OGH 1Ob114/14t

OGH1Ob114/14t18.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien DI F***** L*****, und 2. A***** L*****, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in Traun, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. Mai 2013, GZ 14 R 54/13d‑14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Traun vom 30. Jänner 2013, GZ 2 C 965/12b‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00114.14T.0918.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 512,38 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger sind Miteigentümer mehrerer Grundstücke, die an einen im Eigentum der Beklagten stehenden Hochwasserschutzdamm angrenzen. Sie haben diese Grundstücke in den Jahren 1975 bis 2000 erworben. In den Jahren 1923/1924 war den damaligen Liegenschafts-eigentümern im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Dammbau, für den sie Teile ihrer Uferliegenschaften ins Eigentum eines neu zu gründenden Wasserverbands abtreten sollten, in Aussicht gestellt worden, dass ihnen das ‑ von ihnen geforderte ‑ Nutzungsrecht am Damm verbleiben würde. Im Jahr 1940 wurde mit einem Antrag der damals zuständigen Behörde an das Vermessungsamt Linz „verfügt“, dass die zum Bau der Hochwasserdämme abgetretenen Grundstücksflächen mittels Anmeldungsbogen lasten‑ und steuerfrei in das Eigentum des neugegründeten Wasserverbands übergehen sollen, was in der Folge auch geschah. Ein Nutzungsrecht der (damaligen) Grundstückseigentümer wurde zu keinem Zeitpunkt verbüchert. Nach der Auflösung des Wasserverbands ging das Eigentum an den Dammflächen auf die Beklagte über.

Im Juni 2012 ließ die Beklagte auf ihren Dammgrundstücken Mäharbeiten im Bereich der südlichen Böschungsfläche durchführen. Zum Erreichen der Dammflächen wurde ohne Zustimmung der Kläger ein in ihrem Eigentum stehendes Grundstück befahren.

Die Kläger begehrten unter Berufung auf ihnen von ihren Rechtsvorgängern übertragene Nutzungsrechte an der Dammfläche die Unterlassung des Mähens oder sonstigen Bewirtschaftens der Dammkrone des Hochwasserschutzdamms im Bereich ihrer Liegenschaften. Weiters begehrten sie mit dem wesentlichen Vorbringen, es müsse bezweifelt werden, dass die vorgenommenen Mäharbeiten damals unumgänglich dringend erforderlich waren, zumal sich im südseitigen Dammbereich keinerlei Strauch‑ oder Baumbewuchs befinde, die Unterlassung des Befahrens ihres näher bezeichneten Grundstücks mit Mähfahrzeugen.

Die Beklagte bestritt hinsichtlich des ersten Unterlassungsbegehrens die Aktivlegitimation der Kläger, weil die von ihnen behaupteten Nutzungsrechte gar nicht begründet, jedenfalls aber nicht auf sie übertragen worden seien. Die abgetretenen Liegenschaftsteile seien im Jahr 1940 lastenfrei in das Eigentum des Wasserverbands übergegangen. Die Bewuchspflege auf dem Damm sei dringend erforderlich gewesen, um dessen Funktionsfähigkeit gewährleisten zu können. Das zweite Unterlassungsbegehren sei unberechtigt, weil Liegenschaftseigentümer gemäß § 72 Abs 1 WRG das Befahren ihrer Grundstücke für derartige Arbeiten zu dulden hätten.

Das Erstgericht wies beide Unterlassungsbegehren ab. Beim Liegenschaftserwerb durch den Wasserverband nach den §§ 15 ff LiegTeilG habe es sich um einen vom Eigentum des bücherlichen Vormannes unabhängigen originären Eigentumserwerb gehandelt, weshalb schon deshalb eine Mitübertragung allfälliger außerbücherlicher Lasten, die vorher auch gar nicht bestanden hätten, ausgeschlossen sei. Die allfällige Einräumung einer außerbücherlichen Dienstbarkeit wäre nichtig, weil ein dafür erforderlicher Bescheid nicht vorliege. Die Kläger hätten auch eine konkrete Nutzungsmöglichkeit der Dammflächen, die durch das Mähen verhindert worden sei, nicht behauptet. Sie hätten auch das kurzzeitige Befahren ihrer Grundstücke zum Zwecke von Instandhaltungsarbeiten gemäß § 72 WRG zu dulden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass die Werte der beiden Entscheidungsgegenstände jeweils 5.000, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigen, und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Der Wasserverband habe im vereinfachten Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG lastenfreies Eigentum an den von den seinerzeitigen Grundeigentümern abgetretenen Grundstücksflächen erworben, wovon auch außerbücherliche Lasten erfasst seien, unabhängig davon, ob diese überhaupt begründet werden konnten. Was mit der Erklärung im seinerzeitigen Verhandlungsprotokoll über die Überlassung der Dammflächen zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung und unentgeltlichen Nutznießung an die bisherigen Grundeigentümer gemeint gewesen sei, sei somit ebenfalls unerheblich. Durch die erfolgte Eigentumsübertragung allenfalls Geschädigte seien gemäß § 20 LiegTeilG ‑ auch in der 1940 geltenden Fassung ‑ auf Geldersatzansprüche verwiesen.

Gemäß § 72 Abs 1 lit b WRG hätten die Eigentümer von Grundstücken unter anderen die zur Instandhaltung von Wasserbauten und Anlagen notwendige Benutzung ihrer Grundstücke, insbesondere zur Zu‑ und Abfuhr, insoweit zu dulden, als sich dies als unbedingt notwendig erweise. Auf diese Legalservitut habe sich die Beklagte zu Recht berufen. Sie könne daher dem Unterlassungsbegehren mit Erfolg die Sacheinwendung entgegenhalten, dass die Bewuchspflege zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Damms dringend erforderlich gewesen sei, was die Kläger im Übrigen nur unsubstantiiert bestritten hätten. Diese hätten sich nur auf das Fehlen eines Bescheids berufen, der aber nur dann erforderlich sei, wenn das eigentumsbeschränkende Recht einer Konkretisierung bedürfe.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil ein gleichartiger Fall ‑ soweit überschaubar ‑ noch nicht entschieden worden sei und die Revisionswerber mit vielen Argumenten dargetan hätten, dass es zahlreiche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs gebe, aus denen ein für sie günstigeres Ergebnis abgeleitet werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Wie der erkennende Senat bereits zu 1 Ob 228/13f ausgeführt hat, liegen im vorliegenden Fall zwei unterschiedlich zu behandelnde Entscheidungsgegenstände vor, sodass auch die Revisionszulässigkeit jeweils eigens zu prüfen ist (§ 55 Abs 4 JN). Die von den Klägern erhobene Revision erweist sich allerdings im Hinblick auf beide Unterlassungsbegehren mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.

1. Dass der Wasserverband, dessen Gesamtrechtsnachfolgerin die Beklagte ist, im Jahr 1940 Eigentum an jenen Grundflächen erlangt hat, auf denen der Damm errichtet wurde, war im Verfahren erster Instanz unstrittig, sodass die Revisionswerber dies im Rechtsmittelverfahren nicht mehr mit der Behauptung in Frage stellen können, das vereinfachte Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG sei zu Unrecht zur Anwendung gelangt. Damit sind auch die erstmaligen Behauptungen über den angeblichen Wert der betroffenen Liegenschaftsteile als unzulässige Neuerungen unbeachtlich.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass die im Zuge der Verhandlungen über das Dammprojekt und die dafür notwendigen Grundabtretungen erfolgte Zusage, die Dammflächen sollten den ursprünglichen Grundeigentümern zur Bewirtschaftung und Nutzung überlassen werden, später (rechtlich) nicht in die Tat umgesetzt wurde, wurde doch lastenfreies Eigentum einverleibt. Dass und auf welche Weise derartige Nutzungsrechte der abtretenden Grundeigentümer begründet ‑ oder von diesen gar ausgeübt ‑ worden wären, vermögen die Revisionswerber nicht darzulegen. Entsprechendes gilt für die Behauptung, den Klägern wären derartige Nutzungsrechte von ihren Rechtsvorgängern übertragen worden. Abgesehen davon, dass für eine seinerzeitige wirksame Begründung solcher Nutzungsrechte im Zusammenhang mit dem Eigentumsübergang an den Wasserverband keine geeignete Tatsachengrundlage vorliegt, fehlt es auch an Vorbringen (und an Tatsachenfeststellungen) dahin, dass die Rechtsvorgänger der Kläger im Liegenschaftseigentum ihnen auch derartige Nutzungsrechte versprochen und übertragen hätten, die ja nur obligatorischer Natur gewesen sein konnten. Eine verbücherte Dienstbarkeit liegt ja nicht vor; auf einen Servitutserwerb durch Ersitzung berufen sich die Kläger nicht.

2. Richtig hat das Berufungsgericht dargelegt, dass Liegenschaftseigentümer ‑ somit auch die Kläger - gemäß § 72 Abs 1 lit b WRG die Grundstücksbenützung durch Eigentümer von Wasserbauten und Anlagen insoweit zu dulden haben, als sich dies als unbedingt notwendig erweist. Die Beklagte hat sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf berufen, dass eine „Bewuchspflege“ dringend erforderlich gewesen sei, weil es ansonsten zu einer unerwünschten Durchwurzelung des Damms und damit einer Lockerung von oberflächennahen Bereichen der Dammböschung gekommen wäre, was letztlich zu Beschädigungen des Damms geführt hätte. Die Beklagten haben dies in Zweifel gezogen und vorgebracht, im betreffenden Dammbereich hätte sich keinerlei allenfalls schadensstiftender Strauch‑ oder Baumbewuchs befunden.

Das Erstgericht hat zur konkreten Notwendigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Mäharbeiten keine Tatsachenfeststellungen getroffen, sondern lediglich darauf verwiesen, dass ein regelmäßiges Mähen von Hochwasserdämmen notwendig ist, um deren ordnungsgemäße Funktion sicherzustellen. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob die Arbeiten angesichts des damaligen Dammbewuchses im Sinne des § 72 Abs 1 WRG unbedingt notwendig waren, nicht auseinandergesetzt, sondern darauf hingewiesen, dass die Kläger ihr Unterlassungsbegehren ausschließlich auf das Nichtvorliegen eines Bescheids gestützt und das Vorbringen der Beklagten im Übrigen nur „unsubstantiiert“ bestritten hätten.

Dieser Auffassung vermag der erkennende Senat zwar nicht beizutreten, kann doch die Behauptung der Kläger, es hätte sich im fraglichen Dammbereich keinerlei allenfalls schadensstiftender Strauch‑ oder Baumwuchs befunden, weshalb dringend bezweifelt werden müsse, dass die Mäharbeiten damals unumgänglich dringend erforderlich waren, nicht als Zugeständnis der (gegenteiligen) Prozessbehauptungen der Beklagten im Sinne des § 267 Abs 1 ZPO qualifiziert werden. Dennoch kann dem Berufungsgericht kein Beurteilungsfehler vorgeworfen werden, haben die Kläger die erwähnten Einwendungen doch in ihrer Berufung nicht mehr aufrecht erhalten, sondern lediglich ausgeführt, sie seien deshalb zur Duldung des Befahrens ihrer Liegenschaft nicht verpflichtet gewesen, weil kein entsprechender Bescheid vorgelegen sei. Bezieht sich die Rechtsrüge nur auf eine von mehreren Einwendungen, die aus unterschiedlichen rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet wurden, dann sind die im Rechtsmittelverfahren nicht mehr aufrecht erhaltenen Einwendungen außer Betracht zu lassen, besteht doch insoweit eine Bindung an die (noch aufrechten) Einwendungen des Rechtsmittelwerbers (RIS‑Justiz RS0043352 [T23, T30, T31]). Die in der Berufung nicht mehr vorgebrachten Einwendungen können in einer Revision nicht mehr an den Obersten Gerichtshof zur Beurteilung herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0043352 [T27, T33]). Auf die einzige Einwendung in der Berufung, die Ausübung der durch § 72 Abs 1 WRG eingeräumten Rechte hätte eine vorherige bescheidmäßige Anordnung vorausgesetzt, kommen die Revisionswerber nicht zurück, weshalb sich ein Eingehen darauf schon deshalb erübrigt (RIS‑Justiz RS0043352 [T25, T30, T35]).

3. Da die Revisionswerber somit keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen darlegen, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Der Beklagten, die in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, gebührt gemäß §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO der Ersatz der Kosten ihres Schriftsatzes.

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