OGH 3Ob53/14m

OGH3Ob53/14m25.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H*****, und 2. J*****, beide vertreten durch Dr. Johann Grasch, Rechtsanwalt in Kaindorf an der Sulm, gegen die beklagte Partei Gemeinde S*****, vertreten durch die Kortschak & Höfler Rechtsanwälte KG in Leibnitz, wegen Unterlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2014, GZ 2 R 180/13b‑57, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. August 2013, GZ 17 Cg 140/11t‑51, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Kläger begehrten von der Beklagten die Unterlassung von näher bezeichneten Lärmimmissionen auf ihr Grundstück durch den Betrieb der Sportanlage, soweit sie das näher nach LA, eq (das ist der sog [energie‑]äquivalente Dauerschallpegel, der das energetische Mittel aller Schallereignisse über den gemessenen Zeitraum angibt) angegebene Maß der Ortsüblichkeit übersteigen. Seit den Umbauarbeiten komme es zu einer exzessiven Nutzung des Sport- und Spielplatzes; der davon ausgehende Lärm übersteige die Ortsüblichkeit enorm und sei mit der Nutzung des Einfamilienhauses mit dem Widmungscharakter der umliegenden Wohngegend nicht in Einklang zu bringen.

Die Beklagte bestritt und wendete ein, die Umbauarbeiten hätten keine substantielle Änderung der Sportfläche und des bestehenden Zustands mit sich gebracht. Die von der Sportanlage ausgehenden Schalleinwirkungen seien ortsüblich.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, die vom Hartplatz ausgehenden und den Wert von LA, max (das ist der Spitzenwert der gemessenen Schallereignisse) = 51 dB übersteigenden Lärmeinwirkungen auf das Grundstück der Kläger zu unterlassen und wies das Mehrbegehren unbekämpft ab. Erst im Jahr 2009 habe die Lärmbelästigung durch den Hartplatz plötzlich und beträchtlich zugenommen; diese vom Hartplatz ausgehende Lärmeinwirkung müssten die Kläger nicht mehr hinnehmen, weil der Lärm nicht nur wegen der Stärke, sondern vor allem wegen seiner Impulsartigkeit als besonders störend und unangenehm empfunden werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil Rechtsfragen erheblicher Bedeutung angesichts der Einzelfallabhängigkeit von Fragen der Ortsüblichkeit nicht zu lösen gewesen seien. Es stelle keine unrichtige rechtliche Beurteilung dar, wenn das Erstgericht in diesem besonderen Fall auf den vom nunmehrigen Hartplatz ausgehenden Teilpegel abgestellt habe.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung iSd vollkommenen Abweisung der Klage, hilfsweise auf Aufhebung und Zurückverweisung an die erste oder zweite Instanz.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte zeigt in ihrer Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb diese als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Die Beklagte baut ihre Argumentation vielfach auf Ausführungen im eingeholten Gutachten des Sachverständigen auf, die entweder nicht oder so nicht in die Feststellungen des Erstgerichts übernommen wurden. In diesem Umfang fehlt es der Revision an einer gesetzmäßigen Ausführung, weshalb darauf nicht inhaltlich einzugehen ist.

2. Lärmeinwirkungen sind mittelbare Immissionen, die nur soweit, als sie das ortsübliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benutzung wesentlich beeinträchtigen, untersagt werden können. Der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt daher voraus, dass die Beeinträchtigung (Immission) sowohl ortsunüblich als auch unzumutbar ist (RIS‑Justiz RS0010587). Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist in erster Linie ein objektiver, der auf die Benützung der Nachbargrundstücke abstellt und daher von der Natur und Zweckbestimmung des beeinträchtigenden Grundstücks abhängig ist. Maßgeblich ist demnach nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet (RIS‑Justiz RS0010607). Bei der Beurteilung, ob ungebührlicherweise störender Lärm vorliegt, kommt es nicht bloß auf die Lautstärke an, zu beachten ist auch, ob die Beeinträchtigung häufig und lang andauernd erfolgt und zu welcher Tageszeit (RIS‑Justiz RS0037203). Es ist nicht nur die objektiv messbare Lautstärke maßgebend, sondern auch die subjektive Lästigkeit, die sich vor allem nach der Tonhöhe, der Dauer und der Eigenart der Geräusche bestimmt (RIS‑Justiz RS0010557). Neben dem Grad und der Dauer der Einwirkung und ihrer Störungseignung sind auch das Herkommen und das öffentliche Interesse wesentlich (4 Ob 24/13b mwN; RIS‑Justiz RS0010678). Ob eine Einwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (10 Ob 20/11f; RIS‑Justiz RS0010558; RS0014685).

3. Den Feststellungen des Erstgerichts ist zu entnehmen, dass vor 2009 kein Hartplatz existierte (sondern ein zweiter Tennissandplatz) und es seither durch das Bespielen des Hartplatzes zu massiven Erhöhungen der Geräuschimmission kam; vor allem durch das „Gegen‑die‑Bande‑Spielen“, werden Geräuschpegel von Schallpegelspitzen bis zu 72 dB erreicht; die Anhebung des Wertes der lautesten Tagesstunde gegenüber dem Bespielen des früheren Tennissandplatzes bedeutet nahezu eine Verdoppelung des empfundenen Lautheitseindrucks. Der vom Hartplatz ausgehende Lärm wird nicht nur wegen der Stärke, sondern vor allem wegen seiner Impulsartigkeit als besonders störend und unangenehm empfunden. Vor allem jenes Geräusch, das entsteht, wenn der Ball gegen die Bande des Hartplatzes gespielt wird, ist im Einfamilienhaus der Kläger bei geschlossenen Räumen, die in Richtung des Sportplatzes ausgerichtet sind (Wohn‑, Ess‑ und Kinderzimmer) wahrnehmbar.

4. Der von der Beklagten reklamierte Vergleich der bisherigen und der neuen Lärmsituation an Hand des sogenannten (energie‑)äquivalenten Dauerschallpegels (LA, eq), den sie erkennbar mit dem vom Erstgericht herangezogenen Gesamtbeurteilungspegel gleichsetzt, stellt im vorliegenden Fall kein taugliches Mittel zur Beurteilung der Ortsüblichkeit der neuen Lärmsituation dar. Denn die dazu ermittelten Tages‑ und Nachtwerte von 58,4/58,3 dB (vor dem Umbau) und 59,9/59,8 dB (danach) zeigen, dass dieser Lärmparameter die Besonderheit der neuen, erst seit 2009 auftretenden Lärmimmission nicht in dem Ausmaß berücksichtigt, das den Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse und die besondere Lästigkeit dieser impulsartigen Geräusche entspricht. Deshalb erscheint die Untersagung der besonders unangenehmen, früher nicht gegebenen Lärmspitzen hier notwendig und ist deshalb nicht zu korrigieren.

5. Unter diesen Umständen des konkreten Einzelfalls bildet auch die Ansicht der Vorinstanzen, die bis zum Umbau der Sportanlage nicht gegebene, vom Bespielen des Hartplatzes ausgehende impulsartige und allgemein als besonders störend empfundene Lärmentwicklung überschreite das (bisherige) ortsübliche Ausmaß der von der Sportanlage ausgehenden Lärmbelästigung massiv und stelle wegen ihrer besonderen Lästigkeit eine selbständige wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung der Wohnliegenschaft der Kläger dar, jedenfalls keine unvertretbare Fehlbeurteilung.

6. Es trifft auch nicht zu, dass der Beklagten damit schon bisher ortsüblich gewordene Lärmimmissionen untersagt werden.

Das Erstgericht beschränkte die Unterlassungsverpflichtung auf „die vom Hartplatz ausgehenden Lärmeinwirkungen“, die die früher aufgetretenen Lärmspitzen am Tennissandplatz 2 von bis zu 51 dB übersteigen, ohne ‑ wie der Revision zuzugestehen ist ‑ im Spruch die konkrete Schallquelle zu nennen. Soll der vom Gericht gewollte, im Spruch aber nicht klar und eindeutig formulierte Inhalt der Sachentscheidung erkannt werden, sind auch die Entscheidungsgründe zur Auslegung der Tragweite des Spruchs heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0000300). Aus der Begründung des Ersturteils ist unzweifelhaft zu erkennen, dass der Erstrichter als Ursache der „neuen“ Lärmeinwirkung primär das Schießen des Balles gegen die Bande beim Bespielen des Hartplatzes (also dessen widmungsgemäße Nutzung ua zum Fußballspielen) ansieht, nicht jedoch Zurufe von Spielern und/oder Zuschauern oder Applaus; derartige Äußerungen sind ja auch beim vor dem Umbau bestehenden Spielbetrieb auf den beiden Tennisplätzen und der Rasenfläche zu unterstellen, und bilden deshalb keine (wesentliche) Änderung der Lärmsituation.

Als vom Ersturteil verpönte Schallquellen sind daher nicht die Spieler oder Zuschauer am Hartplatz anzusehen. Das Erstgericht wollte vielmehr jene impulsartige Lärmentwicklung (über 51 dB LA, max) untersagen, die aufgrund der (baulichen) Ausführung und Gestaltung des Hartplatzes selbst bei widmungsgemäßer Nutzung (zB Passen über die Bande oder Torschuss, der das Ziel verfehlt) die besonders störenden Geräusche hervorruft. Dieses Verständnis des Titels hatte erkennbar auch das Berufungsgericht, das ‑ von der Revision unbeanstandet ‑ auf die tatsächliche Möglichkeit verwies, den vom Hartplatz herrührenden massiven Lärm (beim Spielen mit der Bande) durch technische Schutzeinrichtungen (Matten oder Ähnliches) abzustellen oder doch auf ein ertragbares Maß zu vermindern.

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