OGH 7Ob129/14t

OGH7Ob129/14t10.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr.

 Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** E*****, vertreten durch Münzker und Riehs Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei I***** E*****, vertreten durch Dr. Barbara Auzinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. April 2014, GZ 43 R 718/13a‑67, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00129.14T.0910.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Ausführungen des Klägers, es lägen keine Beweisergebnisse dafür vor, dass der Ehebruch der Beklagten erst nach dem Trennungsgespräch stattgefunden habe, erweisen sich als ‑ im Revisionsverfahren unzulässige ‑ Bekämpfung der Beweis‑ und Tatfrage (RIS‑Justiz RS0043371, RS0042903).

2. Eine unheilbare Ehezerrüttung im Sinn des § 49 EheG ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (RIS‑Justiz RS0056832 [T1]). Während die Frage, ob und seit wann eine Ehe objektiv zerrüttet ist, eine auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen nach objektivem Maßstab zu beurteilende Rechtsfrage ist (RIS‑Justiz RS0043423 [T2, T6, T10]), zählt die Frage, ob ein Ehegatte die Ehe subjektiv als unheilbar zerrüttet ansieht, zum Tatsachenbereich (RIS‑Justiz RS0043432 [T4]). Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass die Ehe im Herbst 2010 objektiv und auch aus Sicht der Parteien endgültig zerrüttet gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Streitteile die Trennung beschlossen und die Beklagte habe die eheliche Gesinnung völlig verloren gehabt. Die Frage des Zeitpunkts, wann eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, ist eine solche des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0043423 [T8]), die das Berufungsgericht vertretbar gelöst hat.

3. Die beiderseitigen Eheverfehlungen sind aneinander in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen, wobei es nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Ehewidrigkeiten ankommt, sondern auch darauf, wie weit sie einander bedingten oder welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (RIS‑Justiz RS0057223; RS0057303). Eheverfehlungen zu einer Zeit, zu der die gänzliche Zerrüttung der Ehe bereits eingetreten war und keiner der Ehegatten mehr eine Rettung der Ehe erhoffen konnte, dürfen nicht derart schwer beurteilt werden wie gleichartige Verfehlungen in einer Ehe, die zumindest noch von einem Teil als intakt empfunden wird (RIS‑Justiz RS0057389). Das Verhalten der Ehegatten ist in seiner eherechtlichen Bedeutung und nicht nach der strafrechtlichen Wertung, für die andere Gesichtspunkte maßgeblich sind, zu würdigen (RIS‑Justiz RS0056099).

Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe dadurch, dass er die Beklagte wiederholt als „deppert“ und „blöd“ bezeichnete und sie dabei herabsetzte, häufig cholerisches Verhalten setzte, oft abwesend war, seinen eigenen Interessen nachging und zuletzt ab 2007 beharrlich und grundlos den Geschlechtsverkehr verweigerte, schwerwiegende Eheverfehlungen gesetzt, ist nicht zu beanstanden. Die weitere Beurteilung, dass dem Kläger die über einen langen Zeitraum gesetzten Verhaltensweisen, die zu einer Zerrüttung der Ehe geführt haben, als schwerere Eheverfehlungen vorzuwerfen seien, als die von der Beklagten erst nach der Zerrüttung der Ehe gesetzten Verfehlungen des Verbringens von Vermögenswerten und des Eingehens einer außerehelichen Beziehung steht ebenfalls mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung in Einklang.

4. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist daher die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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