OGH 9ObA72/14z

OGH9ObA72/14z22.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** W*****, vertreten durch Dr. Christian Mahringer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses (Streitwert 21.800 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 2. April 2014, GZ 12 Ra 20/14v‑10, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 16. Jänner 2014, GZ 11 Cga 126/13k‑6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00072.14Z.0722.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.327,68 EUR (darin enthalten 221,28 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die nach Ablauf von sechs Monaten des Dienstverhältnisses ohne Zustimmung des Behindertenausschusses ausgesprochene Kündigung der Klägerin, deren Stellung als begünstigte Behinderte im Sinn des BEinstG erst während des Dienstverhältnisses festgestellt wurde, unwirksam ist, ist zutreffend. Es kann daher auf die Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Ausführungen der Beklagten in ihrer Revision ist ergänzend Folgendes entgegenzuhalten:

Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 26. 11. 2013 zu 9 ObA 96/13b ausführlich mit der hier für die Ausnahme vom Kündigungsschutz des § 8 BEinstG in Anspruch genommenen Bestimmung des § 8 Abs 6 lit b BEinstG befasst. Nach dieser Bestimmung kommt der Kündigungsschutz auf solche Dienstverhältnisse nicht zur Anwendung, die zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht länger als vier Jahre bestanden haben, es sei denn, die Feststellung der Begünstigteneigenschaft erfolgte erst innerhalb dieses Zeitraums. Sonderregeln bestehen für den Fall, dass die Feststellung der Behinderteneigenschaft infolge eines Arbeitsunfalls erfolgt.

Zu dieser nicht leicht verständlichen Neuregelung hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass sich für Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Einstellung noch nicht begünstigte Behinderte sind, nichts ändern sollte. Es sollte nur ein Anreiz für Arbeitgeber geschaffen werden, Menschen mit Behinderungen verstärkt zu beschäftigen. Bereits in dieser Vorentscheidung wurde ausgesprochen, dass es „für Arbeitnehmer ohne schon bei Beginn des Arbeitsverhältnisses festgestellter Behinderung“ (Hervorhebung nicht im Text) bei der bisherigen Rechtslage bleiben und der besondere Kündigungsschutz nach Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist zum Tragen kommen soll. Im Unterschied zum vorliegenden Fall stellte der Kläger allerdings im damals entschiedenen Fall seinen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten erst während des Arbeitsverhältnisses, während der Antrag hier schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses gestellt wurde. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass der Kündigungsschutz im Fall der Feststellung der begünstigten Behinderteneigenschaft auf den 1. des Monats der Antragstellung, wenn die Antragstellung unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung erfolgte, bzw sonst auf die Antragstellung zurückwirkt (vgl § 14 Abs 2 BEinstG; RIS‑Justiz RS0077690; RS0077638). Der Gesetzgeber hat hier die Fälle, in denen die Ausnahme des § 8 Abs 6 lit b BEinstG nicht greifen soll, klar geregelt und auf „die Feststellung “ der begünstigten Eigenschaft abgestellt und darauf, dass diese nicht erst während des Dienstverhältnisses erfolgt sein darf. Damit hat er aber klar auf die zeitliche Lagerung der „Feststellung“ und nicht darauf abgestellt, auf welchen Zeitpunkt diese zurückwirkt. Kann doch im Ergebnis vor der „Feststellung“ auch nicht sicher beurteilt werden, ob selbst bei einer offensichtlichen Behinderung überhaupt die Schwelle für die Zuerkennung der Stellung als begünstigte Behinderte iSd § 2 BEinstG erreicht wird und wäre unklar, ob nun der Kündigungsschutz zum Tragen kommt oder nicht. Im Hinblick auf diese klare Regelung der Wirkungen des Bescheids durch den Gesetzgeber für diese Frage ändert es auch nichts, dass dem Bescheid im Allgemeinen nur feststellender Charakter zukommt (RIS‑Justiz RS0110351).

Dass die Sechsmonatsfrist für den Ausspruch der Kündigung ab Beginn des Dienstverhältnisses läuft, wurde bereits der Entscheidung 9 ObA 96/13b zugrundegelegt.

Damit ist aber die nach Ablauf der ersten sechs Monate des Dienstverhältnisses ohne Zustimmung des Behindertenausschusses ausgesprochene Kündigung von den Vorinstanzen zutreffend als rechtsunwirksam qualifiziert und der aufrechte Bestand des Dienstverhältnisses festgestellt worden.

Der Revision der Beklagten war dementsprechend nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

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