OGH 12Os52/14k

OGH12Os52/14k25.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Breuß als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sascha D***** wegen Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 202 Abs 1, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. Jänner 2014, GZ 18 Hv 98/13v‑101, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0120OS00052.14K.0925.000

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A./I./4./, A./II./6./, A./II./7./, A./II./9./ und A./II./10./a./, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die

Vorhaftanrechnung) sowie im Ausspruch nach § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner die Schuldsprüche A./II./6./ und A./II./9./ betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde wird der Angeklagte ebenso auf die kassatorische Entscheidung verwiesen wie mit seiner Berufung.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sascha D***** der Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 202 Abs 1, 15 Abs 1 StGB (A./I./), der Vergehen der Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 15 Abs 1 StGB (A./II./), des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15 Abs 1, 206 Abs 2 zweiter Fall StGB (B./), der Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 lit b StGB (C./), der Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach §§ 207a Abs 1 Z 1 und 2, Abs 4 Z 3 lit a, 15 Abs 1 StGB, § 12 zweiter Fall StGB (D./I./1./, II./, III./2./, IV./2./ und V./), der Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 und 2, Abs 4 Z 3 lit b, 15 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (D./I./2./, III./1./, IV./1./, VI./1./ und VII./) und des Vergehens der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach §§ 15 Abs 1, 207a Abs 1 Z 1 und 2, Abs 4 Z 1 StGB, § 12 zweiter Fall StGB (D./VI./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er ‑ soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz ‑ in D*****

A./ die nachgenannten Personen durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Ehre teils genötigt, teils zu nötigen versucht, und zwar

I./ außer dem Fall des § 201 StGB zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung, und zwar

4./ am 5. Mai Mira K***** durch die Ankündigung, von ihr zuvor an ihn übersandte Fotos, auf welchen sie nur mit Unterwäsche bekleidet zu sehen ist, auf der Internetplattform „f*****“ und im Chatforum „www.*****.at“ zu veröffentlichen, zum Einführen einer Wimperntusche in ihre Vagina, wobei es aufgrund ihrer Weigerung beim Versuch blieb;

...

II./ zu nachstehenden Handlungen, und zwar

1./ in der Nacht zum 26. Juli 2012 Verena G***** durch die Ankündigung, von ihr zuvor an ihn übersandte Fotos, auf welchen sie am Oberkörper bloß mit BH bekleidet bzw mit nackten Brüsten zu sehen ist, unter Beifügung ihrer Mobiltelefonnummer, ihres Namens und dem Kommentar „Wer hat Lust?“ im Internet zu veröffentlichen, zur Herstellung eines Fotos von sich selbst, auf welchem sie bis auf die Unterhose unbekleidet mit ihrer Hand in der Unterhose abgebildet sein sollte, sowie zur Übermittlung dieses Fotos an ihn;

...

6./ im Zeitraum vom 26. April bis 14. Mai 2013 Anna B***** durch die Ankündigung, ein von ihr zuvor an ihn übersandtes Foto, auf welchem sie nur mit einem BH bekleidet zu sehen ist, auf der Internetplattform „f*****“ und im Chatforum „www.*****.at“ unter Beifügung ihrer Mobiltelefonnummer zu veröffentlichen, zur Herstellung und Übermittlung eines weiteren Fotos, auf welchem sie nur mit BH bekleidet zu sehen ist, wobei es aufgrund ihrer Weigerung beim Versuch blieb;

7./ am 5. Mai 2013 Mira K***** durch die Ankündigung, von ihr zuvor an ihn übersandte Fotos, auf welchen sie nur mit Unterwäsche bekleidet zu sehen ist, auf der Internetplattform „f*****“ und im Chatforum „www.*****.at“ zu veröffentlichen,

a./ zur Herstellung von Nacktfotos sowie Fotos ihrer nackten Vagina und ihres nackten Gesäßes sowie Übermittlung dieser Bilddateien an ihn über den Internetdienst „W*****“ und

b./ zur Herstellung eines Videos von dem zu I./4./ geschilderten Geschehen und Übermittlung dieser Videodatei an ihn über den Internetdienst „W*****“, wobei es aufgrund der Weigerung des Mädchens beim Versuch geblieben ist;

...

9./ Anfang Mai 2013 Victoria D***** durch die Ankündigung, ein von ihr zuvor an ihn übersandtes Foto, auf welchem sie am Oberkörper nur mit einem BH bekleidet zu sehen ist, auf der Internetplattform „f*****“ unter Beifügung ihrer Mobiltelefonnummer zu veröffentlichen, zur Herstellung eines Fotos von sich selbst, auf welchem sie mit nacktem Oberkörper zu sehen ist, und Übermittlung der Bilddatei an ihn über den Internetdienst „W*****“, wobei es aufgrund der Weigerung des Mädchens beim Versuch blieb, und

10./ im Zeitraum vom 1. bis 14. Mai 2013 die am 11. Februar 2001 geborene Jasmin P*****

a./ durch die Ankündigung, von ihr zuvor an ihn versandte Fotos, auf welchen sie nur mit BH bekleidet, ihr Gesäß sowie ihre nur mit einer Unterhose bekleidete Schamgegend zu sehen sind, unter Beifügung ihrer Mobiltelefonnummer im Internet zu veröffentlichen, zur Herstellung von zwei Fotos, auf welchen sie mit nackten Brüsten zu sehen ist und Übermittlung dieser Bilddateien an ihn über den Internetdienst „W*****“ und

b./ durch die Ankündigung, die beiden zu a./ angeführten Fotos, auf welchen sie mit nackten Brüsten zu sehen ist, unter Beifügung ihrer Mobiltelefonnummer im Internet zu veröffentlichen, zur Herstellung von Fotos ihrer nackten Vagina und Übermittlung dieser Bilddateien an ihn über den Internetdienst „W*****“, wobei es aufgrund ihrer Weigerung beim Versuch blieb;

...

D./ die nachgenannten Personen teils dazu bestimmt, teils dazu zu bestimmen versucht, pornografische Darstellungen Minderjähriger herzustellen und einem anderen zu überlassen, indem er die nachgenannten Personen aufforderte, die nachangeführten Bild‑ bzw Videodateien anzufertigen und an ihn zu übersenden, und zwar

...

VII./ im Mai 2013 Jasmin P***** die zu A./II./10./b./ angeführten Fotos, somit wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien einer minderjährigen Person, nämlich mehrerer Bilddateien mit Darstellungen der Genannten, die mit gespreizten Beinen ihre Vagina präsentiert, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handeln sollte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen sollten, wobei es aufgrund der Weigerung des Mädchens beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

Ausschließlich gegen die Schuldsprüche A./II./1./, 6./, 9./ und 10./b./ sowie D./VII./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Da es das Erstgericht zu A./II./1./ als erwiesen annahm, dass gemeinsam mit dem Foto, auf dem das Tatopfer mit nackten Brüsten zu sehen ist, auch dessen Name und Telefonnummer sowie der Text „Wer hat Lust?“ veröffentlicht werden sollte (US 16), bedurfte die Aussage der Verena G*****, ihr Gesicht sei nicht zu erkennen gewesen (ON 51 S 5), dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider keiner gesonderten Erörterung. Die eine entsprechende Feststellung im Sinne der genannten Aussage reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht nicht von der Gesamtheit der tatrichterlichen Feststellungen aus und verfehlt damit den gerade darin gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099810).

Zu A./II./10./b./ bekämpft die Mängelrüge lediglich das Nötigungsziel, indem sie auf die Aussage der Zeugin Jasmin P***** hinweist, das Mädchen auf dem ihr vom Angeklagten übermittelten Foto, das sie in dieser Art von sich anfertigen sollte, sei im Genitalbereich nicht nackt, sondern mit einer Unterhose bekleidet gewesen. Damit betrifft der Einwand aus dem Blickwinkel der hier zu beurteilenden Nötigung jedoch keine entscheidende Tatsache (zum Begriff: Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399 ff). Damit scheitert auch die in eventu erhobene Rechtsrüge.

Das entsprechende, zu D./VII./ erstattete Vorbringen aus Z 5 zweiter Fall orientiert sich an aus dem Kontext gelösten Aussageteilen und lässt die Angaben der Zeugin Jasmin P***** im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung in ihrer Gesamtheit unberücksichtigt, der Angeklagte habe ihr die Herstellung eines Fotos ihrer nur dürftig ‑ nämlich durch „hineingezogene“ Unterhose - bekleideten, also im Wesentlichen nackten Schamgegend abverlangt (ON 44 S 7 ff).

Mit der Behauptung, Fotos, auf denen der Unterkörper mit Unterwäsche bekleidet sei, seien kein aufreizendes Zurschaustellen der Genitalien oder der Schamgegend Minderjähriger im Sinn von § 207a Abs 4 Z 3 lit b StGB, orientiert sich der Beschwerdeführer nicht ‑ wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit stets geboten ‑ an der Gesamtheit der Urteilsannahmen zu D./VII./, wonach der Angeklagte versuchte, Jasmin P***** zur Herstellung von Fotos ihrer im Wesentlichen nackten Vagina und deren Übermittlung an ihn zu veranlassen (US 34).

Aus Anlass dieser Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, dass den Schuldsprüchen A./I./4./, A./II./6./, A./II./7./, A./II./9./ und A./II./10./a./ infolge eines Rechtsfehlers mangels Feststellungen von Amts wegen wahrzunehmende materielle Nichtigkeit aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Als Verletzung an der Ehre ist jede Verminderung des Ansehens und der Achtung einer Person in den Augen der für sie maßgeblichen Umwelt zu verstehen. Schutzobjekt des StGB ist nicht das subjektive „Ehrgefühl“ des Betroffenen im Sinn einer größeren oder geringeren Selbstachtung, sondern die Ehre eines Menschen in ihrer objektiven Bedeutung (Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 31).

Mag auch die Aufnahme von Nacktfotos (oder die Zulassung der Anfertigung derartiger Lichtbilder) per se nicht ehrenrührig sein (vgl 12 Os 90/13x), so bedeutet das nicht, dass mit der Ankündigung einer vom Opfer nicht gewollten Veröffentlichung von durchaus freiwillig hergestellten, aber nicht für einen weiten Personenkreis bestimmten Nacktfotos, nicht mit einer Verletzung an der Ehre gedroht wird, liegt darin doch die Androhung, dem Opfer die gebotene achtungsvolle Behandlung zu verweigern und so sein Ansehen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl Schwaighofer in WK2 StGB § 105 Rz 59 und § 106 Rz 8; Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 111 S 306). Durch die angedrohte Veröffentlichung wird dem Opfer nämlich in Aussicht gestellt, in der Öffentlichkeit den Eindruck eines Anstoß erregenden Verhaltens bis hin zu Schamlosigkeit zu erwecken (12 Os 56/14y).

Im vorliegenden Fall waren die Tatopfer zu den in Rede stehenden Schuldspruchpunkten zwar mit Unterwäsche bekleidet, ihnen wurde jedoch nicht nur die Veröffentlichung der Fotos selbst, sondern auch die jeweilige Beifügung ihrer Telefonnummer angedroht (vgl auch US 29 f zu A./I./4./ und A./II./7./). Eine derartige, der Allgemeinheit zugängliche Einschaltung könnte beim Betrachter jedoch den Eindruck erwecken, die abgebildete Person strebe eine sexuell motivierte Kontaktaufnahme mit ihr bislang Unbekannten an, ein Verhalten, das gerade bei erst zwölf bis 14‑jährigen Mädchen von weiten Teilen der Bevölkerung als Anstoß erregend empfunden würde.

Während die Frage der Eignung einer Drohung begründete Besorgnis einzuflößen Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist, betrifft die Ernstlichkeit einer sich nach ihrem Wortlaut als Drohung manifestierenden Äußerung wie auch deren Sinn und

Bedeutungsinhalt ausschließlich den Tatsachenbereich (RIS‑Justiz RS0092437; Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 34). Die Feststellung, welchen Sinn eine Äußerung hat, ist eine solche tatsächlicher Natur. Welche von mehreren nach dem Sprachgebrauch, nach den Gewohnheiten und nach dem Bildungsgrad des Sprechenden sowie nach den Begleitumständen in Betracht kommende Bedeutung einer Äußerung zukommt, hat das Gericht nach § 258 StPO festzustellen

(RIS‑Justiz RS0092588).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht jedoch Konstatierungen zum intendierten Bedeutungsinhalt der vom Angeklagten angedrohten Veröffentlichungen unterlassen, die erst eine Beurteilung ermöglichten, ob den Tatopfern mit einer Verletzung der Ehre im oben dargestellten Sinn gedroht wurde. Somit war

aus Anlass der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 StPO) das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Schuldsprüchen A./I./4./, A./II./6./, A./II./7./, A./II./9./ und A./II./10./a./, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die

Vorhaftanrechnung) sowie im Ausspruch nach § 21 Abs 2 StGB aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu verweisen.

Mit seiner die aufgehobenen Teile der Schuldsprüche betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde war der Angeklagte ebenso auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen wie mit seiner Berufung.

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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