§ 25 Abs 2 DSt) nach Zustellung des Einleitungsbeschlusses (§ 28 DSt; Tz 29 der Disziplinarakten) stellte der Disziplinarbeschuldigte einen Delegierungsantrag (Tz 30).

In diesem behauptet er die Befangenheit sämtlicher Mitglieder des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer: Es seien „eine Vorverurteilung“ erfolgt, nicht auf die „inhaltliche Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten eingegangen“, aber „eindeutige Bestimmungen des Disziplinarstatuts verletzt ... und die Judikatur der OBDK zu § 19 Abs 3 RAO zum Nachteil des Disziplinarbeschuldigten beharrlich negiert“ worden und habe sich der Disziplinarbeschuldigte durch „Vertretungen gegen die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer ... offenkundig zum Feind der Disziplinarbehörde gemacht“.

Der Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer hat bei der Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof mitgeteilt, dass sich die weit überwiegende Anzahl der 20 Mitglieder des Disziplinarrates für nicht befangen erachten (Tz 33).

Nach ständiger Judikatur der ordentlichen Gerichte, aber auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg liegt Befangenheit nicht nur vor, wenn ein Richter an eine ihm zukommende Tätigkeit nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten kann, sondern genügt der äußere, allerdings lediglich aus der Sache erfließende Anschein einer Hemmung vor unparteiischer Bearbeitung durch sachfremde psychologische Momente. Dafür müssen substrathafte Anhaltspunkte vorliegen, die geeignet sind, bei einem verständig würdigenden, seinerseits aequidistanten Beurteiler die volle Unbefangenheit eines Richters in Zweifel zu ziehen (RIS‑Justiz RS0114514; vgl Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 9 bis 15).

Die pauschale Behauptung der Befangenheit nicht namentlich genannter Richter stellt allerdings keinen Delegierungsgrund (§ 25 Abs 1 DSt) dar (RIS‑Justiz RS0056885, RS0097082, RS0096774, RS0119759).

Aus der Mitwirkung an einem Einleitungsbeschluss (vgl dazu VfSlg 9.425) ist nicht auf die Befangenheit der dabei Mitwirkenden hinsichtlich der Hauptsache zu schließen (VfSlg 12.962, 13.731).

Die tatsächliche und rechtliche Prüfung des disziplinären Vorwurfs erfolgt in der mündlichen Verhandlung (§§ 30 ff DSt).

Dieser Prüfung ist im Delegierungsverfahren nicht vorzugreifen, zumal selbst von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweichende Rechtsansichten keine Befangenheit begründen (und damit eine Delegierung rechtfertigen könnten), solange es ‑ wie im Gegenstand ‑ keinerlei Hinweise dafür gibt, dass die Entscheidungsträger eine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit wären (Feil/Wennig, Anwaltsrecht8, DSt § 25, S 921; Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 12 und 15; RIS‑Justiz RS0097003, RS0096993).

Auf das ‑ letztlich auf eine Umgehung des Rechtsmittelausschlusses nach § 28 Abs 2 letzter Satz DSt hinauslaufende ‑ Vorbringen des Disziplinarbeschuldigten zu einzelnen Rechtsfragen war daher vom Obersten Gerichtshof derzeit nicht einzugehen und der Delegierungsantrag abzuweisen.

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