OGH 11Os83/14m

OGH11Os83/14m26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. August 2014 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, Mag. Michel, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer in der Strafsache gegen Herbert T***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1, Abs 2 StGB, AZ 24 Hv 115/12w des Landesgerichts Feldkirch, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 20. November 2012, GZ 24 Hv 115/12w‑29, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00083.14M.0826.000

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 20. November 2012, GZ 24 Hv 115/12w‑29, verletzt durch die rechtliche Unterstellung der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tat (auch) unter § 198 Abs 2 erster Fall StGB diese Bestimmung.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung der Tat auch unter § 198 Abs 2 erster Fall StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Herbert T***** hat durch die ihm nach dem unberührt bleibenden Teil des Urteils zur Last liegende Tat das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB begangen.

Zur Strafneubemessung wird die Sache an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 24 Hv 115/12w des Landesgerichts Feldkirch legte die Staatsanwaltschaft Feldkirch Herbert T***** mit Strafantrag vom 1. Oktober 2012 (ON 25) das in L***** von September 2002 bis Oktober 2003, im Dezember 2003, von Februar 2004 bis November 2004 sowie von Jänner 2005 bis Oktober 2012 zum Nachteil der am 17. Juli 1991 geborenen Ina B***** begangene Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zur Last.

In der Hauptverhandlung wurde mit Zustimmung der Beteiligten der Akteninhalt (einschließlich der Strafregisterauskunft) referiert (ON 28 S 2). Die letzte Strafregisterauskunft vom 25. Mai 2012 (ON 19 S 31 ff) enthält neben der Auflistung von eingetragenen Verurteilungen (zuletzt zu AZ 20 Hv 1059/01y des Landesgerichts Feldkirch vom 15. Oktober 2001 [rechtskräftig seit 18. Oktober 2001], vollzogen mit 30. August 2002) auch den Hinweis, dass die Tilgung sämtlicher Strafregistereintragungen voraussichtlich mit 30. August 2012 eintreten wird (ON 19 S 35).

Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, auch einen Freispruch enthaltenden Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Feldkirch vom 20. November 2012 wurde Herbert T***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 198 Abs 2 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt (ON 29).

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er in L***** und anderen Orten in den Zeiträumen Juni 2004 bis November 2004 und Jänner 2005 bis Oktober 2012 im Rückfall (§ 39 StGB) seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter Ina B*****, geboren am 17. Juli 1991, gröblich verletzt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten gefährdet war oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, indem er keine oder keine ausreichenden Unterhaltszahlungen für diese leistete.

Nach den Entscheidungsgründen hat der Angeklagte in den im Urteilstenor angeführten Zeiträumen keinerlei Unterhaltszahlungen an seine unterhaltsberechtigte Tochter geleistet, obwohl er diese im Hinblick auf seine Einkommenssituation (monatlich rund 3.000 CHF) „durchaus hätte bewerkstelligen können“. Der Angeklagte habe sich diesbezüglich geständig gezeigt. Das „Tatbild“ sei sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.

Zu allfälligen rückfallsbegründenden Vorstrafen im Sinn des § 39 StGB enthält das Urteil keine Feststellungen. Auch mit der Frage der zufolge des Hinweises in der Strafregisterauskunft vom 25. Mai 2012 voraussichtlich mit 30. August 2012 einzutretenden Tilgung der Vorstrafen (ON 19 S 31 ff) setzte sich der Einzelrichter im Urteil nicht auseinander.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 198 Abs 2 erster Fall StGB im Urteil vom 20. November 2012 mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Wer seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt oder die Erziehung des Unterhaltsberechtigten gefährdet wird oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet wäre, ist nach § 198 Abs 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen.

§ 198 Abs 2 StGB statuiert vier Qualifikationsfälle, wovon der erste Fall täterbezogen ist, die anderen hingegen erfolgsbezogen sind. Im hier inkriminierten ersten Fall tritt an die Stelle der fakultativ anzuwendenden Strafbemessungsvorschrift des § 39 StGB bei Rückfall unter den besonderen Gegebenheiten der gröblichen Verletzung der Unterhaltspflicht ein spezifisch (auf das Vierfache) erhöhter Strafsatz (Markel in WK² StGB § 198 Rz 70 f; Ramsauer, SbgK § 198 Rz 71).

Die Erfüllung der in Rede stehenden Qualifikation ist im vorliegenden Fall nur dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) durch Verwendung der verba legalia zu entnehmen („im Rückfall [§ 39 StGB]“). Entsprechende Feststellungen zu rückfallsbegründenden Vorstrafen im Sinn des § 39 StGB sind hingegen unterblieben, sodass das Urteil an einem Rechtsfehler mangels Feststellungen im Sinne des § 281 Abs 1 Z 10 StPO leidet. Denn das erwähnte Referat kann zwar allenfalls zur Verdeutlichung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen herangezogen werden, vermag aber fehlende Feststellungen nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580 mwN; RIS‑Justiz RS0114639). Dies gilt auch für die eine Qualifikation betreffenden Tatumstände (RIS‑Justiz RS0117119).

Bereits dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen hat sich zum Nachteil für den Verurteilten ausgewirkt, sodass dessen Feststellung mit konkreter Wirkung im Sinn des letzten Satzes des § 292 StPO zu verknüpfen war.

Zwar hat die materiellrechtliche Beurteilung einer Tat nach dem Strafsatz des § 198 Abs 2 erster Fall grundsätzlich auf den Tatzeitpunkt abzustellen (RIS-Justiz RS0091317 [T1]; 14 Os 3/97). Einer tatsächlichen Feststellung der Rückfallsvoraussetzungen (§ 39 StGB) stünde im Fall vor der Urteilsfällung (kraft Gesetzes mit Ablauf der Tilgungsfrist) eingetretener Tilgung (§ 1 Abs 1 TilgG) allerdings das prozessuale Hindernis des in § 1 Abs 4 TilgG zum Ausdruck kommenden Beweisthemenverbots entgegen (RIS-Justiz RS0091390; Kert, WK-StPO TilgG § 1 Rz 31; RIS-Justiz RS0106661). Daher hätte sich der Einzelrichter im Zusammenhang mit der Qualifikation nach § 198 Abs 2 erster Fall StGB auch mit der Frage einer zum Urteilszeitpunkt allenfalls bereits eingetretenen Tilgung der Vorstrafen auseinanderzusetzen gehabt, war eine solche durch den entsprechenden Hinweis in der Strafregisterauskunft vom 25. Mai 2012 doch unüberbietbar deutlich indiziert.

Da mit Blick auf die Strafregisterauskunft vom 23. Juni 2014 (ON 45) die Qualifikation nach § 198 Abs 2 erster Fall StGB tragende Feststellungen in einem weiteren Rechtsgang wegen mittlerweile eingetretener Tilgung der Vorstrafen keinesfalls zu erwarten sind, war das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, somit nicht bloß aus dem im Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben, sondern gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO auch wie aus dem Spruch ersichtlich in der Sache selbst zu erkennen.

Zur damit notwendig gewordenen Strafneubemessung war die Sache an die erste Instanz zu verweisen, nachdem der Verurteilte dem Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof fernblieb (vgl § 296 Abs 3 StPO). Eine Verweisung an das nunmehr zuständige Bezirksgericht erschien dem Obersten Gerichtshof nicht zweckmäßig (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Die Anrechnung der (zum Teil) bereits erlittenen Strafhaft wird (seit Aufhebung des § 359 StPO durch BGBl I 2007/93 mit 31. Dezember 2007 nunmehr) durch analoge Anwendung des § 358 Abs 4 StPO iVm § 38 StGB zu erfolgen haben (vgl RIS-Justiz RS0091600).

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