European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00081.14I.0724.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.961,64 EUR (darin enthalten 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist ein zur Unterlassungsklage nach § 28 KSchG befugter Verein. Die Beklagte ist ein bundesweit operierendes Mobilfunkunternehmen. Sie schließt laufend mit Verbrauchern Telekommunikationsverträge ab und verwendet dabei Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), in denen sich eine Klausel findet, die das Mobilfunkunternehmen bei Zahlung mittels Zahlschein berechtigt, dem Kunden ein angemessenes Bearbeitungsentgelt (gemäß dem mit dem Kunden vereinbarten und auf einer Website abrufbaren Tarifinformationen) zu verrechnen.
Der Kläger begehrte, es der Beklagten zu verbieten a) diese Klausel ihrer AGB (oder sinngleiche Klauseln) zu verwenden; b) Entgelte für die Durchführung von Zahlungen an die Beklagte mit bestimmten Zahlungsarten zu erheben, insbesondere ein Entgelt „Bearbeitungsgebühr für Kundenüberweisungen pro Rechnung (zB Zahlscheine, Onlinebanking)“ von 2 EUR. Daneben begehrte der Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Die Klausel sehe die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr bei Zahlungen von Verbrauchern mit Erlagschein vor, verstoße gegen die guten Sitten nach § 28 KSchG und gegen gesetzliche Verbote, insbesondere gegen § 27 Abs 6 zweiter Satz Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG), der die Einhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Falle der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments verbiete.
Die Beklagte stellte die Einhebung der genannten Entgelte außer Streit, bestritt im Übrigen die Begehren und wendete insbesondere ein, die Klausel widerspreche nicht dem Gesetz, weil bei Zahlung mit Zahlschein und per Telebanking kein „Zahlungsinstrument“ verwendet werde. Dessen Legaldefinition in § 3 Z 21 ZaDiG umfasse nicht die Zahlung mittels Zahlscheins und per Online‑ oder Telebanking.
Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt und qualifizierte die Zahlung mittels Erlagscheins als Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments im Sinn von § 27 Abs 6 zweiter Satz ZaDiG. Danach sei die Einhebung eines Entgelts unzulässig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. In seiner rechtlichen Beurteilung qualifizierte es auch unterschriebene und dadurch personalisierte Zahlscheine als Zahlungsinstrumente im Sinn der in § 3 Z 21 ZaDiG enthaltenen, an Art 4 Z 23 der Zahlungsdienste‑Richtlinie (ZaDi‑RL) angelehnten Legaldefinition. § 27 Abs 6 zweiter Satz ZaDiG verbiete dem Zahlungsempfänger, bei Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen. Nach Art 52 Abs 3 ZaDi‑RL dürfe der Zahlungsdienstleister dem Zahlungsempfänger nicht verwehren, vom Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments (zB eines Zahlscheins) ein Entgelt zu verlangen oder eine Ermäßigung anzubieten. Allerdings werde den Mitgliedstaaten freigestellt, die Einhebung von Entgelten bei der Benützung bestimmter Zahlungsinstrumente zu untersagen, um den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern. Österreich habe von dieser Möglichkeit mit der Bestimmung des § 27 Abs 6 ZaDiG Gebrauch gemacht. Diese Regelung stehe entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht in Widerspruch zu Art 52 Abs 3 ZaDi‑RL.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur im Wirtschaftsverkehr bedeutsamen Auslegung von § 27 Abs 6 zweiter Satz ZaDiG fehle.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung erhob die Beklagte eine Revision, welche der Kläger beantwortete.
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 24. 11. 2011 zu AZ 1 Ob 124/11h das Revisionsverfahren unterbrochen, weil der Oberste Gerichtshof bereits mit Beschluss vom 8. 11. 2011 zu AZ 10 Ob 31/11y dem EuGH Fragen zu Art 52 Abs 3 der Richtlinie 2007/64/EG (im folgenden Text auch: ZaDi‑RL) zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte.
Mit seinem Urteil vom 9. 4. 2014, Rs C‑616/11, hat der EuGH die Fragen des Obersten Gerichtshofs wie folgt beantwortet:
1. Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinie 97/7/EG , 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG ist dahin auszulegen, dass er auf die Nutzung eines Zahlungsinstruments im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinem Kunden als Zahler Anwendung findet.
2. Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64 ist dahin auszulegen, dass es sich sowohl bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags durch einen vom Zahler eigenhändig unterschriebenen Zahlschein als auch bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking um Zahlungsinstrumente im Sinne dieser Bestimmung handelt.
3. Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 ist dahin auszulegen, dass er den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Zahlungsempfängern generell zu untersagen, vom Zahler für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen, sofern die nationale Regelung insgesamt der Notwendigkeit Rechnung trägt, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Nach Einlangen der Vorabentscheidung ist das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.
Der Oberste Gerichtshof hat zu den auch in diesem Verfahren noch relevanten Fragen bereits in seiner Entscheidung vom 17. 6. 2014, AZ 10 Ob 27/14i, ausführlich Stellung genommen. Er kam zusammengefasst zum Ergebnis, dass nach der bindenden Rechtsansicht des EuGH Art 52 Abs 3 ZaDi‑RL auf das Zahlungsverhältnis zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und einem Kunden als Zahler Anwendung finde und durch Zahlschein oder per Onlinebanking eingeleitete Überweisungen Zahlungs-instrumente im Sinn der ZaDi‑RL darstellten und ein generelles, nicht zwischen verschiedenen Zahlungs-instrumenten differenzierendes Verbot der Einhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger richtlinienkonform sei, sofern die nationale Regelung insgesamt der Notwendigkeit Rechnung trage, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern. Österreich habe die ZaDi‑RL mit dem ZahlungsdiensteG (ZaDiG) umgesetzt. § 27 Abs 6 ZaDiG, dessen zweiter Satz die Einhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Fall der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments verbiete, setze Art 52 Abs 3 ZaDi‑RL um. Dieser räume den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen für die Entscheidung ein, ob und wie sie von der Möglichkeit Gebrauch machen möchten, die Berechnung von Aufschlägen zu verbieten oder zu begrenzen. Die Mitgliedstaaten könnten somit die Praxis der Berechnung von Aufschlägen verbieten oder begrenzen, selbst generell, um den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern oder einer missbräuchlichen Preisgestaltung vorzubeugen. Ob ein Zahlungsinstrument effizient sei, sei aber aus Sicht des Zahlers und des Zahlungsempfängers oft unterschiedlich zu beurteilen, weil manche Zahlungsinstrumente zwar für den Zahler, nicht aber für den Zahlungsempfänger effizient seien. So könnten beispielsweise Zahler aus Gründen, die mit der Art ihres Bankkontos oder ihrem Wunsch, die Rechnung vor der Zahlung zu prüfen, zusammenhängen, die Überweisung dem Lastschriftverfahren vorziehen. Daraus folge, dass der Weg des österreichischen Rechts, die gesonderte Verrechnung etwaiger Zusatzkosten des Gläubigers im Zusammenhang mit der Zahlung gänzlich zu verbieten, es dem Gläubiger aber zu gestatten, solche Kosten bei der Kalkulation seiner Preise mitzuberücksichtigen und zugleich Ermäßigungen für bestimmte (effiziente) Zahlungsinstrumente zuzulassen, weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Richtlinienvorgabe widerspreche. Der österreichische Gesetzgeber habe daher die Grenzen des Ermessens, das ihm in Art 52 Abs 3 der ZaDi‑RL und „im“ 42. Erwägungsgrund dieser Richtlinie eingeräumt worden sei, nicht überschritten. Seit Inkrafttreten des VersRÄG 2013 mit 1. 1. 2013 sei auch in § 41 VersVG klargestellt, dass das Verbot des § 27 Abs 6 ZaDiG auch im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer zur Anwendung gelange. Danach dürfe der Versicherer ‑ vorbehaltlich des § 27 Abs 6 ZaDiG ‑ neben der Prämie nur solche Gebühren verlangen, die der Abgeltung von Mehraufwendungen dienten, die durch das Verhalten des Versicherungsnehmers veranlasst worden seien. Die Vereinbarung davon abweichender Nebengebühren sei unwirksam. Für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des ZaDiG am 1. 11. 2009 und dem 1. 1. 2013 sei davon auszugehen, dass § 27 Abs 6 Satz 2 ZaDiG im Verhältnis zu § 21b VersVG als lex specialis und lex posterior allfällig entgegenstehenden Regelungen für Versicherungsverträge materiell derogiert habe. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des § 27 Abs 6 ZaDiG liege nicht vor.
Der erkennende Senat schließt sich den dargestellten Überlegungen, die sämtliche auch in diesem Revisionsverfahren noch relevanten Rechtsfragen beantworten, an. Damit erweisen sich die Unterlassungsbegehren des Klägers als berechtigt. Sein Anspruch auf Ermächtigung zur Veröffentlichung ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO.
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