OGH 3Ob131/14g

OGH3Ob131/14g18.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OG in Baden bei Wien, wegen 350.000 EUR und Feststellung (563.649,30 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Mai 2014, GZ 2 R 100/13k‑13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. März 2013, GZ 30 Cg 27/12s‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank zum einen wegen behaupteter Fehlberatung im Zusammenhang mit den am 1. Februar 2008 angeschlossenen „Double‑Barrier“‑Optionen in Anspruch; zum anderen macht sie Schadenersatzansprüche aus dem von der beklagten Bank angeblich durch Drohung erzwungenen Verkauf ihrer Liegenschaft zur Unzeit geltend.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Spätestens im Oktober 2008 habe die Klägerin Kenntnis vom Primärschaden erlangt, weil ihr damals bewusst geworden sei, dass sie kein risikoloses Absicherungsgeschäft, sondern ein spekulatives risikoreiches Geschäft geschlossen habe. Daher seien die Schadenersatzansprüche aus der behaupteten Fehlberatung, die mit der am 26. März 2012 eingebrachten Klage geltend gemacht worden seien, verjährt. Für ein arglistiges Verhalten der beklagten Partei hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben. Auch laesio enormis sei zu verneinen. In Bezug auf den angeblich erzwungenen Verkauf ihrer Liegenschaft sei nicht ersichtlich, inwiefern die beklagte Partei ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Die Replik der Arglist des von der beklagten Partei erhobenen Verjährungseinwands (in Bezug auf Schadenersatzansprüche aus der Fehlberatung) sei in erster Instanz nicht erhoben worden, sodass dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen das Neuerungsverbot entgegenstehe.

In ihrer außerordentlichen Revision stellt die Klägerin in den Vordergrund, dass sie in erster Instanz sehr wohl ausreichendes, die Replik der Arglist des Verjährungseinwands begründendes Tatsachenvorbringen erstattet habe; außerdem sei ihr Anspruch entgegen der Annahme der Vorinstanzen nicht verjährt. In Bezug auf den Verkauf ihrer Liegenschaft habe die Bank die Zwangslage der Klägerin, die 20.000 EUR zur Zahlung von Krankenkassaverbindlichkeiten benötigt habe, in unvertretbarer Weise ausgenützt und sie zur Verschleuderung unter Wert veranlasst.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage wird von der Klägerin damit nicht aufgezeigt.

1. Richtig ist, dass ein Gegeneinwand ‑ anders als der Verjährungseinwand selbst ‑ nicht ausdrücklich erhoben werden muss; vielmehr ist das Vorbringen der den Gegeneinwand begründenden Tatsachen in erster Instanz ausreichend (RIS‑Justiz RS0014828 [T4]). Daraus kann keineswegs geschlossen werden, dass ein Vorbringen zu dieser Thematik gänzlich entfallen kann, sondern es müssen die die Replik der Arglist begründenden Tatsachen vorgebracht werden, um überhaupt eine entsprechende Prüfung durch das Gericht zu ermöglichen.

Die Auslegung des Parteienvorbringens und damit die Beantwortung der Frage, ob eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und begründet daher ‑ vom Fall krasser Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0044273 [T61]). Die Klägerin weist auf den „beschwichtigenden Telefonkontakt mit dem Mitarbeiter der beklagten Partei“ hin, allerdings im Zusammenhang damit, dass ihr Anspruch wegen mangelnder Kenntnis des Schadens noch nicht verjährt sei, und nicht damit, dass dem Verjährungseinwand der beklagten Partei ein als arglistig zu qualifizierendes Handeln zugrunde liege. Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt nicht vor.

2. Nach Ansicht der Klägerin sei ihr nicht erkennbar gewesen, dass sie ein von ihr nicht gewünschtes Devisenoptionsgeschäft abgeschlossen habe; außerdem sei ihr weder anlässlich des „Beschwichtigungstelefonats“ mit einem Mitarbeiter der beklagten Partei im Herbst 2008 noch später (bei bzw nach der Zwangskonvertierung) mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erkennbar gewesen, dass ein Schaden eingetreten sei. Dieses Revisionsvorbringen geht allerdings nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Beschwichtigungsversuche eines Mitarbeiters der beklagten Partei sind nicht festgestellt. Die entsprechenden Feststellungen des Erstgerichts zu dem Telefonat im Oktober 2008 lauten:

„Im Herbst 2008 rief ... die Klägerin an und teilte mit, dass die Knock in‑Grenze erreicht wurde. Er informierte sie dahin, dass es derzeit nur einen Buchverlust gebe und sich das bis 2009 'ausgehen könnte'. Damit war für die Klägerin klar, dass es sich auch 'nicht ausgehen könnte' und sie daher allerspätestens zu diesem Zeitpunkt wusste, dass sie ein risikoträchtiges Finanzprodukt abgeschlossen hatte.“

Das Berufungsgericht legte seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde, dass der Schaden der Klägerin am 1. Februar 2008 eingetreten sei, und zwar dadurch, dass sie kein weitgehend risikoloses, zur Reduktion der Zinsbelastung und zur Absicherung geeignetes, nur bei Durchbrechung von zwei Wechselkursgrenzen schlagend werdendes konservatives Produkt erworben hat, sondern ein hochriskantes, spekulatives Finanzmarktprodukt, das die erwähnten Eigenschaften gerade nicht erfüllte. Diese abweichenden Eigenschaften wurden ihr im Oktober 2008 bekannt.

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung muss einem Anleger, dem ein aktueller Wertverlust erkennbar wird, auch klar sein, dass er entgegen einer ihm erteilten Beratung sein Geld für ein „riskantes“ Wertpapier ausgegeben hat (RIS‑Justiz RS0034327 [T36] ua). Es ist kein Grund erkennbar, warum diese Rechtsprechung ‑ entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden sein soll.

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass die aus einer Fehlberatung abgeleiteten Schadenersatzansprüche der Klägerin bei Einbringung der Klage am 26. März 2012 schon verjährt waren, steht daher in Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

3. Zu dem (nach dem Klagevorbringen) durch Drohungen der beklagten Partei veranlassten Zwangsverkauf der Liegenschaft führt die Klägerin in der Revision nicht aus, von welcher höchstgerichtlichen Rechtsprechung das Berufungsgericht abgewichen sei.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der die Willensbildung beeinflussenden Drohung nach § 870 ABGB finden sich keine Feststellungen, die auf ein entsprechendes rechtswidriges Verhalten der beklagten Partei hinweisen. Dass die beklagte Partei eine Kreditausweitung an die Bedingung des Verkaufs der Liegenschaft durch die Klägerin knüpfte, ist noch keine Drohung iSd § 870 ABGB, weil sie keinen ungerechtfertigten Zwang ausübte. Die Beklagte drohte kein „Übel“ an, sondern stellte Bedingungen für die Gewährung einer Kontoüberziehung. Der Beklagten blieb die Freiheit, das von der beklagten Partei im Zusammenhang mit ihrem Wunsch nach Kontoüberziehung abgegebene Angebot auszuschlagen und die Liegenschaft nicht zu verkaufen.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision der klagenden Partei zurückzuweisen.

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