OGH 8ObA37/14w

OGH8ObA37/14w26.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter KR Hermann Furtner und ADir. Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei O***** R*****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 10. April 2014, GZ 10 Ra 116/13x‑66, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:008OBA00037.14W.0626.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Das Berufungsgericht hat ‑ anders als das Erstgericht ‑ die Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Klägers durch die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bejaht. Soweit ausgehend von den Feststellungen überhaupt von einer derartigen relevanten Beeinträchtigung des zum Kündigungszeitpunkt 30‑jährigen Klägers, den keine Sorgepflichten treffen, also von erheblichen sozialen Nachteilen für ihn, ausgegangen werden kann, wurde die Erheblichkeitsschwelle dafür gerade noch überschritten.

2.1  Für eine Rechtfertigung der die Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigenden Kündigung durch personenbezogene Gründe reicht es aus, dass die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen (vgl 8 ObA 45/11t). Je stärker die Beeinträchtigung des Arbeitnehmers ist, umso gewichtiger müssen die betrieblichen Interessen an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses sein, und umgekehrt.

2.2  Im Anlassfall kann sich die Beklagte auf personenbezogene Rechtfertigungsgründe berufen. Dies gilt zum einen für die überhöhten Krankenstände des Klägers. Dazu besteht in der Judikatur naturgemäß eine Fülle von Einzelfallentscheidungen (vgl RIS‑Justiz RS0051801). Eine starre Grenze für überhöhte Krankenstände in Bezug auf deren Häufigkeit und Dauer besteht jedoch nicht. Vielmehr ist das Vorliegen des in Rede stehenden Rechtfertigungsgrundes nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (8 ObA 7/08z; 8 ObA 48/08d).

Für die Situation des Klägers ist charakteristisch, dass er während seiner dreieinhalbjährigen Dienstzeit bei der Beklagten nahezu regelmäßig überdurchschnittliche Krankenstände in Anspruch genommen hat. Ob der Kläger zu diesen Zeiten tatsächlich dienstunfähig war, konnte ‑ mit Ausnahme für den Krankenstand ab 31. 5. 2010 ‑ nicht festgestellt werden. Die Beweislast für die Dienstunfähigkeit ist grundsätzlich beim Kläger gelegen. Darauf, dass er jeweils auf ärztliche Krankschreibungen vertrauen durfte, hat er sich nicht berufen.

Wenn die Vorinstanzen aufgrund der Häufigkeit und insbesondere der Regelmäßigkeit der Krankenstände des Klägers den Tatbestand überhöhter Krankenstände als erfüllt ansehen und davon ausgehen, dass der Arbeitgeber auch in Zukunft mit Krankenständen in ähnlichem Umfang rechnen durfte, ist darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung gelegen.

2.3  Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung können auch die verspäteten Dienstantritte des Klägers nicht unberücksichtigt bleiben. Nach den Feststellungen ist der Kläger mehrfach schuldhaft verspätet zum Dienst erschienen, wobei in drei Fällen die Zeitverzögerungen erheblich waren. Unpünktlichkeit des Arbeitnehmers kann eine Pflichtverletzung begründen. Maßgebend ist dabei nicht, ob die Unpünktlichkeit im Sinn des in der außerordentlichen Revision angelegten sprachlichen Maßstabs „oftmalig“ ist, sondern ob eine Pflichtwidrigkeit vorliegt. Dafür ist eine gewisse Mindestintensität in Bezug auf Dauer oder Häufigkeit verspäteter Dienstantritte erforderlich (vgl RIS‑Justiz RS0029495). Davon ist jedenfalls auch bei wiederholten Zeitverfehlungen, wenn sie ‑ wie hier ‑ zum Teil zu erheblichen Verzögerungen geführt haben, auszugehen.

2.4  Insgesamt stellt die Bejahung des Vorliegens des Rechtfertigungsgrundes überhöhter Krankenstände und jenes der Pflichtverletzung wegen wiederholter Dienstversäumnisse keine Überschreitung des den Vorinstanzen eingeräumten Entscheidungsspielraums dar. Das Gleiche gilt für die Beurteilung, dass die betrieblichen Interessen der Beklagten in überwiegender Weise nachteilig berührt sind.

Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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