OGH 4Ob107/14k

OGH4Ob107/14k17.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** P*****, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** G*****, vertreten durch Dr. Lucas Lorenz und Mag. Sebastian Strobl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 11.570,56 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 5. August 2013, GZ 2 R 113/13d‑21, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 9. April 2013, GZ 13 Cg 27/12a‑17, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E108133

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird im Ausspruch über die Abweisung eines Begehrens von 5.630,06 EUR aufgehoben, und dem Berufungsgericht wird insofern die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten im Verfahren über die Berufung der klagenden Partei.

Text

Begründung

Der Kläger hatte vom beklagten Autohändler einen Pkw erworben und privat an einen Dritten weiterverkauft. Nach einem Motorschaden wurde er vom Dritten gerichtlich auf Wandlung in Anspruch genommen. Dabei stellte sich heraus, dass der Kilometerstand des Fahrzeugs vor dem Erwerb durch den Kläger manipuliert worden war.

Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger zunächst die Feststellung, dass ihm der Beklagte für sämtliche Schäden aufgrund der Tachomanipulation hafte. Der Beklagte habe davon (zumindest) gewusst und sei daher zum Schadenersatz verpflichtet. Nach Abschluss eines Vergleichs im Vorverfahren änderte der Kläger sein Begehren auf Zahlung folgender Beträge:

Hauptsache laut Vergleich 4.000,--

anteiliger Barauslagenersatzan Gegenseite 1.041,50

eigene Rechtsanwaltskosteninkl Zeugengebühren 7.116,56

Zeugengebühren H***** G***** 454,--

Summe 11.570,56

Der Beklagte bestritt seine Passivlegitimation, da Verkäuferin seine Frau gewesen sei; zudem sei im Vertrag jede Haftung ausgeschlossen worden. Für die Manipulation des Kilometerstandes sei er nicht verantwortlich. Zur Höhe der Forderung erstattete er außer einer unsubstantiierten Bestreitung kein Vorbringen.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 4.000 EUR und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte fest, dass der Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei und dass der Beklagte gewusst habe, dass das Fahrzeug einen weit höheren Kilometerstand gehabt habe als am Tachometer angezeigt. Das Vorverfahren sei durch einen Vergleich beendet worden, nach welchem der Kläger insgesamt 5.940,50 EUR zu zahlen gehabt habe. Tatsächlich habe er aber nur 4.000 EUR gezahlt, alle weiteren Kosten habe seine Rechtsschutzversicherung getragen. Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass der Beklagte für die Verletzung einer Aufklärungspflicht hafte, wobei der Schaden des Klägers nach den Feststellungen aber nur 4.000 EUR betrage.

Der Beklagte ließ den Zuspruch unbekämpft, der Kläger berief gegen die Teilabweisung. Der Beklagte habe weder die Aktivlegitimation des Klägers noch die Höhe des Schadens substantiiert bestritten. Die Feststellungen zur Schadenshöhe beruhten daher auf überschießenden Beweisergebnissen. Jedenfalls sei das Erstgericht aber verpflichtet gewesen, mit dem Kläger zu erörtern, dass es ihn wegen der Ersatzleistung durch die Rechtsschutzversicherung für nicht aktiv legitimiert halte. Er hätte dann vorgebracht, dass die Versicherung die Forderung (rück-)abgetreten habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung im Betrag von 5.630,06 EUR und hob das Urteil im darüber hinausgehenden Betrag von 1.940,50 EUR auf. Die Revision ließ es zunächst nicht zu.

Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen habe der Kläger nur 5.940,50 EUR zu zahlen gehabt; das Mehrbegehren von 5.630,06 EUR sei daher jedenfalls abzuweisen. Bei der Abweisung von 1.940,50 EUR liege eine Überraschungsentscheidung vor. Das Erstgericht sei verpflichtet gewesen, die Frage der Aktivlegitimation für die 4.000 EUR übersteigende Zahlungspflicht aus dem Vergleich zu erörtern. Dem Grunde nach bestehe insofern die Haftung, wenn der Beklagte dem Kläger trotz Streitverkündung keine Streithilfe geleistet habe. Zu dieser Streitverkündung seien im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zu treffen.

Dagegen erhob der Kläger eine mit einem Zulassungsantrag verbundene ordentliche Revision. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Überraschungsentscheidung nur zur Aufhebung hinsichtlich jenes Betrags führe, den die Rechtsschutzversicherung an die Gegenseite gezahlt habe, sei nicht nachvollziehbar; der Beklagte hafte auch für die eigenen Kosten des Klägers, die die Rechtsschutzversicherung ersetzt habe. Auch insofern hätte der Kläger bei Erörterung eine Rückzession behauptet. Aus der Feststellung des Erstgerichts zur Schadenshöhe lasse sich nichts Gegenteiliges ableiten, weil sie nur die Zahlungspflicht an den dortigen Kläger betreffe.

Das Berufungsgericht ließ die Revision ‑ nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist (vgl 4 Ob 225/13m) ‑ nachträglich zu, weil die Richtigkeit der Argumentation des Klägers „nicht von vornherein auszuschließen“ sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Zwar können Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht verneint wurden, in der Revision nicht mehr gerügt werden (RIS-Justiz RS0042963; RS0106371; RS0043172; Zechner in Fasching/Konecny² § 528 ZPO Rz 44). Anderes gilt aber dann, wenn das Berufungsgericht die Erledigung der Verfahrensrüge unterlassen hat; dies begründet einen nach § 503 Z 2 ZPO revisiblen Mangel des Berufungsverfahrens vor (RIS-Justiz RS0043144, vgl auch RS0043086; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 503 ZPO Rz 36 mwN).

2. Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger hat in der Berufung geltend gemacht, dass die Abweisung seines Mehrbegehrens eine unzulässige Überraschungsentscheidung sei. Das Berufungsgericht hat diese Auffassung für einen Betrag von 1.940,50 EUR geteilt und insofern einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens angenommen. Für den weiteren Betrag von 5.630,06 EUR fehlt jede Auseinandersetzung mit der auch insofern erhobenen Verfahrensrüge. Damit ist das Berufungsverfahren in diesem Punkt mangelhaft geblieben. Dem Berufungsgericht ist durch Aufhebung Gelegenheit zu geben, die Berufung auch in diesem Punkt zu erledigen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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