OGH 5Ob102/14g

OGH5Ob102/14g4.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin C***** R*****, vertreten durch Mag. Isabella Hütter, diese vertreten durch Mag. Philipp Ortbauer, beide Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen den Antragsgegner J***** H*****, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8, § 16 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Februar 2014, GZ 38 R 271/13d‑40 (38 R 272/13a), den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Wohnung nur dann in eine höhere Kategorie als D eingestuft werden, wenn sie sich ‑ bezogen auf den Zeitpunkt der Anmietung ‑ in einem brauchbaren Zustand befindet. Das setzt voraus, dass sie zum sofortigen Bewohnen geeignet ist, also keine gröberen, die Benützung behindernden Mängel aufweist und die vorgesehenen oder ortsüblichen Energieanschlüsse gefahrfrei zu verwenden sind (RIS‑Justiz RS0069887). Die Gefährlichkeit einer elektrischen Anlage, insbesondere als Folge des Fehlens einer Schutzleiterinstallation, hindert die Brauchbarkeit einer Wohnung, wenn dieser Mangel nicht mit relativ einfachen Maßnahmen ohne größere Aufwendungen beseitigt werden kann (5 Ob 255/98f; 5 Ob 279/98k; 5 Ob 304/01v; vgl auch RIS-Justiz RS0070135).

1.2 Steht ‑ wie hier ‑ fest, dass die stoffummantelten, nicht in Rohren verlegten Stromleitungen keinen wirkungsvollen und dauerhaft mit dem Hauptpotential verbundenen Schutzleiter aufwiesen und daher im Zeitpunkt der Anmietung der Wohnung durch die Antragstellerin eine wesentliche Gesundheitsgefährdung darstellten, und die Herstellung von gefahrfreien Energieanschlüssen insgesamt einen Aufwand von 6.950,40 EUR erforderte, begründet die Einstufung der Wohnung in keine höhere Kategorie als D entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers keine im Einzelfall (RIS‑Justiz RS0021054 [T5]) vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Keinesfalls kann aus dem Umstand, dass eine Schukosteckdose im Wohnzimmer sowie im Badezimmer (dort aber nicht auch der Lichtauslass) geerdet waren, auf die Ungefährlichkeit der gesamten Elektroanlage geschlossen werden.

1.3 Der Oberste Gerichtshof ist auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0007236 [T5]; zum wohnrechtlichen Außerstreitverfahren 5 Ob 179/08x; 5 Ob 60/14f). Soweit der Antragsgegner geltend macht, dass er das im Schlichtungsstellenverfahren eingeholte Gutachten bestritten habe, weswegen dieses nicht zur Grundlage der Feststellungen des Erstgerichts gemacht hätte werden dürfen, spricht er Tatfragen an, auf die im Revisionsrekursverfahren daher nicht eingegangen werden kann.

2.1 Die Auslegung des Prozessvorbringens einer Partei erfolgt nach objektiven Maßstäben (RIS‑Justiz RS0097531; RS0037416; RS0017881) und begründet nur dann eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, wenn den Vorinstanzen dabei eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RIS‑Justiz RS0044273 [T47]).

2.2 Die Antragstellerin hat durch ihre Vertreterin in der Verhandlung vom 23. 5. 2011 (ON 3) bestritten, dass die Elektroinstallation zum Zeitpunkt der Anmietung dem ordnungsgemäßen Zustand entsprochen habe. Schon im Hinblick darauf stellt es keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar, wenn das Rekursgericht deren weiteres Vorbringen, dass die notwendigen Sanierungsarbeiten „vor Kurzem durchgeführt worden seien“, nicht im Sinne des Revisionsrekurswerbers als Rückziehung der Bemängelung der Elektroanlage bzw als Verzicht auf die Geltendmachung dieses Umstands deuteten.

3. Ist im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags die Wohnung oder ein Ausstattungsmerkmal nicht brauchbar oder entspricht eine Badegelegenheit nicht dem zeitgemäßen Standard, so ist dies nach § 15a Abs 2 Satz 3 MRG (idF WRN 2006, BGBl I 2006/124) für die Einstufung der Wohnung im Kategoriesystem nur zu berücksichtigen, wenn der Mieter die Unbrauchbarkeit oder das Fehlen des zeitgemäßen Standards dem Vermieter angezeigt und dieser den Mangel nicht in angemessener Frist, höchstens aber binnen drei Monate ab Zugang der Anzeige behoben hat. Nach den Erläuterungen (1183 BlgNR 22. GP 41) ist diese Frist als absolute Höchstfrist zu werten (vgl dazu auch Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 15a MRG Rz 6a, Würth/Zingher/Kovanyi , Miet- und Wohnrecht²² § 15a MRG Rz 8). Ob diese Frist ungeachtet dessen der Parteiendisposition obliegt und daher verlängert werden kann, wie der Antragsteller meint, muss hier schon deshalb nicht beantwortet werden, weil er eine darauf abzielende Vereinbarung zwischen ihm und der Antragstellerin erst gar nicht behauptet. Mit seinem Vorbringen, die Antragstellerin hätte die Mängelbehebung verzögert, verstößt er aber gegen das auch im Außerstreitverfahren nach § 37 MRG geltende Neuerungsverbot (RIS‑Justiz RS0070485).

4.1 Die innerhalb der Frist des § 16 Abs 8 MRG gestellten Anträge auf Mietzinsüberprüfung sind nicht kleinlich nach ihrem Wortlaut, sondern so auszulegen, dass nach Möglichkeit ‑ im Rahmen des äußersten Wortsinns und der Bedeutung des Begehrens ‑ eine Überprüfung der gesetzlichen Zulässigkeit des vereinbarten Mietzinses im sachlich notwendigen Umfang gewährleistet werden kann. Hält sich das Rekursgericht im Rahmen seiner Beurteilung des Umfangs eines verfahrenseinleitenden Mietzins‑ überprüfungsantrags an diesen Grundsatz, bedarf es keiner Befassung des Höchstgerichts mit der Frage von Auslegungsgrundsätzen in jedem einzelnen Fall (RIS‑Justiz RS0116684).

4.2 Bereits in ihrem Antrag vor der Schlichtungsstelle hat die Antragstellerin Bezug auf die Vorschreibungen von Juli 2009 bis „dato“ genommen, die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung geltend gemacht und die Vorschreibungen der Höhe nach ‑ unter Bezugnahme auf die Wertsicherungsvereinbarung ‑ bestritten, sowie die hinsichtlich der Feststellung der Unwirksamkeit und der Überschreitung der ihr vorgeschriebenen Hauptmietzinse erforderlichen Anträge gestellt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen bewegen sich daher sowohl hinsichtlich des Sachbeschlusses als auch des Ergänzungssachbeschlusses innerhalb des von der Antragstellerin vor der Schlichtungsstelle gestellten Sachantrags und des von ihr zur Begründung vorgetragenen Tatsachenvorbringens (RIS‑Justiz RS0124048 [T2]).

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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